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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


dem „Gmoandehaus“, in dessen Saale gespielt wird. Vor demselben angelangt, bleiben Alle stehen und singen den sogenannten Sterngesang ab, der folgendermaßen beginnt:

Ihr liab’n, meine Sänger, fangt’s tapf’r an,
Zu gruaßen woll’n wir’s heben an;
Wir gruaß’n alles, was am Himmel ist,
Vor allen andern unsern Herrn Jesu Christ.“

Sie grüßen im Verlaufe des Liedes Gott Vater und den heiligen Geist, die heiligen Engel, die Gestirne und enden:

So gruaß’n wir Dich durch den Fürewagen,
Der durch den Himmel thuat herum foahren.“

Unmittelbar darauf betreten Alle den Saal. Nun beginnt das Spiel, das in seiner Einfachheit drastisch wirkt und vom Passionsspiele in Oberammergau sich nur dadurch unterscheidet, daß die Bühne, ohne jeden Schmuck, nur ein enger, von Bänken abgegrenzter Raum, während dieselbe dort mit hübschen Decorationen ausgestattet ist. In früheren Jahren erschienen die Mitwirkenden der Weihnachtspiele in ihren Alltagskleidern, wogegen sich heute Einzelne charakteristischer Costüme bedienen. Den Prolog und Epilog spricht der Erzengel Gabriel, ein Kind, das beim Declamiren fast immer stecken bleibt. Die handelnden Personen bewegen sich in der Mitte der Bühne, während alle nicht Agirenden abtreten. Tritt ein Scenenwechsel ein, so erscheint das ganze Personal auf der Bühne und singt ein darauf bezughabendes Lied.

Wir haben in dem Vorstehenden das Wichtigste über die Weihnachtspiele der Deutschen in Ungarn kurz mitzutheilen versucht und bemerken nur noch, daß der Geschmack für derartige Aufführungen auch in jenen stillen Dörfern immer mehr schwindet.




Preßgeschichten aus der Rheinbundszeit.

Von Karl Braun-Wiesbaden.

Die Geschichten, die ich erzählen will, liefern einen kleinen Beitrag zu der großen Frage: Wie war es vor siebenzig Jahren in Deutschland, in dem Deutschland des Rheinbunds, kurz vor der nationalen Erhebung? Unsere Geschichtswerke, so gut sie sind, geben darauf keine Antwort. Sie haben die großen Ereignisse der Völker und Staaten im Auge, nicht die kleinen Leiden der Einzelnen und der bürgerlichen Gesellschaft.

Ich aber halte es für gut, zuweilen auch von den letzteren zu reden. Man erkennt daraus, wie die Staatsumwälzungen auf innere Verhältnisse einwirken. Man kann auch allerlei nützliche Vergleichungen ziehen, z. B. zwischen dem jetzigen deutschen Reiche und dem vormaligen Rheinbund. Oder man kann das jetzige Verfahren Deutschlands in den wiedergewonnenen Reichslanden Elsaß-Lothringen vergleichen mit der Art, wie die Franzosen in der Zeit von 1806 bis 1813 diejenigen deutschen Gebiete behandelten, welche sie gar nicht erobert oder durch Vertrag erworben, sondern zu einem Bündniß veranlaßt und denen sie ihre Freundschaft und Protection zugesagt hatten, indem sie sogar den betreffenden Landesherren „volle Souverainetät“ verliehen.

Hier spielen die Preßverhältnisse, die Handelspolitik und das Tabaksmonopol die erste Rolle, und so kann es denn auch an anderen Parallelen und Warnungen vor Rückfällen nicht fehlen.

Doch genug der Einleitung! Gehen wir zur Sache!

Als 1810 Napoleon der Erste das bekannte Decret über die Continentalsperre und die Verbrennung der ausländischen Waaren erließ, gab er zugleich dem Fürsten von Eckmühl, im gewöhnlichen Leben Marschall Davoust genannt, der damals in Hamburg ein unerhörtes Schreckensregiment führte, den Ausweg an die Hand, Deutschland auf militärischem Wege „von gefährlichen Menschen zu reinigen“. Der Auftrag zielte vorzugsweise auf die Herausgeber deutsch- und freigesinnter Zeitungen, in welchen Napoleon die Hauptgegner seines Despotismus sah.

Für die deutschen Zeitungen hatte er auch in Paris ein Specialpreßbureau errichtet. Dort wurden alle in Deutschland erscheinenden Zeitschriften und Zeitungen durchgemustert. Dann wurde eine Zusammenstellung alles Gefährlichen und Bedenklichen angefertigt und sowohl an den Polizeiminister in Paris, wie auch an den Napoleonischen Dictator in Deutschland, den Fürsten von Eckmühl, nach Hamburg gesendet. Der Buchhandel und der Zeitungs-Debit waren durch allerlei polizeiliche Nörgeleien gehemmt oder wenigstens verlangsamt. Dagegen mußten dem gedachten Preßbureau – leider waren es Deutsche, die sich zu diesem Schergendienste hergaben – auf dem directesten und eiligsten Wege alle jene Drucksachen zugeschickt werden, zunächst damit ein Verbot allemal der Verbreitung zuvorkommen könnte.

Allein in Deutschland erschienen damals schon sehr viele Zeitungen, und das alles zu lesen, wurde den Lectoren des französischen „Centralpreßbureaus für Deutschland“ etwas unbequem. Wozu hat man aber die despotische Gewalt, wenn man sich nicht Unbequemlichkeiten vom Leibe halten sollte? Wozu sind wir denn die von dem Beherrscher Europas eingesetzte Behörde, welche berufen ist, zu entscheiden, was den Deutschen gut ist zu lesen und was nicht? Handeln wir also, statt zu disputiren!

Kurz danach, als die scharfen Continentalsperre-Decrete ergangen, scheint auch das Blokus-System gegen die deutsche Presse von Paris aus empfohlen worden zu sein. Denn um diese Zeit sprachen die französischen Gesandten bei den „Souverainen“ des Rheinbundes den betreffenden Regierungen den Wunsch aus, eine vollständige Statistik der gesammten in den betreffenden Rheinbund-Staaten erscheinenden periodischen Presse zu erhalten. Nur ein Bischen Statistik!

Ein solcher Wunsch war damals einem Befehl gleich zu achten. Denn ein französischer Gesandter bei einem „souverainen“ Fürsten des Rheinbundes hatte damals ungefähr dieselbe Machtstellung, wie heute die englischen Residenten bei einem anglo-indischen Regenten, oder wie ein französischer Regierungscommissar bei dem Bey von Tunis, ein englischer bei dem Khedive von Aegypten.

Kaum war die französische Regierung im Besitze der vollständigen, exacten und getreuen Rheinbunds-Staaten-Zeitungs-Statistik, als von Paris aus der Befehl erging, es wuchere da viel zu viel des Zeitungsunkrautes; es sei die Absicht Seiner Majestät des Kaisers der Franzosen, Protectors des Rheinbundes, Mediators der Schweiz etc., daß man die Sache vereinfache, daß von nun an in jedem Rheinbundsstaate nur ein einziges Blättlein erscheine. Das war schon etwas mehr als Statistik.

Dieser Absicht wurde natürlich Folge geleistet. Eine Menge von deutschen Blättern wurde unterdrückt, ohne daß man dafür irgend einen anderen Grund angab, als das Belieben des Kaisers der Franzosen. Man legte diesen Zeitungen nichts zur Last; man machte ihnen keinen Vorwurf. Man sagte ihnen einfach: „Hebet Euch weg! Ihr gefallt mir nicht; Ihr seid mir unbequem; ich habe keine Zeit, Euch zu lesen, was ich aber nicht zuerst selbst lese, das hat kein Recht für das Publicum zu existiren.“ Durch diesen Willküract der Preßpolizei wurde eine Menge Bürger völlig unverschuldet ihres Besitzstandes, ihres Gewerbebetriebes, ihrer Existenzmittel beraubt. Wenn sie Entschädigung verlangten, lachte man sie aus und machte die „Staats-Raison“ geltend.

In Frankfurt am Main, wo ein rheinbündlerisches Großherzogthum unter Dalberg, dem bekannten Fürst-Primas, vegetirte, erschienen damals folgende Blätter: Das „Ristretto“, das „Frankfurter Journal“, die „Oberpostamts-Zeitung“ und das in französischer Sprache erscheinende „Journal de Francfort“. Nur das letztgenannte Blatt fand, weil es in der Sprache der Fremdherrscher geschrieben, die volle Gnade. Halbe Gnade wurde der „Oberpostamts-Zeitung“ zu Theil, jedoch nur unter der Bedingung, daß sie sich mit dem „Journal de Francfort“ zu einer einzigen Zeitung verschmelze, welche in demselben Blatte sowohl deutsch wie französisch erschien. Das paßte aber keinem dieser beiden Blätter. Beide suchten um das Recht der abgesonderten Existenz nach. Aber sie mußten lange betteln, bis ihnen diese gewährt ward. Und auch dann geschah es nur unter der Bedingung, daß ihr Inhalt stets genau derselbe sein müsse.

Auch diese grausame Maßregel entsprang in erster Linie dem Bequemlichkeitsbedürfniß. Die Herren in Paris wollten absolut nicht mehr als eine Zeitung aus diesem halbfranzösischen deutschen Großherzogthum lesen müssen, und zu diesem Zwecke gestattete

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 843. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_843.jpg&oldid=- (Version vom 25.8.2023)