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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

vom Erdboden verschwinden zu lassen, wie er den großen Säugethieren des Meeres gegenwärtig mit besserer Aussicht auf Erfolg den endgültigen Untergang zu bereiten im Begriff steht.

Lassen wir einmal die Insassen des Elephantenhauses die Revue passiren!

Da ist zunächst, wenn wir das mächtige Gebäude betreten, mitten in dem großen Saal, dessen Wände ringsum von den geräumigen Thierständen besetzt sind – Käfige kann man diese nur durch ein starkes Gitter vom Publicum getrennten Abtheilungen nicht nennen – da ist zunächst ein mächtiges Skelet ausgestellt. Es bildet die Ueberreste des großen Elephanten „Boy“, der dreißig Jahre lang im Garten lebte und bis zu seinem vor einigen Jahren erfolgten Tode der allgemeine Liebling der Berliner war.

An der linken Seitenwand hat die Afrikanerin „Jenny“ ihren Stand. Sie ist bereits seit vierzehn Jahren im Garten und gehörte einst dem König Theodor von Abessinien, nach dessen tragischem Untergange im Jahre 1868 sie als ein Theil der Beute nach Europa kam. Damals war sie drei Jahr alt; seitdem ist das Thier mächtig gewachsen und zur Elephantenjungfrau herangereift. Auf unserer Illustration links oben abgebildet und an den mächtigen Ohren erkenntlich, zeigt sie jene Haltung, welche sie öfter annimmt, wenn ihr Wärter ihre Dressur vorführt und sie die verschiedensten Fußstellungen durchprobiren läßt. Jenny weiß dann recht geschickt sich mit dem Rüssel ihre Belohnung, eine Schnitte Brod, aus dem Brustlatze des Wärters hervorzuholen und apportirt ihm gewissenhaft die Geldspenden, welche das Publicum ihr zuwirft. Dieses Gebahren spricht durchaus dafür, daß die afrikanischen Elephanten intelligent sind, wie ihre indischen Namensvettern. Es ist eigentlich zu verwundern, daß man die afrikanischen Elephanten nicht auch schon längst als Reitthiere und Lastträger benutzt, wie die indischen, ja, daß man sogar die letzteren nach dem dunklen Erdtheil transportirt hat, um sie dort in angegebener Weise zu verwenden. Es sei mir gestattet, hier eine kleine, auf diese Frage bezügliche Episode einzuschalten.

Als vor einigen Jahren die Nubier mit ihrer Thierkarawane die zoologischen Gärten Europas besuchten, brachten sie auch einige junge Elephanten mit, welche im Zuge frei mitfolgten. Ich suchte die besten Reiter unter diesen braunen Wüstensöhnen zu veranlassen, auf den Thieren das Gehege im Berliner Garten entlang zu reiten. Der Versuch gelang über Erwarten. Rüssel und Ohren erhebend und laut trompetend, stürmten die jungen Elephanten unter der ungewohnten Last ihrer Reiter dahin, suchten Letztere auch wohl an Bäumen und am Zaune abzustreifen, aber als dies nicht gelang, fügten sie sich in’s Unvermeidliche. Der Versuch wurde öfter wiederholt und mit wachsendem Erfolge, aber schließlich ließ man ihn fallen, da er nicht zum Programm gehörte. Seit jener Zeit aber glaube ich fest daran, daß sich afrikanische Elephanten ebenso zähmen lassen, wie die indischen. Mit der siebenzehnjährigen „Jenny“ würde es aber zu spät sein, derartige Culturzwecke jetzt noch zu verfolgen. Aber die drei anderen Elephanten, welche das Haus besitzt, tragen allwöchentlich im Garten eine Anzahl Kinder spazieren und zeigen sich sehr gelehrig.

Es sind dies zunächst zwei ziemlich große indische Elephanten, „Omar“ und „Rostom“, welche den früheren Stand des seligen „Boy“, die rechte Querseite des Hauses, gemeinschaftlich bewohnen. Diese beiden Thiere sind ein Geschenk des Prinzen von Wales an den Garten und befinden sich seit Ostern 1881 im Hause.

Ihre Ueberführung von London nach Berlin war mit nicht geringen Schwierigkeiten verknüpft. Nachdem Dr. Bodinus sie in der englischen Hauptstadt in großen Käfigen an Bord eines Schiffes gebracht und sie auf demselben die Reise bis Hamburg glücklich zurückgelegt hatten, zerbrachen sie in letzterer Stadt auf dem Transport nach der Eisenbahn ihre Kasten und gaben erstaunenswerthe Proben ihrer riesigen Kraft. Die Käfige wurden nunmehr mit mächtigen eisernen Ketten umwunden, aber die Thiere machten Anstalt, auch diese zu zertrümmern. Da blieb nichts Anderes übrig, als zwei unerschrockene Männer, den vielerprobten Oberwärter des Berliner zoologischen Gartens, Pechler, der schon von „Boy“ manche schwere Verletzung davon getragen, und den Wärter Brauer, der die Thiere jetzt unter Specialaufsicht hat, mit spitzen Elephanteneisen vor dieselben zu stellen und sie in dieser wenig beneidenswerthen Position die Eisenbahnfahrt von Hamburg nach Berlin machen zu lassen. In Berlin war es dann wieder nöthig, die Transportwagen bis an die Achsen in die Erde eingraben zu lassen, damit die Thiere in ihre jetzigen Stände hinein gelangen konnten. Dann erst, als sie festen Boden unter den Füßen fühlten, wurden die beiden Indier wieder ruhiger.

Sie erhalten seitdem täglich Dressur und haben es inzwischen erstaunlich weit gebracht, sodaß sie schon beinahe im Circus „arbeiten“ könnten. Auf Commando rückwärts zu geheb, Verbeugungen zu machen, Fußstellungen auszuführen, sich hinzulegen, ein Taschentuch aufzuheben, eine Münze, die halb so groß ist wie ein Zwanzigpfennigstück, zu apportiren – das Alles ist ihnen ein Leichtes.

Der dritte im Bunde ist ein weiblicher Elephant, ein Baby, das seinen Namen nach der durch reiche Indigopflanzungen ausgezeichneten indischen Landschaft „Maldah“ führt. Dieses jetzt fünfjährige Thier ist ein Geschenk des um den zoologischen Garten hochverdienten Berliner Großhändlers William Schönlank, der die „Maldah“, welche ursprünglich im afghanischen Kriege zum Dienst bestimmt war, durch seine Agenten aufkaufen und in aller Stille nach Berlin transportiren ließ. Ich sehe es noch, wie er am 8. October 1880 diese „Ueberraschung“ dem hocherfreuten Dr. Bodinus überlieferte; ich sehe noch, wie Letzterer in der überströmenden Freude seines Herzens den Wohlthäter umarmte und ihm zurief: „Nehmen Sie es mir nicht übel! Ich muß Ihnen dafür einen Kuß geben.“

Wenn sich „Maldah“ so rüstig weiter entwickelt, wie seitdem, dürfte diese junge Dame dereinst zu freudigen Erwartungen berechtigen. Unsere Illustration führt sie uns in vollem Schmuck als Reitthier vor, und sie erfüllt als solches, unseren kleinen Damen gegenüber, höchst gewissenhaft ihre Pflicht. Als ich kürzlich das Elephantenhaus besuchte, mußte ich herzlich über das Thier lachen. Es war Vormittags, wo wenig Besucher anwesend waren, und sie stand draußen in ihrem Gehege, vor sich eine kleine Quantität Grünfutter, halb damit spielend, halb davon fressend. Sie war ganz in ihren Gegenstand vertieft; da mochte ihr plötzlich die Erinnerung an ihre Dressur gekommen sein und so machte sie mit den Füßen ihre ganze Lection durch, hob die Beine abwechselnd, kreuzte sie vorn und hinten über einander etc., etwa wie ein Kind, das beim Kaffeetrinken seine Vocabeln noch einmal repetirt.

Die unzertrennlichen Begleiter der Elephanten sind von jeher die Rhinocerosse gewesen; wie wir ihre beiderseitigen Ueberreste in den diluvialen Erdschichten zusammen finden, so stehen die Thiere auch im Elephantenhause neben einander. Das Gebäude beherbergt vier höchst stattliche Exemplare, von denen die beiden interessantesten auf dem Bilde wiedergegeben sind. Das links abgebildete ist das doppelhörnige afrikanische Weibchen „Molly“, welches sich seit 1870 im Garten befindet. Dieses Thier hat eigenthümliche individuelle Eigenschaften: es ist im höchsten Grade scheu und mißtrauisch und verläßt nur höchst ungern den Ort, an den es sich einmal gewöhnt hat. Während andere Thiere ihre Winterquartiere gern verlassen, wiederholt sich bei „Molly“ in jedem Frühjahr das Schauspiel, daß sie nur durch Hunger gezwungen werden kann, die Thür zum Außengehege zu passiren. Als das Thier in das Haus unter dem Beisein fast der halben hauptstädtischen Bevölkerung überfuhrt wurde, wollte es absolut seinen Käfig nicht verlassen und stieß zuletzt aus lauter Furcht wüthend um sich. Dann nahm es jene charakteristische Stellung an, die es auf der Illustration zeigt. Mit dem neben ihm befindlichen weiblichen indischen Rhinoceros hat es niemals gekämpft; denn beide Thiere werden nicht zusammen gelassen.

Die Stellung des letzterwähnten Thieres ist aber dennoch in einem Kampfe mit dem männlichen indischen Rhinoceros beobachtet worden. Es fand dieses „Ereigniß“ im vorigen Jahre statt. Das Männchen wurde plötzlich böse, überfiel das Weibchen und setzte ihm derart zu, daß es nur mit genauer Noth seiner Wuth entzogen werden konnte.

Dieses Weibchen bietet in zoologischer Beziehung höchst interessante Merkmale dar. Die Beschreibung des gewöhnlichen indischen einhörnigen Rhinoceros paßt auf dasselbe nicht genau; es darf vielleicht als eine Varietät des letzteren betrachtet werden; denn es hat auf der Haut viel mehr Knoten als jenes; auch besitzt es auf der Schulter eine Faltenbildung, welche einen Sattel darstellt; im Uebrigen hat es auch einen kürzeren und etwas dickeren Schädel. Das Thier ist im Jahre 1874 von dem Thier-Importeur William Jamrach in London als besondere Species nach Berlin verkauft worden. – Das bereits erwähnte kampflustige männliche indische Rhinoceros befindet sich mit einem ebenfalls sehr

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 862. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_862.jpg&oldid=- (Version vom 16.1.2023)