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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

freilich nur Quellen zweiten Ranges, die Bearbeitungen und Compilationen von Zeitgenossen zu Gebote standen, meint noch, daß das Dunkel von Gustav Adolf’s Tod niemals werde gelichtet werden.

Die neuere Forschung aber, die in den nunmehr geöffneten Archiven Schätze aufgefunden hat, wie sie Schiller nicht kannte, hat diese Aufklärung erbringen können: es steht uns jetzt von Augenzeugen eine reiche Anzahl handschriftlicher Berichte zur Verfügung – von höheren Befehlshabern und Leuten, welche die Sache genau kannten, und es ist interessant, zu beobachten, wie die unmittelbar nach dem verhängnißvollen Ereigniß geschriebenen Berichte ganz knapp und sachlich den Soldatentod des Königs melden, wie sich dagegen erst die späteren Mittheilungen in anekdotenhafter Weise auf Einzelheiten ausdehnen; es geht aus ihnen klar hervor, daß sich, wie es ganz natürlich ist, allmählich Lagerlegenden ausbildeten, die mit des Königs Fallen immer mehr phantastisches Detail, Vorzeichen etc. verbanden.

Noch vom Tage der Schlacht selbst, dem 6. November a. St., sind zwei außerordentlich wichtige Berichte datirt. Der eine ist von Joachim Camerarius sofort nach Beendigung der Schlacht, der er „den ganzen Tag beigewohnt“, abgefaßt und an seinen Vater, den berühmten schwedischen Gesandten Camerarius, gerichtet worden; er enthält über den schwedischen Verlust nur die lakonischen Worte: „Auf unserer Seite ist Rex geblieben und zweimal geschossen worden.“

In dem anderen Berichte, einem kursächsischen, den der Graf Brandenstein an den Kurfürsten Johann Georg aus Naumburg schrieb, wird „aus höchst betrübtem Gemüthe berichtet, wie die Königl. Maj. zu Schweden höchstseliger Gedächtniß … in Arm und Kopf und durch den Leib geschossen worden, daß Sie alsbald darüber geblieben und dero Leben geendet.“

Etwas lebhafter ist schon eine Relation vom folgenden Tage, die der schwedische Secretär Schwallenborg an den Feldmarschall Horn, der am Rhein stand, sandte, worin er schrieb:

„Die victoria ist cruenta (blutig) und gar luctuosa (mit Trauer verbunden) gewesen, in dem Ihr. Kön. Maj. bald zu anfangs der bataglie, als Sie die Avantgarde geführt, von einer Musqueten und Pistolen todtlich verwundet worden, auch alsbald darauf Todes verblichen; und hat also dieser incomparabilis Heros (unvergleichliche Held), für dessen langes Leben so viel tausend Seelen ohnzweifelich geseufzet, und dessen Tod von männiglich beseufzet und betrauert wird, Germaniae libertatem et Religionem (Deutschlands Freiheit und Religion) endlich mit seinem Blut bezahlen müssen.“

Von höchstem Werthe sind die in Weißenfels am 8. November geschriebenen Berichte des Generalmajors Kniphausen und des Herzogs Bernhard von Weimar, die zusammen nach Gustav Adolf’s Tode das Obercommando der Armee führten. Beide Gewährsmänner, denen die einzig-besten Informationen zu Gebote standen, sprechen von dem Tode des Königs als von dem einfachen Fallen im Gewühle der Schlacht.

„Es hat aber Ihre Majestät das Unglück auch mit getroffen,“ heißt es in Kniphausen’s Briefe, „indem dieser tapfere Held diesmals mit zwei Schüssen gefährlich verletzt worden und also in der That erwiesen, daß Sie Ihr königliches Blut bei Gottes heiligem Evangelio aufzusetzen gewillet.“

Bernhard theilte diese Nachricht seinem Bruder in folgenden kurzen Worten mit:

„Daß Gott der Allmächtige in vorgestriger, bei Lützen gehaltener Schlacht Ihre königliche Majestät zu Schweden durch den zeitlichen Tod von dieser Welt abgefordert.“ Aus diesen und noch einigen andern Berichten schwedischer Officiere kann man mit Sicherheit constatiren, was der wahre Kern, was spätere Erfindung ist.

Des Königs Tod wurde selbst in der Armee erst an den Tagen nach der Schlacht allgemein bekannt, und nun bemächtigte sich die Phantasie der Katastrophe, um sie mit allem Möglichen auszuschmücken, und gläubigen Ohres nahm Jeder für wahr auf, was der oder jener wissen wollte, und erzählte als Gewißheit weiter, was er als Vermuthung gehört. Einige Berichte, nur wenige Tage später verfaßt, lassen den Gang dieser Mythenbildung deutlich erkennen. In einem Schreiben des schwedischen Secretärs Grubbe vom 13. November aus Grimma, wohin das schwedische Heer zur Vereinigung mit den Sachsen gezogen war, heißt es:

„Um 1 Uhr ist anfangs Ihr. Mj. in dem dicken Nebel, so unvermuthlich eingefallen, das linke Armrohr rein abgeschossen, also daß man das rohr aus den Kleidern hangende sehen können. Darauf hat einer I. Mj. die Pistohl vf den Rücken, und Sie durchschossen. Und ob zwar dazumahl I. Mj. sich noch salviren wollen, hat gleichwohl der feind allzuhart angedrungen, und I. Mj. des Pferdes galouppe nicht ausstehen konnen, sondern aus Ohnmacht vom Pferde gefallen, Vnd nachdem I. Mj. noch etwas vom Pferde geschleift worden, sein Sie unterm feind beliegen blieben. I. Mj. haben dennoch etwas gelebt, Aber endlich ist einer darzu kommen vnd gefragt, wer I. Mj. wehre? Soll I. Mj. geantwortet haben, Sie wehren der König von Schweden. Darauf I. Mj. dieser wegkschleppen wollen, Aber weil vnsere Reuter ankommen, hat Er I. Mj. mit einer Pistolkugel durch den Kopf geschossen. Nach diesem ist I. Mj. bis aufs Hemd ausgezogen und spolijrt worden, Und vber das haben I. Kon. Mj. noch einen thödlichen stich empfangen in den Leib von pedarden, haben auch einen stich in das Haupt bekommen. Vber eine halbe Stunde oder mehr haben die Vnsrigen den Corpus salviret.“

Der Auszug eines Schreibens aus Berlin vom 14. November an den Vertreter des Kurfürsten Georg Wilhelm stützt sich schon deutlich auf circulirende Gerüchte wie folgt:

„Ihre Majestät haben bald zu Anfang einen Schuß bekommen in den linken Arm, darauf Sie zum Herzog Franz Albrecht, Herzog zu Sachsen, der um ihn gewesen, gesagt haben: ‚Vetter, bringet mich bei Seite!‘ – Ihre Majestät wären aber in der Eil engagiret worden, daß die anderen Sie hätten müssen verlassen, nach solchem Schuß wäre ein Reuter kommen, der Ihre Majestät gekannt und gesagt hätte: ‚Das ist der rechte Vogel, den wir meinen‘ – und darauf Sie mit einer Pistole durchgeschossen; ein anderer hätte Ihr einen Stoß mit einem Degen gegeben; Ihre Majestät wäre unter den Todten liegen geblieben und ausgezogen worden, den Daumring soll einer genommen und dem Wallenstein gebracht haben.“

Den weiteren Fortgang der Legendenentstehung zeigt ein ferneres Schreiben aus Grimma vom 18. November, von demselben Verfasser, worin eine Menge mittlerweile neu entstandener romantischer Einzelnheiten enthalten ist. Unter Anderem finden wir hier die bekannte Geschichte, daß der König unter der Motivirung, daß er seinen Schutz auf Gott gestellt, keinen Harnisch habe anziehen wollen, daß seine Pferde aus Trauer sich freiwillig zu Tode gehungert etc. Es ließen sich noch viele interessante Stellen anführen, welche diese Geschichten variiren und ausdehnen, auf denen die noch heute oft wiederholten Erzählungen beruhen. Wir erinnern nur an die Erzählung von Gustav Adolf’s sittlicher Entrüstung über die ihm dargebrachte, gleichsam göttliche Verehrung, an seine Ansprache an die Deutschen und Schweden seiner Armee vor Beginn der Schlacht (aus „Jons Manson’s Memoiren“) und an manches Rührende aus dem Berichte Leubelfing’s, des Vaters des mehrfach erwähnten jungen Pagen, der als letzter bei dem Könige aushielt und bei ihm die Todesstunde empfing. In allen diesen handschriftlichen Aufzeichnungen ist keine leise Spur davon zu finden, daß man an Verrath oder Mord dachte. Dieses Gerücht entstand erst viel später. Nur ein einziger handschriftlicher Bericht existirt mit der unverblümten Anklage des Verraths gegen den lauenburger Herzog, ein Bericht, dem jedoch die Lügenhaftigkeit und Renommisterei so klar auf die Stirn geschrieben stehen, daß es zu verwundern ist, wie er zahlreichen historischen Darstellern als Quelle dienen konnte. Verfaßt ist er von einem Hans von Hastendorf am 16. Juni 1633 in Lützen, also erst beinahe dreiviertel Jahre nachher, in Knittelversen, die spaßhaft wären, wenn sie nicht ein so tragisches Ereigniß behandelten und wenn man nicht das Unheil bedauern müßte, welches sie bei der Kritiklosigkeit der späteren historischen Auffassung anrichteten.

Die markantesten Stellen in demselben lauten:

„Wir waren fünf, die mit dem König aus dem Lager ritten,
Zu eilen dem Feind nach und sehen, wie sie stritten.
Zwey schickt der König weg, mit Ordre zu den Finnen,
Sie sollten nicht so hart auf die Feinde dringen.
Der Dritte war König Gustavus, den wir den Großen nennen,
Das verdroß den Kayser, doch must er ihn davor erkennen.
Der vierte war ein großer Herr, des Nahm ich nicht will nennen,[1]
Er ist in Deutschland wohl bekannt, und alle thun ihn kennen.
Der fünfte war ich selbst, Hans von Hastendorff also genandt.
Ich war mit dem König allezeit; denn ich war hie allweg bekandt.

  1. Franz Albert von Lauenburg.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_751.jpg&oldid=- (Version vom 9.8.2023)