Seite:Die Gartenlaube (1882) 772 b.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

repräsentiren. Der Verfasser hat es verstanden, uns in zwei starken Bänden von je fünfhundert und einigen Seiten ein ebenso gründlich eingehendes wie farbig anschauliches Bild jener Zeit zu entrollen, und zwar von durchaus parteilosem Standpunkte aus. Der Aufbau seines von einem edlen liberalen Geiste getragenen Werkes ist klar und übersichtlich, die Behandlung jedes einzelnen Abschnittes gründlich und abrundend, die Sprache durchweg elegant und doch einfach. Wir dürfen somit dieses im besten Sinne des Wortes populäre Werk allen Denen empfehlen, welche ernstlich gewillt sind, einen tieferen Blick in die Entwickelung der gegenwärtigen vatertländischen Angelegenheiten zu werfen. Biedermann’s „Dreißig Jahre“ eignen sich besonders zu einer patriotischen Weihnachtsgabe aus Vatershand für den heranwachsenden Sohn, aus der Hand der Frau für ihren im Kampfe der Zeit stehenden Gatten.




„Deutsche Nationalliteratur“ ist der Titel eines vielversprechenden Unternehmens der äußerst rührigen Verlagsbuchhandlung von W. Spemann in Stuttgart, dessen Leitung Joseph Kürschner, der bekannte und vielfach bewährte Herausgeber der Monatsschrift „Vom Fels zum Meer“, übernommen hat. Man beabsichtigt damit nichts Geringeres, als der deutschen Leserwelt eine Nationalbibliothek zu schaffen, welche die wichtigsten Literaturerzeugnisse des deutschen Geistes von den ältesten Zeiten ab bis nahezu auf unsere Tage zusammenfassen soll; der Werth dieser Veröffentlichungen wird durch Hinzufügung von sachlichen und kritischen Anmerkungen, Einleitungen, Facsimilebeilagen etc. noch wesentlich erhöhet werden. Das ist in der That ein Unternehmen von geradezu nationaler Bedeutung, das wir nur mit der wärmsten Sympathie begrüßen können – dies um so mehr, als für die tüchtige Durchführung des so verheißungsvollen Programms nicht nur der Name des Herausgebers, sondern zugleich eine Anzahl berühmter Mitarbeiter bürgt, aus deren Reihe wir nur Bartsch, Bechstein, Düntzer, Lemcke, Oesterley und Stern anführen wollen.

Die beiden ersten Hefte der „National-Literatur“ liegen uns vor. Das erste enthält die erste Hälfte von Goethe’s „Faust“, erster Theil, mit einer Einleitung und zahlreichen Anmerkungen von Heinrich Düntzer, sowie mit mehreren Illustrationsbeigaben, während das zweite den Lesern Grimmelshausen’s „Simplicissimus“ (einen Theil des ersten Bandes) bringt, und zwar mit Originalillustrationen der Ausgabe letzter Hand und einer ausführlichen Einleitung über den Roman vor Grimmelshausen’s Zeit, herausgegeben von F. Bobertag.

Der Preis beträgt für das Heft von etwa sieben Bogen fünfzig Pfennig. Das vollendete Werk wird also, da wöchentlich ein bis zwei Hefte erscheinen und das Ganze in drei bis vier Jahren abgeschlossen sein soll, ungefähr hundertfünfzig Mark kosten, jedenfalls ein geringer Preis für eine sämmtliche Hauptwerke unserer Literatur umfassende Bibliothek, zumal Papier und Druck tadellos sind.

Wir wünschen dem überaus dankenswerthen Unternehmen das beste Gedeihen und Eingang in alle Häuser der gebildeten deutschen Welt. Eines jedoch möchten wir in der Form dieser Kürschner-Editionen geändert sehen: dem „Faust“-Hefte folgt, ehe uns Goethe’s Dichtung fertig vorliegt, das „Simplicissimus“-Heft und diesem ebenfalls unabgeschlossenen Büchlein, laut Ankündigung, ein drittes Heft, Schiller’s „Räuber“ enthaltend. So empfängt der Käufer in drei Heften mindestens zwei Fragmente, ohne berechnen zu können, wann die ihm fehlenden Fortsetzungen erscheinen werden, ob in vierzehn Tagen oder in zwei Jahren. Die einstweilige Unvollständigkeit scheint also bei der Herausgabe dieser Hefte förmlich zum Princip erhoben worden zu sein. Das ist unausstehlich. Da, meinen wir, sollte man doch füglich zuvor den ganzen „Faust“, lieber noch den ganzen Goethe, dann aber erst den ganzen „Simplicissimus“ etc. veröffentlichen. Wollten das doch Herausgeber und Verleger im Interesse der höchst anerkennenswerthen Sache in liebenswürdige Erwägung ziehen!




Geschichte der französischen Literatur von ihren Anfängen bis auf die neueste Zeit von Eduard Engel (Leipzig, Wilhelm Friedrich). Eine einheitliche und umfangreiche Geschichte des französischen Schriftthums hatte die deutsche Literatur bisher noch nicht aufzuweisen. Eduard Engel entspricht also mit dieser Publication einem wirklichen Bedürfnisse, und er entspricht ihm nicht obenhin, sondern gründlich und erschöpfend, voll und ganz. Sein Buch orientirt den Leser über das Gesammgebiet der französischen Literatur von den „Straßburger Eidschwüren“ und dem „Eulalialied“ an bis zu Dandet’s und Zola’s Werken; es beschränkt sich nicht darauf, den Entwickelungsgang der franzosischen Literatur in allgemeinen Zügen darzulegen, sondern vertieft sich zugleich in die einzelnen Dichter-Charaktere, und zwar mit jener Liebe, welche ihre Aufgabe nicht als eine nüchterne Verstandesarbeit, sondern als eine Art Mission betrachtet. Mit Hingebung und Feuer, mit Schärfe und Feinsinn zeichnet der Verfasser uns die Koryphäen der Dichtung unserer westlichen Nachbarn in ihrer geistigen Eigenart und bewährt viel plastisches Gefühl in der Art, wie er ihre Gestalten charakteristisch und eindrucksvoll von dem betreffenden Zeithintergrunde abzuheben weiß, viel geistiges Unterscheidungsvermögen in der Methode, wie er sie classificirt, gruppirt und contrastirt. Die Charakteristiken, die er von Rabelais, Rousseau, Diderot, Voltaire, Beaumarchais und Anderen entwirft, verrathen ein tiefes Vertrautsein mit den Erzeugnissen dieser Hauptträger der franzosischen Literatur. Nicht immer einverstanden sind wir dagegen mit dem Verfasser bezüglich seiner Urtheile über die neuesten Vertreter des Pariser Parnasses, wie wir z. B. über Zola eine etwas abweichende Meinung haben. Aber das ist Nebensächliches. Mit voller Ueberzeugung dürfen wir dem ebenso fleißig wie einsichtsvoll entworfenen und abgearbeiteten Werke, das den ersten Band einer von verschiedenen Autoren zu verfassenden und in demselben Verlage zu publicirenden „Geschichte der Weltliteratur“ bildet, den allgemeinsten Eingang in die deutsche Gesellschaft aller Stände wünschen. Es kann uns Deutsche nur ehren, wenn wir die uns hier gebotene Gelegenheit eifrig ergreifen, uns mit der Literatur der Franzosen vertraut zu machen, die noch immer eine höchst verkehrte und sonderbare Nationalpflicht darin erblicken, mit Geringschätzung auf uns herabzusehen.




Deutsche Jugend. Von der unter diesem Titel längst zu wohlverdienter Anerkennung gelangten illustrirten Monatsschrift erscheinen soeben die ersten 15 Bände in einer billigen Volksausgabe und zwar als genaue Nachbildung des Originalwerkes. Das giebt uns Gelegenheit, einen Blick auf das schätzenswerthe Unternehmen zu werfen. Die „Deutsche Jugend“ (Verlag von Alphons Dürr in Leipzig) nimmt unter den gegenwärtig in Deutschland erscheinenden periodischen Jugendschriften ohne Frage den ersten Rang ein, und die Bezeichnung „Muster der Jugendliteratur“, unter welcher das preußische Unterrichtsministerium Falk sie seiner Zeit der deutschen Schule empfahl, ist angesichts dessen, was sie für Charakterbildung und Gemüthspflege, für Geschmacksschulung und sittliche Förderung unserer Jugend leistet, gewiß nicht zu hoch gegriffen. Die von Julius Lohmeyer geleitete, künstlerisch von Oscar Pletsch überwachte „Deutsche Jugend“ wendet sich vornehmlich an die Altersclassen vom achten bis zum vierzehnten Lebensalter und will ein Sammelplatz der besten im Dienste der Jugend thätigen Schriftsteller und Zeichner sein; sie dient diesem Ideale nunmehr seit einer Reihe von Jahren mit ebenso seltenem wie glücklichem pädagogischen Tact- und Feingefühle, und man darf ihr mit Recht nachrühmen: sie hat das Ziel, das sie sich gesteckt, in jedem Sinne erreicht: die „Deutsche Jugend“ bildet durch das einmüthige Zusammenwirken hervorragender Schriftsteller und Künstler eine Jugendbibliothek großen Stils. Wir erachten es für eine Pflicht der Presse, das Haus und die Schule nachdrücklich auf diesen anmuthig sprudelnden Born der Belehrung und Unterhaltung hinzuweisen, aus dem unseren Kindern das Wasser reinster Bildung fließt. In diesem Sinne rufen wir ihr ein freudiges: Wachse, blühe und gedeihe! zu.




Eine neue „Schiller-Ausgabe“ bringt soeben die Verlagsbuchhandlung von Grimme u. Trömel auf den Markt – unseres Wissens bisher die einzige Publication der Schiller’schen Dichtungen, welche streng in der neuen Orthographie durchgeführt ist. Dieser Umstand empfiehlt das beachtenswerthe Werk (Preis 10 Mark) besonders unseren Schulen und Schulbibliotheken. Im Verhältniß zur Ausstattung ist die vorliegende Schiller-Ausgabe wohl als die billigste, welche überhaupt existirt, zu bezeichnen.




An Werken in neuer Auflage haben wir die folgenden zu registriren:

Rudolf von Gottschall’s „Poetik“ (Breslau, Trewendt) in fünfter durchgesehener und verbesserter Auflage.
Die vorliegende Ausgabe der „Poetik“ ist eine durch eine Reihe von neuen Zusätzen und Beispielen nicht unwesentlich erweiterte, und wenn sie schon in ihren früheren Auflagen einen hervorragenden Platz unter den heutigen „Poetiken“ einnahm, so wird man ihr in ihrer neuesten vervollständigten Gestalt um so bereitwilliger diesen Vorzug zuerkennen.

Emil Palleske’s „Schiller’s Leben und Werke“ (Stuttgart, Krabbe) in elfter Auflage.
Ein berühmtes Werk, das sich durch sich selbst empfiehlt; es erscheint hier in besonders eleganter Ausstattung und erhält durch ein treffliches Generalregister einen erhöhten Werth.

Georg Büchmann’s „Geflügelte Worte“ (Berlin, Haude und Spener) in dreizehnter, vermehrter und umgearbeiteter Auflage.
Dieser Citatenschatz des deutschen Volkes, welcher eine für derartige Publicationen unerhörte Verbreitung gefunden, mag unseren Lesern auf’s Neue wärmstens empfohlen werden. Die „Geflügelten Worte“ sind ein in seiner Art einziges und für jedes gebildete Haus unentbehrliches Buch. Interessant ist es, etwas über die Geschichte seiner Auflagen zu vernehmen. Man schreibt uns von bestunterrichteter Seite: die erste 1100 Exemplare starke Auflage erschien 1864, die zwölfte 7560 starke 1880, und in diesen zwölf Auflagen wurden zusammen 50,000 Exemplare abgesetzt. Die so eben erschienene neueste Auflage umfaßt wieder 7560 Exemplare.




Empfehlenswerthe Novitäten von unserem Büchertische:

Neumann’s Geographisches Lexikon des Deutschen Reichs. Mit Ravenstein’s Specialatlas von Deutschland, den Plänen der dreißig wichtigsten deutschen Städte und mehreren Hundert Abbildungen deutscher Staaten- und Städtewappen etc. Complett in 40 Lieferungen à 50 Pfennig. (Leipzig, Bibliographisches Institut, 1882.) 1.–8. Lfg.

Therese Focking, Das Kind in der Natur. Anschauungsbilder für Kindergarten, Schule und Haus. (Berlin, J. H. Maurer Greiner, 1882.) Preis 4 M. 50 Pf.

C. del Negro, Auf ewig gebunden. Roman. 2 Bände. (Leipzig, Ed. Wartig, 1882.)

A. Leschivo, Der Ring der Wahrheit. Roman. 2 Theile. (Leipzig, Julius Klinkhardt, 1882.)

Max Kalbeck, Richard Wagner’s „Parsifal.“ (Breslau, Schletter’sche Buchhandlung, 1883.)

Adolf Friedrich Graf von Schack, Gesammelte Werke. 6 Bände. 1. Band, 1. Lieferung. (Stuttgart, J. G. Cotta’sche Buchhandlung, 1882.)




Die nächste Nummer der „Zwanglosen Blätter“ wird die neuesten Fortschritte und Erfindungen auf dem Gebiete der Hauswirthschaft beleuchten.


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 846. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_772_b.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2023)