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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

auf jäh in’s Hinterrainthal abfallender Klippe errichteten Belvedere zuzubringen. Links vom wildzerklüfteten Oberrainthal und dem Hundstall, rechts vom Jochblassen, der Alpspitz, Bernarden und den schönen Gängen eingerahmt, zieht sich in fast gerader Richtung der Lauf der Partnach zum Schneeferner, dessen Abfluß sie ist, erst den Partnachwasserfall, dann die blauen Gumpen bildend, zwei durch einen Bergsturz entstandene tiefblaue kleine Seen. Von dieser Höhe bietet sich dem Auge ein Gebirgsbild, so wildromantisch und großartig, wie es wohl selten in den Alpen gefunden werden mag.

Es war ein herrlicher Abend am letzten 25. August. Schon deckte Dämmerung das Thal; hoch oben verglühte der letzte Abendsonnenstrahl am Platt, um nach seinem Verlöschen die wilden Schroffen mit gespensterhaftem Platinagrau zu färben; dies verwandelte sich noch einmal in ein schwaches gelbröthliches Nachglühen, um sodann die Nacht in ihre Rechte treten zu lassen, eine Nacht, so weihevoll ruhig, so hochpoetisch schön, daß das Menschenherz sich zum Frieden gestimmt fühlt. Da plötzlich leuchtet es wie wilde Lohe über die Fläche des Schneeferner, wirft farbige Lichter auf die nackten Schroffen, und läßt dieselben bald roth, bald grün und zuletzt blauweiß, also in Baierns Landesfarben, erstrahlen. Es ist dies ein Gruß der auf der Knorrhütte zum Nachtlager eingetroffenen Zugspitzbesteiger, welche, nachdem sie das Kreuz auf der höchsten Grenzwarte Deutschlands aufgerichtet, daselbst das Namens- und Geburtsfest des Königs feiern.

Erloschen sind die Flammen, längst verstummt Volksjubel und Böllersalven; stille heilige Nacht deckt Berg und Thal. Auf dem dunklen Spiegel des unergründlich tiefen Schachensees lauscht König Ludwig in leise dahin gleitender Gondel dem Flüstern der Tannenwipfel, dem Rauschen des Bergwindes über dem Grate des Wettersteins und dem hier und da melancholisch den nahenden Morgen verkündenden Rufe der Bergdrossel.

Michael Sachs.




Völker ohne Brod. Unter diesem Titel verstehen wir nicht etwa hungernde Völker, sondern solche, die sich ganz wohl satt essen, aber ohne – Brod. Das mag vielleicht bei uns und in den übrigen Civilisationsmittelpunkten wunderlich erscheinen und unsere Leser auf die Vermuthung führen, daß wir ihnen etwas von der Lebensweise und den Nahrungsmitteln eines hinterasiatischen Volksstammes erzählen wollen – fehlgeschossen! Jene Völker ohne Brod sind unsere nächsten Nachbarn: die Südösterreicher, Italiener und Rumänen. Selbstverständlich gilt dieses „ohne Brod“ nur von den großen Volkskreisen jener Länder, nicht von der dortigen besser situirten Gesellschaft, wie auch nicht von den großen Städten.

Schon wenige Meilen von Wien, in den Bergen der Obersteiermark, wird in den Dörfern nur wenig Brod, ja in manchen ländlichen Haushaltungen gar keines gegessen. Das tägliche Hauptgericht der Leute, das übrigens gleichzeitig ganz gut das Brod ersetzt, ist nämlich der sogenannte Sterz, der aus Buchweizenmehl bereitet wird. Der Buchweizen, in Oesterreich „Heiden“ genannt, gedeiht in den Alpenthälern der Steiermark, Krains, Kärnthens, sowie in einem Theile Tirols in ganz vorzüglicher Weise.

Die Bereitung des Sterzes geschieht, indem man in eine tiefe Casserole Buchweizenmehl thut und dieses auf dem Feuer unter fortwährendem Rühren mit einem hölzernen Löffel warm werden läßt. Alsdann gießt man etwas kochendes, gesalzenes Wasser zu, was, während man zu rühren fortfährt, so lange wiederholt wird, bis das Buchweizenmehl in Verbindung mit dem Wasser eine Menge bröckeliger Theilchen bildet. Wenn die ganze Masse in der Casserole stark dampft, ist dies ein Zeichen, daß jene gar gekocht ist. In den Haushaltungen der Landbevölkerung der Steiermart, Krains und Kärnthens wird der Sterz zum Frühstück mit süßer, oder im Sommer mit sauerer Milch vermischt, zu Mittag mit Fleischbrühe oder geröstetem Specke und Abends wieder mit Milch genossen. Bei dieser kräftigen Nahrungsweise verlangt der Bewohner jener Alpenländer nur selten oder gar nicht nach Brod. Selbst in den feineren Städtehaushaltungen ist der Sterz ein gern gesehenes Gericht und somit die Nationalspeise eines großen Theiles von Südösterreich.

In dem jenen Ländern benachbarten Italien wird im Volke bekanntlich auch wenig Brod, desto mehr aber Polenta gegessen. Die Bereitung derselben ist der des Sterzes ganz ähnlich; nur wird zur Herstellung der Polenta Maismehl genommen, von dem zumal das lombardische als vorzüglich geschätzt wird. Auch wird die Polenta nicht, wie der Sterz, zu bröckeligen Theilchen gerührt, sondern man formt aus der ganzen Masse einen großen Kuchen, der mit einem Draht oder Bindfaden in kleine Portionen geschnitten wird. Der gewöhnliche Italiener genießt die Polenta auch kalt statt des Brodes, während sie auf dem Tisch der wohlhabenden Classe etwas verfeinerter erscheint.

Die Rumänen endlich, welche entweder der Rest einer großen römischen Colonie oder romanisirte Slaven sind, haben, was culturhistorisch jedenfalls sehr bemerkenswerth, eine der italienischen Polenta ganz ähnliche Nationalspeise, die gleichfalls aus Maismehl bereitet und Mamaliga genannt wird. Nur genießt man diese nicht, wie die Polenta, in festem, sondern in mehr breiartigem Zustande.

Jedes dieser drei hier genannten Nahrungsmittel läßt das Brod unschwer entbehren, weil es viel kräftiger und schmackhafter als dieses ist. Namentlich vermag der gewöhnliche Italiener mit einem Stück Polenta und einem halben Liter Wein einen vollen Tag schwer zu arbeiten. – In culturhistorischer Beziehung kann man fast mit Gewißheit schließen, daß die drei Nationalgerichte: Sterz, Polenta und Mamaliga, weit in die vorchristliche Zeit zurückreichen.

A. C. W.




Ernst von Bandel’s Nachlaß. Zum Capitel deutscher Nationalschulden. Wenn ein Fremdling, wenig vertraut mit der Entwickelung von Deutschlands innerem Leben, uns früge: „Wer war Ernst von Bandel?“ so würden wir ihm mit gerechten Stolze erwidern: Er war jener reichbegabte deutsche Künstler, der im Jahre 1819 die Idee faßte, in der Gegend des Schlachtfeldes, auf welchem einst der Cheruskerfürst Hermann mit seinen tapferen Schaaren die römischen Legionen schlug und die Freiheit des Vaterlandes rettete, ein Denkmal zu errichten, das jenes großartigen Sieges würdig; wir würden weiter sagen: er war jener thatkräftige Mann, welcher durch zwei Menschenalter trotz unendlicher Schwierigkeiten an der Vollendung seines Planes arbeitete, bis endlich am 16. August 1875 unter den Augen eines der größten Führer Deutschlands, des siegreichen Schöpfers der deutschen Einheit, die letzte Hülle von dem fertigen Denkmal gehoben wurde; wir würden schließlich hinzufügen: er war jener selbstlose Mann, welcher diesem Wahrzeichen der nationalen Idee, das nunmehr stolz auf der Höhe des Teutoberges sich erhebt, sein ganzes Vermögen und die Arbeit seines langen Lebens opferte.

Wir brauchen unsere Leser wahrlich an die Verdienste Ernst von Bandel’s nicht zu erinnern, wohl aber müssen wir das deutsche Volk an die Tilgung einer Schuld mahnen, zu welcher es dem Andenken des Künstlers und seinen hinterlassenen Kindern gegenüber verpflichtet ist; denn für seine aufopferungsvolle Thätigkeit erhielt Ernst von Bandel von dem deutschen Volke keinen Ehrenlohn.

Gerade jetzt bietet sich die Gelegenheit, diese Schuld, wenigstens zum Theil, abzutragen.

Zu dem Nachlaß Bandel’s, welcher von den Nachkommen des Meisters mit treuer Pietät bewahrt wird, gehört bekanntlich ein großer Theil der künstlerischen Schöpfungen des Verstorbenen. Unter den siebenzig Arbeiten, welche den Nachlaß bilden, befinden sich auch einige, die zur Geschichte des „Hermann“ in engster Beziehung stehen, wie z. B. das Original der Hermann’s Figur, nach welchem die große Gestalt auf dem Denkmal selbst gearbeitet wurde, etc.

Wie wir jetzt erfahren, sieht sich die Familie des Künstlers gezwungen, die Sammlung zu veräußern. Soll nun dieses theuere Erbe in alle vier Windrichtungen zerstieben? Sollen die Originale des „Hermann“ und der „Thusnelda“ nach England oder Amerika wandern, um fremde Museen zu schmücken? Das wäre wirklich unerhört; das wäre eine Schmähung der Manen des Künstlers, der sein Gut und seine ganze Lebenskraft dem nationalen Denkmal geopfert hat – unwürdig wäre es des deutschen Volkes selbst.

Wir kennen nur eine Lösung dieser Frage: Die Nation möge den Nachlaß Bandel’s als Eigenthum erwerben und in der Nähe des Hermann-Denkmals, dem Schöpfer desselben zur Ehre, ein Bandel-Museum errichten. An den deutschen Reichskanzler und an den deutschen Reichstag richten wir zunächst die Bitte, diese Angelegenheit baldigst in die Hand zu nehmen, und wir hoffen fest, daß dieselbe nicht ungehört verhallen wird.


Kleiner Briefkasten.

L. L. in Durlach. Ihrem Zwecke dürfte am besten das von unserem verehrten Miterbeiter Dr. Kalthoff redigirte „Correspondenzblatt für kirchliche Reform“ dienen. Dasselbe tritt mit sicherer Klarheit und mannhafter Entschiedenheit für die Grundrechte des Protestantismus ein und macht gegen Dogmenzwang und Priesterherrschaft energisch Front. Das thut in den heutigen Tagen der Reaction wahrlich noth. Das „Correspondenzblatt für kirchliche Reform“ erscheint monatlich ein Mal; der Preis beträgt pro Jahr 2 Mark pränumerando.

S. K. in Leipzig. Die mit so vielem Beifall aufgenommene Erzählung „Ketten und Verkettungen“ von B. Oulot finden Sie in Nr. 10 u. f. d. Jahrg. unseres Blattes.

Aelteste Abonnentin in Mosbach. Geben Sie gefälligst Ihre volle Adresse an!

E. B. Anonyme Anfragen werden in der Regel nicht beantwortet.

H. H. in M. Die von Ihnen erwähnte „Cur“ ist reiner Schwindel. Wenden Sie sich an einen tüchtigen Specialarzt!

A. S. Sie werden das Gesuchte im „Deutschen Reichs-Anzeiger“ finden.

Z. in Kassel. Unbedingter Schwindel!


Zur Beachtung!

Mehrfach uns ausgesprochenen Wünschen entgegenkommend, haben wir uns entschlossen, die
Jahrgänge 1858, 1860 und 1867 bis 1876

der „Gartenlaube“ vorübergehend im Preise herabzusetzen.

Dieselben werden, so weit die geringen Vorräthe es gestatten, in tadellosen neuen Exemplaren zum billigen Preise von
nur 3 Mark pro Jahrgang einzeln

abgelassen und können durch jede Buchhandlung bezogen werden.

Leipzig.
Die Verlagshandlung von Ernst Keil.

Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 756. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_756.jpg&oldid=- (Version vom 10.8.2023)