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verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Blätter und Blüthen.

Der älteste Soldat der deutschen Armee in Frankreich 1870 und 1871 scheint sich auf Grund unserer Nachforschungen endlich gefunden zu haben. Aber nicht der früher von uns erwähnte Herr Borghard ist es, und auch nicht der alte Camerad Dürr in Ludwigsburg, der zwar fünf Tage später geboren als Borghard (am 11. April 1821), aber vier Wochen früher in Dienst getreten und noch heute als Wachtmeister seiner württembergischen Traincompagnie activ ist. Diese beiden überflügelt Ferdinand Roggisz, welcher am 15. Januar 1814 in Rudersdorf bei Berlin geboren wurde und im Herbst 1836 bei der vierten Schwadron des dritten Ulanenregiments in Fürstenwalde eintrat. Im Jahre 1839 als Unterofficier zur Reserve entlassen, trat er bei der Mobilmachung 1859 freiwillig wieder in den Dienst, und zwar wurde er Sergeant bei dem sechsten Ulanen-Landwehr-Regiment in Langensalza. Sein Wunsch, gegen die Franzosen zu fechten, ging damals nicht in Erfüllung. Um so freudiger folgte er 1870, im siebenundfünfzigsten Jahre stehend, dem Rufe des Königs und trat, freiwillig und wieder als Sergeant, bei der vierten Schwadron des zweiten Reserve-Husaren-Regiments ein, das damals in Merseburg gebildet wurde. Mit demselben wohnte er der Belagerung von Straßburg und dann, beim Werder’schen Armeecorps, Division Schmeling, sämmtlichen Gefechten desselben und namentlich der dreitägigen Schlacht vor Belfort von Anfang bis zum Ende bei, alle Strapazen dieser schweren Tage stramm ertragend, und verfolgte die Franzosen Bourbaki’s bis an die Schweizergrenze. Im November 1870 wurde ihm sein erster Enkel geboren. Die Feldpostkarte, welche ihm dieses frohe Ereigniß verkündete, war lange umhergeirrt und in vielen Händen gewesen, ehe sie ihn traf; dadurch war diese Kunde weit im Heere herumgekommen, und darum erlebte der alte Held die Freude, daß er beim Vorbeimarsch von den Soldaten der verschiedensten badischen, ostpreußischen, posenschen und anderer Regimenter mit dem Zuruf: „Hurrah Großvater!“ begrüßt wurde. Er war eine Ehrengestalt für alle Soldaten, und selbst die Feinde achteten den tapferen und biederen alten Mann. Uebrigens standen mit ihm zugleich zwei Söhne im Felde, der ältere als Zahlmeister bei einem westfälischen Landwehrbataillon, der andere als Feuerwerksmaat bei der Marine. Nach der Rückkehr und Auflösung des Regiments schnallte auch Großvater Roggisz den Säbel ab und griff wieder, als Land-Feuersocietäts-Beamter, zur Feder, bis man ihm 1880 den wohlverdienten Ruhestand gönnte, den er zu Burg bei Magdeburg genießt.


Hunde als Nahrungsmittel der Menschen. Wo auch immer Menschen weilen, überall ist der Hund ihr treuer Begleiter, ihre wirksamste Stütze und Hülfe. Heißt es doch schon im Vendidad, dem ältesten und echtesten Theil des Zend-Avesta: „durch den Verstand des Hundes besteht die Welt.“ Für die erste Bildungsstufe des Menschengeschlechts waren und sind noch heute diese freilich einigermaßen mystischen Worte eine goldene Wahrheit. Die Rinder und Schafe der Arier werden bewacht vom Hunde, dessen Bellen einer feinen Bemerkung Lazarus Geiger’s zufolge der erste Sprachversuch eines Thieres ist, von diesem allerältesten Hausthiere, das auch nebst Knecht und Wittwe dem Häuptlinge in’s Grab nachfolgte. Professor Schaafhausen, der scharfsinnige Durchforscher so mancher prähistorischen Fundstätten Europas, entnahm aus der Art der gewaltsamen Zertrümmerung der Hundeknochen westfälischer Höhlen, daß der Hund dem Menschen einst zur Nahrung gedient hätte. Sogar jene kleine Rasse, die Vorfahren des sogenannten Torfhundes, deren Reste in den mährischen Höhlen Schipka und Certovadira Professor Woldrich so erfolgreich untersuchte, wurde verzehrt. Und doch besteht ein gewaltiger Unterschied in dieser Beziehung zwischen den hundeessenden Höhlenbewohnern Europas und den heute Hunde züchtenden und essenden polynesischen oder afrikanischen Rassen.

„Wo der Hund als Nahrungsmittel geschätzt wird, bleibt er stupid,“ ist ein treffender Ausspruch Darwin’s. Träge und dumm sind jene Hunde auf den Marquesas, Hawaii und Tahiti, die nicht bellen, nur heulen, die man ausschließlich mit Früchten ernährt und mästet, durch Ersticken tödtet und durch heiße Steine in Gruben zum leckeren Mahle zubereitet. Die auf den Antillen lange vor Oviedo gezüchteten stummen Hündchen galten als große Leckerbissen, und von Mexico bis Peru und auf den weiten Grasflächen bis Guyana finden wir den gleichen Gebrauch des Hunde-Essens, wie in Asien bei den Bewohnern von Nedschd, bei den Nagas in Bengalen, den Dayaks auf Borneo, den Battas auf Sumatra etc. In den verschiedensten Gegenden des „Schwarzen Erdtheils“ trafen Reisende solche Hunde-Esser, z. B. die Chevas und Tumbucas, die Ovambos und die Cameruns.

Nach den Berichten der englischen Expedition unter Burton und Speke stehen die krüppelhaften Pariahhunde bei den Maurwis in großer Gunst; sie halten ein Dämpffleisch von jungen Hunden der Tafel eines Monarchen würdig, ganz wie die Engländer in den Tagen Karl’s des Zweiten. Wenn Bongo und Dinka es unbegreiflich finden, daß die Mittus so gern und leidenschaftlich Hunde verzehren, so hat das nach Schweinfurth darin seinen triftigen Grund, weil bei diesen die wilde Katze eine große Delicatesse bildet. Zwischen Fondj und Rohl fand derselbe Reisende eine großartige Hundezucht etablirt; überall wimmelte es von jungen Welpen, welche an die Madis um Sclavinnen verhandelt werden. Bei den Modes und Brôtos kostet eine Frau nur zwei bis drei fette Hunde.

Und gäbe ich noch seitenlange Berichte von Andern, sie würden nur den bekann[t]en Ausspruch Bernardin de St. Pierre’s in seinen „Etudes de la nature“ illustriren: Hunde verzehren ist der erste Schritt zum Cannibalismus. Das Züchten derselben zu Mastvieh macht zugleich den Geist dieser Thiere stumpfsinnig. Derartig waren die Hunderassen der prähistorischen Menschen nicht. Die Thiere dienten ihnen zur Jagd, zur Bewachung der Heerden, zum Schutz des Eigenthums und der Familie. Höchstens erlaubte man sich Eines:

War nämlich durch Verletzung oder Krankheit der kluge, geistig so hoch über den anderen Hausthieren stehende Hund unbrauchbar geworden, so verzehrte man ihn vielleicht mit ähnlichen Hintergedanken, wie z. B. die Karagassen durch Verzehren des Zobels oder Fuchses ihr Jagdglück zu stärken wähnen, wie die Indianer durch den Genuß des Wolfsfleisches auch die Kraft jenes Thieres, durch Ausschlürfen des Gehirnes auch dessen Scharfsinn sich anzueignen meinen.


Polnische Israeliten in der Synagoge. (Mit Abbildung S. 729.) Wir führen heute unseren Lesern die Holzschnittreproduction eines trefflichen Gemäldes vor, welches auf der diesjährigen internationalen Kunstausstellung in Wien allgemeine Anerkennung fand. Dasselbe stellt einige vorzüglich gelungene Charakterköpfe betender polnischer Israeliten aus der Umgegend von Krakau dar. Eine Charakterstudie spricht für sich selbst, und so genügen wohl wenige Worte zur Erklärung unseres heutigen Bildes. Im Vordergrunde desselben erblicken wir das scharfgeschnittene Gesicht eines der Betenden mit der eigenartigen galizischen Kopfbedeckung. Derselbe ist, wie sein Nachbar zur Rechten, mit dem Bettuch oder Betmantel, dem „Talles“, welchen der israelitische Knabe bei seiner Confirmation erhält, umhüllt. – Der Maler des sehr gelungenen Bildes, Anton Kozakiewicz, ist selbst ein Krakauer Kind; er besuchte zunächst die Kunstschule seiner Vaterstadt, ging dann nach Wien, wo er den Unterricht Engerth’s genoß, und nahm 1871 seinen Wohnsitz in München. Seine Bilder, deren Stoffe meistens dem Volksleben seiner Heimath entlehnt sind, zeichnen sich durch künstlerische Composition und ein lebhaftes Colorit aus.


Zur Gründung eines „Verbandes deutscher Touristenvereine“. In der Entwickelung des deutschen Touristenwesens, dessen Verdienste um die Erforschung und endgültige Erschließung der heimischen Gebirgswelt wir schon mehrfach an dieser Stelle hervorgehoben, ist in jüngster Zeit ein bedeutsamer Wendepunkt eingetreten. In Nr. 29 dieses Jahrganges haben wir die Gründung eines Verbandes, der etwa dreißig deutsche Touristenvereine mit ungefähr 40,000 Mitgliedern umfassen sollte, in Aussicht gestellt. Zum Zwecke dieser Gründung traten nun die Delegirten von elf Vereinen am 14. bis 16. October in Frankfurt am Main zu einer Berathung zusammen und beschlossen, bis zum Mai nächsten Jahres eine constituirende Versammlung zu berufen. Da auch von vielen anderen Vereinen, die durch Delegirte nicht vertreten waren, inzwischen zustimmende Adressen eingegangen sind, so darf das Gelingen des Werkes als vollständig gesichert betrachtet werden. Die Ziele, welche der Verband sich vorgesteckt hat, lassen sich kurz in Folgendem zusammenfassen: er will unter Wahrung der Selbstständigkeit der einzelnen Vereine das Touristenwesen in Deutschland fördern und namentlich in noch nicht erschlossenen Gegenden auf Erforschung der deutschen Berge anregend wirken. Ferner gedenkt er, ein engeres Zusammenwirken der einzelnen Vereine zu vermitteln, auf Verkehrserleichterungen und Preisermäßigungen im Eisenbahn- und Dampfschiffswesen hinzuarbeiten und die Empfehlung guter Gasthöfe zu übernehmen. Als Mittel hierzu wird ein Vereinsorgan erscheinen, welches außer Vereinsmittheilungen gediegene Aufsätze und interessante Nachrichten touristischen Inhaltes veröffentlichen wird. Zum einstweiligen[WS 1] Vorort des Verbandes wurde schließlich Frankfurt am Main gewählt, wo auch der provisorische Centralausschuß gegenwärtig seinen Sitz hat.


Kleiner Briefkasten.

Abonnent in Darmstadt. Uns ist nicht bekannt, daß man Cigarrenabschnitte anders als zum Rauchen aus der Pfeife verwenden könne. Sie wollen sich eine Absatzquelle in Kreisen suchen, die nicht in der Lage oder nicht geneigt sind, an ihr Rauchmaterial einen hohen Preis zu wenden.

E. Crèvecoeur. Ungeeignet! Verfügen Sie über das Manuscript!

P. v. H. in M. Wenden Sie sich an ein Regimentsbureau! Ein besonderes Buch wird über den Gegenstand wohl kaum existiren. Die betreffenden Verordnungen darüber sind übrigens im „Armeeverordnungsblatt“ (Berlin, Mittler u. Sohn) zu finden.

N. W. in P. Im Verlage von Friedr. Geißler in Leipzig erschienen und noch zu haben.

C. L. Mlr. Vergleichen Sie gefälligst unsern Artikel: „W. Hoffmann’s Nähstuhl“ in Nr. 17 des Jahrgangs 1881.

Frieda und Marie in Paris. Wirklicher Name, kein Pseudonym!


Im Verlage von Ernst Keil in Leipzig ist soeben erschienen:

„Neue Gedichte“ von Ernst Scherenberg. Eleg. geb. mit Goldschnitt. Preis 2 Mark 60 Pfennig.

Diese „Neuen Gedichte“, welche sich schon durch den Namen ihres Autors einführen und in feiner solider Ausstattung sich als ebenso elegantes wie billiges Geschenkswerk präsentiren, bedürfen so wenig einer besonderen Empfehlung, wie die bereits in zweiter Auflage in demselben Verlage erschienenen „Gedichte“ Scherenberg’s.


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: einstweiilgen
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1882, Seite 740. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_740.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2023)