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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

So wenden wir uns denn den Ländern zu, in denen unsere Cultur und Kunst erwuchsen, den europäischen Gestaden des Mittelländischen Meeres. In Schutt und Staub ruhen hier seit undenklichen Zeiten die höchsten Bauwerke des griechischen Genius, und nur einige Riesenwerke Roms, der Weltbeherrscherin, schauen noch heute von ihrer gewaltigen Höhe herab auf das veränderte Treiben der Menschen zu ihren Füßen.

In der Hauptstadt des neugeborenen Italien ragt noch auf dem Forum Trajanum die Triumphsäule empor, welche vom römischen Senate und Volke im Jahre 113 n. Chr. dem Kaiser Trajan errichtet wurde. Ihr kostbares Postament bildete das Mausoleum für die Asche des Kaisers, und die auf demselben stehende schlanke Säule ist heute noch eins der höchsten Denkmäler der Welt. Die ewige Stadt birgt außerdem in ihrem Häusermeer einen anderen hohen Kuppelbau, der stolz den Stürmen von achtzehn Jahrhunderten trotzte, das Pantheon, den allen Göttern geweihten Tempel, ein wahres Symbol der römischen Weltherrschaft.

Doch der heidnische Tempel kann sich kaum messen mit der schwindelnden Höhe der größten Kirchen, welche das Christenthum seinem Gotte zu Ehren baute. Weit über die Kuppel des Pantheon ragt das Kreuz der berühmten Peters-Kirche zu Rom, eines Bauwerkes, welches der Christenheit über 200 Millionen Mark kostete und an welches sich äußerlich die Entstehung des Protestantismus knüpfte, und höher noch als dieses Meisterwerk der Baukunst steht das Wahrzeichen des einigen Deutschlands da, der Dom zu Köln, der höchste und stolzeste Bau aller Länder und aller Zeiten.

Zu weit würde es uns führen, wollten wir hier die Gründungsgeschichten aller der Kirchen erzählen, welche durch die Höhe ihrer Thürme berühmt wurden. Deutschland ist besonders reich an solchen Bauten, darüber belehrt uns ein Blick auf das anseitige Bild, wo unter den höchsten Thurmspitzen die deutschen am zahlreichsten vertreten sind. Nur auf die weniger hohen, aber durch ihre schiefe Bau-Art sich auszeichnenden Thürme zu Pisa und Bologna möchten wir noch die Aufmerksamkeit der Leser lenken. Il Campanile, der Glockenthurm zu Pisa, ist weit und breit durch seine sieben musikalisch gestimmten Glocken bekannt und verdient auch in der Geschichte der Wissenschaften einen Platz; denn von ihm aus machte Galilei die wichtigen Versuche, auf welchen er seine unsterbliche Mechanik der Fallgesetze begründete. Der 83 Meter hohe Torre Garisenda zu Bologna wurde ebenso wie der Thurm zu Pisa und der zweite schiefe Thurm zu Bologna, Torre Asinelli, im Anfange des zwölften Jahrhunderts erbaut, und Dante hat ihn einst besungen, indem er ihn mit dem sich bückenden Riesen Antäus verglich, dem die Berührung mit der Erde neue Kräfte verleiht.

Und von den Werken des Glaubens, von den der Gottheit geweihten Kirchen, deren Glocken Ruhe und Frieden der Menschheit verkünden sollen, steigen wir wiederum tiefer hinab unter Säulen und Triumphbögen, welche dem weltlichen Ruhme dienen und den Glanz weltlicher Thaten späteren Geschlechtern erhalten. Viele von ihnen sind Kinder längst vergangener Jahre, und ihre Entstehung lebt noch frisch in unserer Erinnerung. Große geschichtliche Umwälzungen knüpfen sich an ihre Namen; gewaltige Thaten des Schwertes sind auf ihren Sockeln verzeichnet, und höher schlagen unsere Herzen bei ihrem Anblick; denn sie sind oft die kunstreiche Verkörperung lange erstrebter und endlich erreichter Ideale der Völker und der Menschheit.

Wer von uns kennt nicht das Hermanns-Denkmal im Teutoburger Walde, das große Kunstwerk Ernst von Bandel’s (vergl. Jahrgang 1875, Nr. 38), das von einer kupfernen Riesengestalt gekrönt wird, deren Höhe bis zum Helmschmuck 17,3 Meter, bis zur rechten erhobenen Faust 19 und bis zur Spitze des Schwertes 26 Meter beträgt? In wessen Erinnerung lebt nicht der 16. August 1875, da von diesem Werke in Gegenwart des deutschen Kaisers und des hochaufjauchzenden Volkes die letzte Hülle fiel? Wer von uns kennt nicht das seiner Vollendung entgegengehende, der Einigung Deutschlands geweihte Nationaldenkmal (vergl. Jahrgang 1874, Nr. 33), welches von dem Meister Johannes Schilling entworfen und, die „Wacht am Rhein“ darstellend, auf den Höhen des Niederwaldes binnen Kurzem aufgestellt werden wird? Wer kennt nicht endlich das Siegesdenkmal zu Berlin, jene meisterhaft von Strack gebaute Säule, von deren Spitze die Drake’sche goldene Siegesgöttin auf die junge Kaiserstadt hinabschaut, dieses Denkmal, welches an Höhe das berühmte Trajansdenkmal und die wieder aufgerichtete wälsche Vendômesäule bedeutend überragt und wohl als die höchste Siegessäule der Welt von dem Ruhme des großartigsten Sieges alter Zeiten berichtet?

Alle diese Denkmäler erzählen nicht wie die dem Corsen zur Ehre errichtete Säule in Paris von Völkerknechtung und Rechtsverletzung; nein, ihr Erz verherrlicht nur die Einigung und Befreiung einer friedliebenden Nation.

Aber auch Paris kann mit Stolz auf sein hohes Denkmal auf dem Bastilleplatz blicken, auf die Julisäule, welche an die Zerstörung der bourbonischen Zwingburg erinnert und unter welcher die irdischen Ueberreste vieler in dem Julikampfe 1830 für politische Freiheit gefallener Bürger rühen.

Von dem kunstliebenden München winkt uns noch ein gewaltiges Denkmal baierischen Heimathstolzes entgegen: die Riesenstatue der Bavaria, vor der Ruhmeshalle auf der Theresien-Wiese aufgestellt. Auf einem 9 Meter hohen Marmorsockel steht die 16 Meter hohe Kolossalstatue, in der erhobenen Linken den Lorbeerkranz, die Rechte am Schwerte, neben ihr der baierische Löwe; 1284½ Centner wiegend, wurde dieser Koloß nach dem Modelle Ludwig von Schwanthaler’s von dem trefflichen Meister Ferdinand von Miller gegossen. Das Metall zu diesem größten Erzgußwerk der Welt stammt von den türkischen Kanonen her, die nach der Schlacht von Navarin aus dem Meer gehoben wurden. Man kann in der hohlen Statue auf eisernen Treppen bis in den Kopf hinaufsteigen, in welchem auf 2 Sophas 6 Personen bequem Platz finden.

Fürstlicher Prachtliebe verdankt Deutschland noch eine andere ähnliche Schöpfung. Auf dem Octogon des Lustschlosses Wilhelmshöhe bei Kassel steht eine Pyramide von starken Quadern, und aus ihrer Spitze lehnt auf seiner Keule die 10 Meter hohe, aus getriebenem Kupfer gearbeitete Nachbildung des Farnesischen Hercules. Hier kann man auf Treppen und Leitern bis in die Keule steigen, und diese Keule dürfte die gewaltigste der Welt sein, da in ihr 8 bis 10 Personen Platz haben. Otto Friedrich Kupfer heißt der Kasseler Kupferschmied, welcher diesen Hercules verfertigte. Der „große Christoph“ – so taufte das Volk den griechischen Götterhelden – wurde im Jahre 1717 aufgestellt.

In anderen europäischen Ländern wetteifern um den Preis der höchsten Höhe die dem russischen Kaiser Alexander dem Ersten vor dem Winterpalais in Petersburg errichtete Säule und die Feuersäule in London. Letztere erhebt sich an der Stelle, wo im Jahre 1666 der „große Brand“ von London entstand, und sie soll dessen Andenken verewigen. Meister C. Wren hat in den Jahren 1671 bis 1677 dieses Denkmal errichtet; es stellt eine dorische Säule dar, auf deren Gipfel eine vergoldete Flammenkugel angebracht ist. Einst befand sich auf dem Sockel der Säule eine Inschrift, welche die Schuld von der Entstehung der Feuerbrunst den Katholiken zuschob. Aufgeklärtere Zeiten haben dieselbe entfernen lassen.

Das höchste aller Denkmäler aber soll in nächster Zeit in New-York errichtet werden; es ist einer Göttin geweiht, der wir Alle freudig huldigen und deren ewige Herrschaft wir herbeiwünschen – der Göttin der Freiheit.

Außer den eigentlichen Denkmälern haben noch die Völker der Neuzeit, hier und dort, nach römischer Art Triumphbögen zur Verherrlichung ihrer Thaten errichtet, von denen der höchste der Arc de triomphe de l’Etoile in Paris ist. Schon Napoleon der Erste plante seine Errichtung, aber erst unter Ludwig Philipp, der zu seinem Nachtheile mit dem Ruhme der napoleonischen Epoche kokettirte, wurde das Werk ausgeführt. Ein bedeutender Kenner der Baukunst, Wilhelm Lübke, sagt über diesen Bau: „Es ist eine schwerfällige, ungegliederte Masse, klotzartig aufragend, ohne Beziehung zum Verkehr des Lebens, da das Motiv des Thors nur als Vorwand benutzt ist, um auf großen Mauerflächen die Gloire des Kaiserreichs ausbreiten zu können.“

Diesem Triumphbogen der Seinestadt stellt Berlin sein nach dem Vorbilde der Propyläen zu Athen erbautes Brandenburger Thor entgegen. Der treffliche, durch Langhans in den Jahren 1789 bis 1793 aufgeführte Bau wird von einer Quadriga nach Schadow’s Modell gekrönt. Merkwürdig waren bekanntlich die Geschicke dieses Viergespanns mit der Siegesgöttin: als die Franzosen in Berlin eingerückt waren, raubten sie 1807 das Kunstwerk und schleppten es nach Paris, um es dort auf ihrem geplanten Arc

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 663. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_663.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2023)