Seite:Die Gartenlaube (1882) 724.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


Bummlerthums, welches allenthalben unter dem Deckmantel des „armen Reisenden“ an die Wohlthätigkeit appellirt, und vielen Ortes, z. B. in der Schweiz, Odessa, Constantinopel und Barcelona, haben die Vereine beschlossen, sich der Unterstützung solcher Individuen möglichst zu entschlagen und den Nothstand der angesessenen Deutschen in erster Reihe zu berücksichtigen.

Zu den Vereinen, die, abgesehen von der Verfolgung ihrer nächsten statutenmäßigen Zwecke, auch sonst des deutschen Vaterlandes in der Noth mit Wärme sich erinnern, gehört der von Mailand, wo die deutsche Colonie 1871 reiche Sammlungen für die Verwundeten (gegen 14,000 Franken) veranstaltete.

Wir können unseren Bericht nicht schließen, ohne außer den schon erwähnten noch einige Männer zu nennen, die sich um die Vereinsthätigkeit besonders verdient gemacht haben. Zu ihnen gehören – es soll durch diese Namen die Tüchtigkeit vieler Anderer nicht in Schatten gestellt werden – der Botschaftsprediger Fuhle in Constantinopel, Heinrich Blind in Genf und Pfarrer Greber in Kairo, welcher letztere nicht allein den dortigen Verein gegründet, sondern auch zur Erbauung eines deutschen Hospitals im vorigen Jahre durch Sammlungen ein Capital von fast 50,000 Mark aufgebracht und von der ägyptischen Regierung die unentgeltiche Hergabe eines geräumigen Bauplatzes erwirkt hat.

Mögen die deutschen Wohlthätigkeits-Gesellschaften im Auslande zur Ehre des Vaterlandes und zum Heile unserer bedrängten Landsleute in der Fremde nach wie vor kräftig blühen und wachsen, und so auch die aufopferungsvolle Mühe und Treue Derer lohnen, welche dem Ausbau und der Verwaltung dieser humanitären Vereine ihre besten Kräfte widmen!




Blätter und Blüthen.


Die letzte Bärenjagd in Deutschland. Wohl jeder Fremde, der in dem am Fuße des Wettersteins und der Zugspitze gelegenen Partenkirchen Station macht, unternimmt als ersten Ausflug den Aufstieg nach Forsthaus „Vordergraseck“.

Vor Jahren residirte dort der königliche Forstwart Kiendl, welcher volle 32 Jahre im activen Dienste dieses über 30,000 Tagwerke umfassende, zum größten Theil aus Felswildniß bestehende Jagdrevier beging und auch der erste Besteiger der seither für unersteiglich gehaltenen Dreithorspitz (vergl. unseren Artikel „Auf dem höchsten Gipfel des deutschen Reiches“ in Nr. 40) gewesen.

Ihm verdankt die Naturwissenschaft manch interessantes Fundstück, da er bei seinen vielen Besteigungen der Zugspitze stets eifrigster Botaniker war, und entnehme ich auch seinem Tagebuche nachfolgende Schilderung der denkwürdigen Pürsch auf den letzten Bären, welcher in Deutschland im wilden Zustande gejagt wurde.

„Am 28. August 1864 meldete Morgens vier Uhr ein Bauer von Vordergraseck: all sein Vieh sei heute Nacht in voller Flucht von der Alm nach Hause gerannt, und ein Kalb sei am Nacken arg zerbissen und zerkratzt gewesen. Ein erster Pürschgang ließ uns zwar die Spuren des Bären finden, mußte jedoch wegen Mangels an Schützen erfolglos bleiben. Nachdem eine weitere Kuh und ein Kalb zerrissen aufgefunden, gelang es endlich mir sowie dem Forstgehülfen Kopp, jetzt Oberförster in Mittenwald, und den Gehülfen Dillis und Richtstein dem Bären beizukommen.

Von der Brünsthütte im Thaleggerwald gingen wir der Stelle zu, wo ich vorher des Bären Spur gefunden. Auf einmal bemerkte ich, daß mein Hund zurückgeblieben, was er sonst niemals gethan. Ich sah, wie er eine Anhöhe hinauf windete. Wir gingen ihm nach und fanden ein vom Bären zerrissenes Stück Vieh, von dem bereeits ein Theil gefressen worden war. Die Gedärme hingen an den Aesten der Tannen; mir scheint, der Bär hat sich gefreut über sein Jagdglück und seinen guten Fraß. Wir beschlossen nun an dieser Stelle anzusitzen, in der Meinung, der Bär werde noch einmal seinen Hunger stillen wollen. Es war Abends fünf Uhr, als wir alle angesessen waren, die Einen vorwärts, die Anderen rückwärts sehend. Mich traf der vorletzte Posten rückwärts.

Wir mochten ungefähr eine halbe Stunde gesessen sein, als ich hinter einem Gebüsch auf sechszig Schritte den Bären sah, wie er vorsichtig zu der Stelle äugte, wo das Stück Vieh lag. Ich machte mich schußfertig. Während dieser Zeit hatte mein Nachbar Dillis bemerkt, daß ich in Feuerbereitschaft war; anfangs glaubend, ich mache Spaß, erblickte er, sich umsehend, auch den Bären. Dieser that noch einen Schritt vorwärts, sodaß ich eben nur den Kopf sehen konnte, wie er mich scharf mit seinen schwarzen Lichtern anschaute. Ich dachte mir: der Kerl brennt durch; ich schieß’ ihn auf den Kopf. – Gedacht – gethan! O weh! es hat versagt. Der Bär schlug um. Mein Nachbar Dillis wird auch schußfertig, schießt im Umschlagen und schießt ihn an. – Dem Schweiße nach war er waidwund geschossen, und da es bereits Nacht wurde, beschlossen wir, ihn anderen Tages weiter zu verfolgen. Einige zwanzig Schützen, nahmen wir am anderen Morgen die Fährte wieder auf und verfolgten eine starke Schweißspur bis zum Bette des felsigen Ferchenbachs; hier hörte alle Spur auf: er mußte im Bachbett aufwärts gewandert sein in’s Geschröff. Acht Tage lang suchten wir vergebens; der Bär muß in einer der zahlreichen Höhlen des Wettersteins verendet sein; man hat hier nie, ebenso wenig im benachbarten Tirol, wieder etwas vom Bären gehört. Dies meine Erinnerung."
Partenkirchen. Michael Sachs. 



Volksausgabe von Kant’s Schrift „Zum ewigen Frieden“. Vor einiger Zeit (vergl. Nr. 26) erschien in der „Gartenlaube“ ein Artikel über die mehrfach von bedeutenden Geistern ausgesprochene Idee eines für die gesammte menschliche Gesellschaft aufzurichtenden ewigen Friedens. Jener Artikel hat sicherlich zahlreiche Leser zum Nachdenken über den Gedanken eines solchen Friedensideals angespornt, und so möchte denn auch Mancher sich versucht gefühlt haben, Kant’s in jenem Aufsatze wiederholt angeführte Schrift über diese Frage aufzuschlagen, um aus dem Munde des Weisen vom Pregel jenen großen Plan gleichsam mit besonderer Feierlichkeit und Eindringlichkeit zu vernehmen.

Viele aber, welche diesem Impulse folgten, werden voraussichtlich Kant’s Schrift mit Enttäuschung aus der Hand gelegt haben. „Zopf!“ dürfte kurz und vielsagend ihr Urtheil gelautet haben. Und doch würden sie hiermit Kant Unrecht thun. Aber freilich, der bezopfte, altväterisch steife und förmliche Alte will auf seine Weise genommen sein; wir bedürfen Jemandes, der uns mit all seinen kleinen Gewohnheiten bekannt macht, der uns bei ihm einführt.

Das Amt, Kant’s Schrift: „Zum ewigen Frieden“ dem Geschlechte von heute wieder zugänglich und schmackhaft zu machen, hat ein tüchtiger Dolmetscher des großen Philosophen auf sich genommen und in trefflicher Weise verwaltet, Dr. Karl Kehrbach in seiner in der bekannten Reclam’schen Universalbibliothek erschienenen Ausgabe dieser Schrift (Preis 20 Pfennig). Kehrbach ist keiner von jenen mit Recht so berüchtigten Erklärern, die über dem Studium vergangener Zeiten ihre eigene, der Gegenwart angehörige Menschenseele verloren haben. Er hat es vielmehr verstanden, sich in den Geist Kant’s und seiner Zeit zu versenken, ohne darüber die Bedürfnisse und die Empfindungen der Gegenwart zu vergessen. So ist er in vorzüglicher Weise befähigt, den Vermittler zwischen diesen beiden äußerlich so verschiedenen, innerlich aber einander durchaus verwandten Geschichtsperioden zu bilden. Eine mit der ganzen knappen Eleganz modernen Stils geschriebene Vorrede unterrichtet den Leser nicht nur von allen für das Verständniß von Kant’s Schrift wichtigen Umständen der damaligen Zeitgeschichte; sie wirft auch scharfe Streiflichter auf die gegenwärtige Weltlage und die in breiten Schichten des Publicums oder bei den Lenkern der Volksgeschicke über Krieg und Frieden beliebten Ansichten.

Wer unter Kehrbach’s Führung auf’s Neue Kant’s Friedensschrift zur Hand nimmt, dürfte sehr bald erkennen, daß auch in Formen, die der Gegenwart ungewohnt sind, ein gedanklicher Kern zu leben vermag, der noch heute volle Existenzberechtigung hat, er dürfte mit Erstaunen und Freude entdecken, daß dieser Kern für die Gegenwart bereits Blüthen und Früchte getrieben hat, welche der Königsberger Weise voraussah, aber so bald noch nicht erwartet haben mochte, Blüthen und Früchte, die uns eine immer reichlichere Ernte versprechen, in je mehr Geistern und Herzen täglich jenem Gedanken neue Pflanzstätten bereitet werden.


Friedrich Hüttner todt! Soeben erhalten wir die schmerzliche Nachricht, daß Friedrich Hüttner, einer der ältesten Mitarbeiter und treuesten Freunde unseres Blattes, in der Nacht vom 15. auf 16. October von einem schweren Leiden durch den Tod erlöst wurde. Geboren am 9. October 1824 zu Plauen im Vogtlande, widmete er sich frühzeitig dem journalistischen Berufe, sich allzeit unbeirrt zu liberalen Principien bekennend. An den unvergeßlichen Begründer der „Gartenlaube“ knüpfte ihn außer der Mitarbeiterschaft an unserem Blatte noch ein anderes Band. Friedrich Hüttner redigirte vom Februar 1863 bis zum August 1864 den im E. Keil’schen Verlage erscheinenden „Dorfbarbier“, bekanntlich ein damals vielgelesenes illustrirtes Volksblatt, welches sich die Aufgabe stellte, in ernster und humoristischer Weise für die Verbreitung freisinniger Anschauung zu wirken. Seit dem Jahre 1868 war Hüttner verantwortlicher Hauptredacteur des „Leipziger Tageblattes“, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode seltene Pflichttreue und anerkennenswerthes Geschick bekundete. Im Herzen der Leipziger Bevölkerung wird sein Andenken noch lange bewahrt bleiben.


Kleiner Briefkasten.

Rittergutsbesitzer von F. in der Rheinprovinz. Sie suchen für Ihre Nichte ein gutes Institut, in welchem dieselbe sich nach ihrer Schulzeit weiter ausbilden könne? Wir freuen uns, Ihnen ein solches, welches in der Nähe Ihres Wohnsitzes gelegen ist, mit voller Ueberzeugung empfehlen zu können – das Victoria-Lyceum in Köln. Dasselbe, unter dem Protectorate der deutschen Kronprinzessin stehend, ist eine Lehr- und Erziehungsanstalt, mit welcher zugleich ein Pensionat für eine kleine Anzahl junger Damen aus den höheren Ständen verbunden ist. Der Unterricht setzt da ein, wo die höhere Schule ihre Aufgabe vollendet hat. Es werden den allgemeinen Lehrgegenständen noch Kunstgeschichte, italienische Sprache, Zeichnen und Malen, Musik, weibliche Kunstarbeiten und, auf besonderen Wunsch, auch die classischen Sprachen hinzugefügt. In ausgezeichneter Weise wird auch durch gesunde, reichliche Kost, durch Spaziergänge und Turnen, durch Tanzen, Reiten, Schwimmen, Schlittschuhlaufen das körperliche Befinden der Pensionärinnen gepflegt und gefördert, wie denn auch die Lage des Instituts, seine Räumlichkeiten und Einrichtungen in jeder Hinsicht vorzüglich sind. Tüchtige Lehrkräfte wirken an der Anstalt, vor Allem aber verdient die feingebildete Vorsteherin des Victoria-Lyceums, Frau Prof. Lina Schneider, in jeder Weise das Vertrauen, das ihr von allen Seiten entgegengebracht wird. Wenden Sie sich also vertrauensvoll an die vorgenannte Dame! Adresse: Jahnstraße 19 in Köln am Rhein.



Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 724. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_724.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2023)