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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

eingeschlossen ist und sich nur gegen Norden in einem schmalen Ausgange öffnet. Ungefähr die Mitte dieses Felsenkessels ist der Ort, wo das ‚Geläute‘ sich vernehmen läßt. Schon vor bald fünfzig Jahren machte der bekannte Botaniker Dr. Georg Mally in der Steiermärkischen Zeitschrift (Neue Folge II, 1. Seite 13. Graz 1835) auf diese Erscheinung aufmerksam; er sagt, daß sich, als er in die Mitte des erwähnten Felsenthales gekommen sei, über ihm ‚leise Töne in der Luft vernehmen ließen, die wundersam harmonirten und mit nichts anderem füglich verglichen werden konnten, als mit dem mehrstimmigen Geläute einer fernen Kirche. Obwohl ein leiser Luftzug von Norden her sich spüren ließ, waren die Töne doch vernehmbar. Merkwürdig war die regelmäßige Fortdauer derselben. Ich ging mehrere Schritte vorwärts, die Töne wurden schwächer und verhallten endlich gänzlich.‘“

Es wehte also auch hier der Wind durch die Schlucht in das Thal hinein, und der Beobachter glaubte, wie alle früher angeführten Gewährsmänner, die Töne hoch über sich in der Luft zu vernehmen. Besonders beachtenswerth erscheint in allen diesen Berichten die Betonung der Andauer oder des langsamen Dahinziehens der Töne über dem Haupte der Beobachter, was der in dem vorigen Artikel erwähnte Pyrenäen-Reisende mit dem seltsamen, aber sehr charakteristischen Ausdrucke „ein langsamer, klagender Ton“ bezeichnete, und was Herrn Reuleaux zur Annahme eines langsam vorüberziehenden, tönenden Luftwirbels veranlaßte. Auch Herrn Gericke fiel dieselbe Eigenthümlichkeit auf. Dr. Mally suchte sich das Phänomen übrigens aus dem Geräusche einer Quelle zu erklären, welche von der steilen Wand des Speikkogels in das Felsenthal herabsprudelt, wobei nach seiner Meinung die Schallstrahlen durch die sich von drei Seiten erhebenden Felswände und deren vielfache Vorsprünge tausendfältig zurückgeworfen und gerade dort, wo man die Töne hört, in einem Brennpunkte so vereinigt werden sollen, daß sie harmoniren und das Phänomen eines Geläutes erzeugen.

Es soll nun gewiß nicht behauptet werden, daß in dem Sprudeln, Murmeln und Brausen des Wassers wirkliche musikalische Töne nicht enthalten wären, die nicht auch unter Umständen durch zurückwerfende Felswände concentrirt und zu einem „Gesange der Quellnymphen“ oder der Wellennixen, wie in der Fingalsgrotte von Staffa, verdichtet werden könnten.

Nach den vor neun Jahren (1873) angestellten Untersuchungen von Albert und Ernst Heim hat das Brausen und Rauschen der Wasserfälle die Eigenthümlichkeit, daß in ihm stets der C-dur-Dreiklang (C, E, G) und daneben das tiefere, nicht zum Accord gehörige F gehört wird. Bei großen donnernden Wasserstürzen übertönt das F die übrigen Klänge und dringt schon von ferne um die Felsecke oder über den Wald zu den Ohren des sich nähernden Besuchers. Bei weniger brausenden Fällen tritt besonders das C deutlich hervor, und neben ihm G; je nach den Eigenarten des Falles ist der eine oder der andere Ton vorherrschend hörbar, sodaß jeder Wasserfall seine eigene Musik hat.

Die genannten Beobachter konnten diese vier Töne bei allen Wasserfällen mitunter in verschiedenen Octaven heraushören, und daraus entspringen für den Besucher eigenthümliche Folgen: Wenn man am Ufer eines rauschenden Wassers ein Lied in anderer Tonart als C-dur zu singen versucht, so entstehen sehr häßliche Dissonanzen zwischen dem Gesange des Menschen und dem des Wassers, sodaß unbewußt Niemand am rauschenden Wasser anders als in C-dur, und wenn der Strom recht gewaltig donnert, in F-dur zu singen versuchen wird. Es ist anders kaum möglich.

Den geneigten Leser wird es vielleicht überraschen, zu erfahren, daß nach den 1857 veröffentlichten Untersuchungen des bekannten englischen Physikers Tyndall diese Töne viel weniger durch das Aufschlagen der stürzenden Wassermassen als durch das Zerplatzen der zahllosen mit zusammengedrückter Luft gefüllten Bläschen, welche [si]e erzeugen, hervorgebracht werden. Das heißt also mit anderen Worten: das Schäumen der Wassermassen ist die nächste und hauptsächlichste Ursache des Gebrauses derselben; es finden gleichsam unendlich viele kleine Explosionen statt, die sich in schneller Aufeinanderfolge zu theilweise musikalischen Tönen an einander reihen.

Wahrscheinlich hängt aber mit den musikalischen Tönen des fallenden Wassers noch eine andere bekannte Erscheinung zusammen, nämlich das Vorkommen rhythmischer Zusammenziehungen und Erweiterungen fallender Wasserstrahlen, die ihnen eine gewisse Aehnlichkeit mit gewundenen oder geflochtenen Schnüren geben und für Musik, wie schon Savart beobachtete, äußerst empfindlich sind. Man sieht diese Anschwellungen der Wasserstrahlen, wenn man auf der Geige (selbst in einiger Entfernung) langgezogene Töne spielt, eigenthümlich sich ballen und aus einander rücken, sodaß der Wasserstrahl einem Bambusstock mit dicken Knoten ähnlich wird.

Wir müssen es künftigen Untersuchungen überlassen, zu entscheiden, ob bei dem „Geläut der schwanbacher Alpen“, wie das Phänomen bei den Umwohnenden heißt, wirklich die Musik des kleinen Wasserfalls mitwirkt, oder ob, wie unser Correspondent glaubt, dort dieselben Ursachen das Geläut hervorrufen, wie im singenden Thal von Thronecken. Da das betreffende Gebirgsthal leicht von mehreren Seiten mit der Bahn zu erreichen ist und überdem in einer an Naturschönheiten reichen Gegend liegt, so wird sich hoffentlich bald ein Physiker finden, der, den Naturgenuß mit dem Studium verbindend, uns darüber weitere Aufklärung verschafft.

Ebenso dürfen wir dies hoffentlich bald für das singende Thal von Thronecken erwarten, welches von drei Universitäten aus leicht und schnell zu erreichen ist. Klare Spätherbst- oder Frühjahrstage mit herrschendem Südwest und niedriger Temperatur dürften den Besuchern, nach den Beobachtungen Reuleaux’, die meiste Aussicht gewähren, die Musik gegen Mittag selbst zu vernehmen, während die der Broschüre desselben beigegebene Terrainkarte als Wegweiser dienen kann.

Carus Sterne.


Etwas über die Holzschneidekunst.

Von Carl B. Lorck.
(Schluß.)
Das Clichiren und Galvanisiren. – Die nationalen Verschiedenheiten in dem Holzschnitt. – Ein Blick auf die Hochätzung und ihre Bedeutung für die Zukunft. – Holzschnitt bleibt jedoch Holzschnitt und die „Gartenlaube“ ihrer ältesten Mitarbeiterin, der „Xylographie“, treu.

Indem wir im vorhergehenden Theile unseres Artikels dem Leser die „Zurichtung“ eines Holzschnittes zu erklären versuchten, haben wir hervorgehoben, daß der Druck desselben schon durch das Unterlegen eines ganz dünnen Papierblättchens beeinflußt wird. Erwägt man dies, so leuchtet es ein, daß die geringste in dem Druckpapier selbst vorkommende Unebenheit den Abdruck eines Holzschnittes zu verderben im Stande ist. Selbst der Umstand, daß das Druckpapier bei der Fabrikation auf einem Drahtgespinnst ruht, durch welches das Wasser von der Papiermasse abläuft, wodurch diejenige Seite des Papiers, welche direct mit dem Draht in Berührung kommt, stets etwas rauher ausfällt als die andere, ist dem gleichmäßigen Drucke der Holzschnitte nachtheilig. Deshalb muß das Papier, nachdem es, um die Farbe besser aufzunehmen, angefeuchtet wurde, noch vor dem Druck satinirt, das heißt unter starker Pressung zwischen um ihre Achsen sich drehenden glatten Walzen von allen Unebenheiten und Rauhheiten befreit werden.

Trotzdem ist der Holzschnitt noch manchen Unfällen und, bei sehr großen Auflagen, auch der Abnutzung ausgesetzt. Man braucht nicht an die wirklich vorkommenden Ungeheuerlichkeiten zu denken – z. B. daß der Drucker sein Klopfholz auf der Form liegen läßt, oder daß das Mädchen, welches die Bogen auf den Cylinder auflegt, ihr Falzbein auf die Form fallen läßt, Unfälle, die nicht nur einen Holzschnitt ruiniren, sondern eine Presse sprengen können –; schon ein aus der Form sich ablösender Buchstabe, ein zerreißendes Maschinenband, das sich auf die Form legt, u. dergl. m., ja schon die wechselnde Temperatur können auf einen Holzschnitt den verderblichsten Einfluß ausüben. Man war deshalb schon lange darauf bedacht, denselben ganz zu schonen und ihn durch „Clichés“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 704. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_704.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)