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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

nur zu Pferde folgen kann, so nennt man diese Jagdart: Parforcejagd und die dazu gebrauchten Hunde: Parforcehunde. Sie sind den Bracken nahe verwandt, eigentlich gleich, da aber eine Parforcejagd nur Vergnügungssache ist, wobei das Reiten eine Hauptrolle spielt, so ist bei derselben ein gewisser Luxus selbstverständlich, der sich in der Zusammenstellung vieler, möglichst gleichfarbiger und gleichgroßer Hunde äußert, die eine Meute genannt werden.

Damit man diese Hunde, wenn sie z. B. ausgeführt werden, also nicht jagen, besser zusammenhalten kann, werden sie zu zweien durch einen Riemen an den Halsbändern verknüpft und bilden dann eine „Koppel“; sind bei einer Parforcejagd z. B. zwanzig Koppeln Hunde gebraucht worden, so waren ihrer vierzig in Thätigkeit. Diese Hunde sind die eigentlichen Jagdhunde des Jägers; wie die Hühnerhunde arbeiten sie mit der Nase, dem Geruchssinn.

Das Jagen mit Windhunden (meist auf Hasen oder Füchse) nennt man nicht jagen, sondern hetzen; mithin gehört der Windhund nicht zu den „Jagdhunden“. Seine Thätigkeit wird lediglich vom Auge geleitet; er hetzt nur so lange, wie er das Wild sieht; erreicht dieses eine Deckung, so ist es für ihn in Folge seiner schlechten Nase verloren. Hetzen kann also nur auf freiem Gelände Erfolg haben. Gewöhnlich benutzt man drei Windhunde, die man einen „Strick“ nennt; ist einer allein befähigt und geübt, ein Wild zu fangen, so heißt er Solofänger und hat einen hohen Werth, der noch gesteigert wird, wenn er den gewürgten Hasen oder Fuchs apportirt, was im Allgemeinen die wenig gelehrigen Windhunde nicht zu thun pflegen. Auch sollen die Windhunde das gefangene Thier abwürgen, was bei der Jagd mit den vorher genannten Hunden nicht bezweckt wird.

Der Schweißhund hat den besonderen Zweck, ein angeschossenes größeres Wild, welches nach dem Schusse noch weit flüchtig geworden ist, auf der Fährte zu verfolgen, das gefundene zu stellen, das heißt nicht fortzulassen, und das todt gefundene zu verbellen, um den Jäger an dasselbe gleichsam heranzurufen. Der Jäger führt den Schweißhund meistens am Riemen, es kommen aber Fälle vor, wo er ihn frei arbeiten lassen muß; würde der Schweißhund ein gesundes Wild verfolgen, so würde er jagen, was sein Zweck nicht ist; auch soll er das eingeholte Wild nicht niederreißen, sondern so lange oder so oft stellen, bis der Jäger herangekommen ist.

Finder und Packer oder Saurüden spielen nur bei der Jagd auf Wildschweine eine Rolle, aber eine um so bedeutsamere, als die Jagd auf dieses wehrhafte Wild hauptsächlich auf ihrer Bravheit beruht. Das Amt des Finders ist, das Wildschwein zu finden und durch unablässiges Beunruhigen zu beschäftigen, respective an der Flucht zu verhindern, wenn es aber doch flüchtig wird, so lange zu verfolgen, bis es sich stellt.

Jeder Hund, welcher das Schwein mit Passion jagt, eignet sich zum Finder, daher dieser keiner besonderen Rasse angehört; gleichwohl wählt, respective züchtet man für diesen Zweck am liebsten Hunde unter Mittelgröße mit rauhem, nicht kurzem Haar, weil vor kleinen Hunden das Schwein zwar sich bald stellt, aber nicht halten läßt und von diesen schwer eingeholt wird, vor großen aber sich fürchtet und nicht gern stellt; glatthaarige Hunde werden außerdem leichter geschlagen, als rauhhaarige; der Finder muß daher dem Schlagen des Schweins gewandt ausweichen und darf sich niemals zum Anfassen verleiten lassen.

Der Packer oder Saurüde verfolgt das Schwein, packt es in der Flucht am Gehör (den Ohren) und muß nun fest an ihm hängen bleiben; werden, wie gewöhnlich, mehrere Rüden gehetzt und packen sie das Schwein, so sagt man: sie decken es: das Schwein steht alsdann wie angenagelt fest und wird vom Jäger mit dem Fangmesser abgefangen, das heißt in’s Herz gestochen; um es ganz ungefährlich zu machen, wird es dabei meist ausgehoben, das heißt ein anderer Jäger oder Gehülfe hebt ihm den einen oder auch beide Hinterläufe in die Höhe, sodaß es sich gar nicht rühren kann. Wird das Schwein par force gejagt, wie von der Meute des Prinzen Karl von Preußen in den Forsten bei Berlin, so dienen die Parforcehunde zugleich als Rüden; dann wird das zu jagende Schwein aber rasirt, das heißt: es werden ihm die Hauzähne abgesägt, um die kostbaren Hunde vor tödtlichen Schlägen möglichst zu bewahren.

Die Sauhatzen, wo die Wildschweine gegen schwere, hinter Schirmen aufgestellte Hatzhunde getrieben und von diesen gepackt wurden, gehören der Geschichte an.

Wir dürfen auch den kleinsten, aber tapfersten und wehrhaftesten aller Jagdhunde, den Dachshund oder Teckel, nicht vergessen, welcher den ihm an Stärke überlegenen Dachs oder Fuchs im eigenen unterirdischen Bau angreift, aber auch die Rolle des Schweißhundes, der Bracke und des Saufinders übernimmt; „Männe“ ist eben ein Ritter ohne Furcht und Tadel.

Die meisten Jäger werden wohl einräumen, daß eine Waldjagd mit Bracken das Jägerblut aufwallen macht, wie kaum eine andere. Still haben die Schützen ihre Stände eingenommen – da klingen die weichen Töne des Waldhorns durch die klare Morgenluft als Signal der beginnenden Jagd; die Hunde werden losgekoppelt: „such, such, hetz, hetz!“ hört man rufen; zuerst bleibt Alles still; nur hier und da vernimmt man ein leises Winseln der Hunde; da ertönt ein helles „jif, jif“ einer Hündin, in das sofort ein dumpfes „juch, juch“ eines Brackenveteranen einstimmt; nun haben auch die anderen frische Fährte gefunden, und den Wald erfüllt das fröhliche Geläut (Gebell) der jagenden Hunde.

Regungslos, doch wachsamen Auges stehen die Schützen da; vor uns liegt ein Röhricht; die gelben Halme sind, vom Winde geknickt, zusammengeschoben und bilden fast undurchdringliche Dickichte; die buschigen Rispen sind niedergebeugt und wehen im Winde hin und her; die Bracken scheinen manchmal von der Spur abgekommen zu sein, da erschallt aber wieder ihr volles Geläut, doch haben sie sich, wie man deutlich hört, getheilt – daher doppelte Aufmerksamkeit und Spannung! – Krach! dröhnt der erste Schuß in die helle Morgenluft; ihm folgt ein zweiter, dritter, und immer wilder jagen die Hunde; da bewegt sich das Rohr, und vorsichtig streckt Reineke den rothen Kopf hervor; es scheint ihm nicht richtig; doch er kann vor den heranstürmenden Hunden nicht zurück; mit wilden Sätzen jagt er vorbei; da kracht das Gewehr, und er überschlägt sich, um nie wieder aufzustehen. Nun ertönt wieder ein Hornsignal – „Hahn in Ruh!“ Die Hunde sammeln sich nach und nach und werden gekoppelt, um sich etwas auszuruhen. Es geht zum Rendezvous.

Wer vorstehenden Schilderungen mit einigem Interesse folgte, wird einer Erklärung des höchst ansprechenden, nebenstehenden Bildes kaum bedürfen; da stehen und hocken vier Koppeln prächtiger Bracken und mustern mit ihren klugen Gesichtern das vor ihnen niedergelegte Jagdzeug; sie haben ihre Schuldigkeit gethan und erwarten den wohlverdienten Lohn, welchen der große Jagdranzen im Vordergrunde birgt. Begehrlichkeit und gute Dressur kämpfen in ihnen offenbar mit einander beim Anblick der ersehnten Erfrischung, und daß dies in dem Bilde so augenfällig und schön zur Darstellung kommt, ist eben das Verdienst des Künstlers.




Die „Ritter von der Straße“.

Aus dem Vagabondenleben der Vereinigten Staaten.

Landstreicher giebt es allenthalben auf der Welt, und selbst wenn sie von verschiedener Nationalität sind, gleichen sie in ihren Eigenschaften und Gewohnheiten einander so sehr, daß man sie beinahe als eine besondere Art der Gattung Mensch, bezeichnen könnte. Und doch unterscheidet sich der amerikanische Vagabond wesentlich von seinem überseeischen Cameraden; er ist kosmopolitischer, vielseitiger, unternehmender; er hat, als typische Gestalt genommen, eine reichere Vergangenheit und eine wechselvollere Gegenwart. Vor dem Secessionskriege war das Stromerthum in den Vereinigten Staaten eine ganz vereinzelte Erscheinung; in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren hat es sich zu einer wahren Landplage entwickelt. Während früher das Wort „tramps“ in dieser Bedeutung überhaupt nicht in unserem amerikanischen Vocabularium stand, ist jetzt der Tramp oder Strolch zu einer socialen Figur geworden.

Auch unter den Landstreichern in Deutschland kommen hin und wieder Personen vor, die sich einst in besseren, ja in glänzenden Verhältnissen befanden und die durch Unglück oder durch Selbstverschuldung,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_018.jpg&oldid=- (Version vom 17.12.2023)