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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)


wie in Berlin üblich; sie enthielten 4/5 Liter Gemüse mit einem Stück Fleisch für 15 Pfennig, oder 1 Liter Gemüse mit drei Stück Fleisch für 25 Pfennig, und ein Anschlag an der Wand bekundete, daß außer diesen das ganze Jahr hindurch gereichten Mittagsspeisen im Winter des Abends 4/5 Liter Suppe à 6 Pfennig oder 1/2 Liter Thee mit Zucker, Milch und Brödchen für 6 Pfennig verabreicht würden. Auch die Brödchen à 2 Pfennig waren täglich frisch aus Berlin geschickt worden, und erregten deren Wohlgeschmack und Größe ebenso das stets wiederholte Erstaunen, wie die vortrefflichen Speisen: Schmorkohl, Brühkartoffeln, Erbsen mit Sauerkohl, Linsen und Bohnen in Fleischbrühe, Milchreis, Bouillonreis, Reis und Pflaumen. Alle diese Gerichte wurden in einer Küche des Krystallpalastes vorbereitet und auf fünf Gasapparaten, die links eine Tafel einnahmen, fertig gestellt und warm gehalten. Zu gleichem Zwecke diente ein Grude-Ofen.

Das warme Essen wurde von Tausenden geprobt und erfreute sich größter Anerkennung; die Größe der Portionen schien bei der Billigkeit des Preises voraussetzen zu lassen, daß der Verein materielle Unterstützung erhalte, doch besagte das auf dem Tische aufgelegte Buch „Die Volksküchen, culturhistorisch-statistische Darstellung“, daß die Berliner Volksküche auf Selbsterhaltung basire und diese auch ohne alle Beiträge glänzend erzielt habe. Auf den Tischen standen auch die Wasserkrüge, Essigflaschen, Salz- und Pfeffernäpfe und andere in den Berliner Anstalten zur Benutzung kommende Geräthe, wie die Ruder, das Essen zu rühren, die Maßkellen etc. An den Wänden sah man die Sentenzsprüche zur Ermuthigung der Arbeiter und anderer Speisenden, ferner die Verhaltungsmaßregeln, das Verzeichniß der vierzehn Volksküchen in Berlin und das Menu. Die zweiundfünfzig Kochrecepte der Berliner Volksküchen, welche hier à 25 Pfennig verkauft wurden, waren schnell vergriffen.

Vertrat die Volksküche die gesunde, schmackhafte und billigste Massenspeisung, so sah man rechts auf einer Tafel kleine culinarische Meisterwerke als Schülerinnen-Arbeiten der Kochschule des Berliner Hausfrauenvereins, deren praktische Lehrmeisterin bemüht war, dem Publicum durch Vertheilen der Speisen zu zeigen, daß dieselben keine Schaugerichte waren, sondern eine strenge Prüfung auch des feinsten Geschmacks vertragen können.

An der Wand hingen Karten, welche den Geld- und Nährwerth der Speisen und die chemischen Umwandlungen derselben durch das Kochen andeuteten. Außerdem zeigte ein Torso, dem die vordere Oberhülle abgenommen war, die Organe der Verdauung und der Athmung. Endlich lagen auf einem Tische die von Frau Lina Morgenstern verfaßten Lehrbücher der Kochschule: das „Universalkochbuch für Gesunde und Kranke“, „Die menschliche Ernährung und culturhistorische Entwickelung der Kochkunst“ und „Praktische Studien über Hauswirthschaft“.

Dem Vernehmen nach ist diese Kochschule die einzige in Deutschland, welche systematisch außer dem praktischen Unterricht im Kochen, Backen und Braten, – theoretische Lehrstunden giebt in der Lehre vom menschlichen Organismus und seiner Ernährung, in der Nahrungsmittellehre, der Theorie der Kochkunst und Haushaltungskunde. Die Anstalt besteht seit fünf Jahren und bildete über 680 Schülerinnen aus. Am Ende jedes Quartals findet eine öffentliche Prüfung statt. Ausbildung erhalten in derselben Privat- und Hôtelköchinnen, Wirthschafterinnen und Lehrerinnen der Kochkunst, sowie solche Frauen und Mädchen, welche nur dem häuslichen Beruf dienen wollen.

Der Leser ersieht aus dieser Schilderung zur Genüge, daß die beiden Institute auf sehr festen Füßen stehen, und daß ihre nutzbringende Thätigkeit unsere vollste Anerkennung verdient.

Neben der Berliner Volksküche befand sich die Ausstellung der Gesellschaft „Carne pura“, welche die weniger bemittelten Volksclassen mit billigen aus Südamerika stammenden Fleischpräparaten versorgen will. Wir werden bei einer anderen Gelegenheit das neue und wichtige Unternehmen unsern Lesern ausführlich schildern.

Es ist sehr zu bedauern, daß die Volksernährung auf der Leipziger Ausstellung so schwach vertreten war, und der Wunsch ist mehr als berechtigt, daß man in Zukunft auf dieselbe mehr Nachdruck legen möge. Die nächste Gelegenheit hierzu wird sich auf der in diesem Jahre stattfindenden hygienischen Ausstellung in Berlin bieten, und alle Interessenten sollten die Beschickung derselben mit voller Kraft anstreben. Dasselbe gilt von der Küche für Kranke, die, wie gesagt, in Leipzig fast gar nicht vertreten war.

Die unteren Räume des Krystallpalastes waren schließlich mit Kochmaschinen und Geräten förmlich überfüllt, und namentlich die Universalküchenmaschinen fesselten die Aufmerksamkeit des Publicums. W. Hilmer aus Berlin brachte sehr praktische Schälmesser, die von Damen und Herren vielfach gekauft wurden. Auch Kochtöpfe und Mikroskope, Eis-, und Geldschränke, Wiege- und Hackstöcke, Fleisch- und Kaffeemühlen, kurz Alles, was mit der Küche irgendwie zusammenhängt, war hier in buntem Wirrwar zu schauen. Ja selbst eine „Schwester der Nähmaschine“ hat sich in diesen Saal begeben und stellte sich uns bei näherer Betrachtung als eine höchst praktische Waschmaschine vor. Eine genaue Beschreibung aller dieser Maschinen erfordert jedoch so viel Raum, daß wir hierauf in diesem Artikel verzichten und die Leserinnen, die sich für Küchenneuheiten interessieren, auf die nächsten „Zwanglosen Blätter“, die neue Beilage zur „Gartenlaube“, verweisen müssen. In diesen Räumen fanden wir auch die verschiedenartigsten Kochherde für große und keine Wirthschaften, unter denen namentlich die Ausstellungsobjekte von Paul Kretschmann in Leipzig und Gebrüder Demmer in Eisenach hervorgehoben zu werden verdienen.

Daß auch Bacchus und Gambrinus auf einer Kochkunst-Ausstellung nicht fehlen durften, ist wohl selbstverständlich. Das stärkere Geschlecht fand an diesen Ausstellungsstücken seine besondere Freude, und namentlich von dem Freibier wurde ein ausgiebiger Gebrauch gemacht. Auch „Schnäpschen“ wurden tapfer probirt, und noch am letzten Tage der Ausstellung trug ein verspäteter Ausstellungsbesucher, ein ehrwürdiges bemoostes Haupt, eine Flasche Aepfelwein-Champagner zu 1,75 Mark von der bekannten Leipziger Firma C. W. Kämpf als Siegestrophäe langsamen Schrittes davon.

Nun aber bedeckte in Folge des durch die Besucher aufgewirbelten Staubes eine dicke schwarze Kruste alle die Küchenherrlichkeiten; die blumengezierten Blöcke des Kunsteises, welche Adolf Schütte-Felsche aus Leipzig, die Firma des bekannten Café Français, ausgestellt hatte, waren auf dem vollständigen Einschmelzungspunkte angelangt, und es war die höchste Zeit, die Ausstellung zu schließen.

Die Idee, solche Schaustellungen zu veranstalten, erwies sich in Leipzig wiederum zeitgemäß und lebenskräftig, und dem „Deutschen Gastwirthsverbande“ gebührt der Dank und Ruhm, sie angeregt zu haben. Das Gelingen und die glückliche Durchführung des Unternehmens verdanken wir aber der opferfreudigen und umsichtigen Thätigkeit des Leipziger Central-Comités; es darf mit Stolz auf sein Werk zurückblicken; denn es ist ihm gelungen, mehr als 50,000 Personen in vier Tagen die Herrlichkeiten der deutschen Küche vor Augen zu führen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_150.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2023)