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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Kleine Bilder aus der Gegenwart.

Nr. 1.0 Der „Munk-Affe“.

Wohl hat es Affen gegeben, die, in den Käfigen unserer zoologischen Gärten zur Schau ausgestellt, in kurzer Zeit Lieblinge des Publicums wurden. Die Lebensschicksale dieser Bevorzugten des Affengeschlechtes wurden von der Presse mit besonderer Sorgfalt aufgezeichnet, und die Blätter brachten oft Bulletins über die Erkrankung eines solchen Thieres und meldeten gewissenhaft den Eintritt seines Todes.

Aber keinem dieser drolligen Gäste unseres nördlichen Klimas wurde bis jetzt die Auszeichnung zu Theil, daß ein Minister ihn in den Verhandlungen eines Parlaments genannt hätte. Der Hundskopfpavian des Berliner Aquariums ist in dieser Weise zum ersten Male ausgezeichnet worden. Als es sich nämlich darum handelte, die Vivisection vor den Angriffen unberufener Leute in Schutz zu nehmen, wurde im Landtage von dem preußischen Cultusminister auch dieser Affe erwähnt, und seit jener Zeit ist er weit und breit unter dem Namen des „Munk-Affen“ bekannt geworden.

Welcher Art ist nun das Verdienst dieses Thieres? Hat er etwa irgend eine That verrichtet, die wie einst das Geschnatter der kapitolinischen Gänse den Staat aus der höchsten Gefahr rettete? Mit nichten! Das, wodurch dieser Affe zur Berühmtheit gelangte, hat er gemeinsam mit vielen anderen Seinesgleichen ertragen müssen, denn sein Verdienst ist durchaus leidender Natur. Das Thier wurde von dem Berliner Professor Hermann Munk zu einer Reihe von Versuchen benutzt, welche die Lösung der wichtigen Frage über die Thätigkeit des Gehirns erstrebten. Es wurde ihm der Schädel geöffnet, es wurden ihm einzelne Gehirnpartien herausgeschnitten und nach erfolgter Beobachtung der in Bethätigung seines Sinnen- und Empfindungslebens erfolgten Veränderungen ward der Affe geheilt und dem Berliner Aquarium geschenkt. Hier lebt er nun in voller Affenlust und erfreut sich einer so vortrefflichen Gesundheit, daß Niemand von selbst auf den Gedanken kommen würde, daß diesem Vierhänder ganze Theile seines Gehirns entfernt wurden.

Aber nicht allein dieser Pavian, sondern eine große Anzahl anderer Affen und Hunde wurde geopfert, bevor die Wissenschaft neue Eroberungen machen konnte, die entschieden zu dem Hervorragendsten gehören, was seit Jahrhunderten über die Thätigkeit des Gehirns behauptet und geschrieben wurde.

Der „Munk-Affe“ im Berliner Aquarium.
Nach dem Leben gezeichnet von G. Mützel.

Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts war die Meinung verbreitet, daß man das Großhirn als den Sitz des Willens und der Wahrnehmungen annehmen müsse, man glaubte aber dabei auf Grund der von dem französischen Forscher Flourens angestellten Versuche, daß nicht bestimmte Theile des Großhirns für bestimmte Wahrnehmungen eingerichtet seien, sondern daß jedes Empfinden und Wahrnehmen in beliebigem Theile des Gehirns entstehen könne.

Da fanden im Jahre 1870 die Aerzte Fritsch und Hitzig, daß in der grauen Substanz, welche das Großhirn umkleidet und gewöhnlich dessen Rinde genannt wird, es Stellen gäbe, die, sobald man sie durch einen elektrischen Strom reize, gewisse combinirte Muskelzuckungen der gegenüberliegenden Körperhälfte hervorrufen. Sie entfernten hierauf jene Partien der Großhirnrinde, und nun stellten sich in den durch jene Muskelzusammenziehungen bedingten Bewegungserscheinungen der Thiere (z. B. Bewegen der Vorderpfoten) gewisse Störungen ein.

Diese Versuche wurden von den beiden genannten Forschern und unter Anderem auch vom Professor H. Munk fortgesetzt, bis es gelungen war, folgende Thatsachen festzustellen:

Die Großhirnrinde zerfällt, gleichmäßig an ihren beiden Hälften, in eine Anzahl verschiedener Gebiete, deren jedes einem bestimmten Sinne zugehört, und zwar der Art, daß in den einzelnen Gebieten die betreffenden Empfindungen und Wahrnehmungen dieses Sinnes zu Stande kommen. In der Rinde des Hinterhauptlappens hat die Lichtempfindung, die Gesichtswahrnehmung, statt; ist diese Rindenpartie, die man Sehsphäre nennt, beiderseits entfernt oder zerstört, so ist das Thier vollkommen blind, obwohl das Auge sehen kann. In der Rinde des Schläfenlappens kommt es zur Schallempfindung, zur Gehörswahrnehmung; beiderseitige Zerstörung dieser Hörsphäre bringt die Taubheit des Thieres mit sich. Unterhalb der Hörsphäre ist das Centralorgan des Geruchssinnes gelegen. Von der größten Ausdehnung ist schließlich diejenige Rindenpartie, welche zu dem Gefühlssinne des Körpers in Beziehung steht, in welcher die Hautgefühle, die Muskelgefühle und die Anregungen zu Muskelbewegungen zu Stande kommen, und diese Fühlsphäre erstreckt sich über den Scheitellappen und Stirnlappen. Nur die Schmecksphäre ist bis jetzt noch nicht aufgefunden.

An diese Entdeckungen knüpfte sich eine Reihe anderer höchst wichtiger Beobachtungen. Ein Thier, dem ungefähr die mittleren Partien beider Sehsphären abgetragen sind, ist seelenblind, das heißt es sieht alles, erkennt aber nichts, was es sieht. Erst mit der Zeit lernt das Thier wieder, gerade wie in seiner Jugend, das Gesehene kennen, da alsdann die angrenzenden Rindenpartien für die zerstörten eintreten, ein Umstand, durch den die volle Gesundheit des Pavians im Berliner Aquarium erklärt wird. Daß durch diese Erfahrungen nicht allein unser Wissen bereichert, sondern auch in manchen Fällen die Heilung schwerer Gehirnkrankheiten an Menschen ermöglicht wurde, das ist schon in der oben erwähnten Rede des Cultusministers in klarster Weise dargestellt worden.

An diesem kleinen Bilde aus der Gegenwart lernen wir zunächst, wie wichtig die Vivisection für die Wissenschaft ist und wie nur Unkenntniß gegen dieselbe aufzutreten vermag. und wenn wir schließlich den lustigen Pavian ansehen, wie er seinem früheren Herrn bei dessen ziemlich häufigen Besuchen im Berliner Aquarium die „Hand“ freudig entgegenstreckt, um allerlei Leckerbissen zu empfangen, so muß es uns auch klar werden, daß jene Behauptungen von der Rohheit und Grausamkeit der ernsten wissenschaftlichen Vivisectoren rein aus der Luft gegriffen sind. v. J.     




erwählt: Herrn Botaniker F. Teusz und Herrn Architekt P. Gierow, Beide aus Berlin. Ersterer hatte Herrn Major von Mechow bei seiner Erforschung des Kuangolaufes, letzterer Herrn Ingenieur Schütt auf seinem mehr nach Osten gerichteten Zuge begleitet. Während ich Herrn Gierow mit besonderen Aufträgen an der Küste zurückließ, nahm ich Herrn Teusz mit mir und hatte ihn auf allen meinen Wanderungen nach dem Inneren als einzigen, aber ausgezeichneten Gefährten in guten und schlimmen Stunden zur Seite. Herr Teusz verweilt gegenwärtig noch in Centralafrika.

Meine Karawane zählte nicht viele, aber erlesene Leute und führte, um größter Beweglichkeit willen, nur das Nothwendigste mit sich. Als Träger hatte ich zur Verfügung siebenzehn Sansibari von der Ostküste, darunter mehrere Veteranen Stanley’s, und drei Cabindaleute, die, als die ersten ihres Stammes, mit mir nach dem Inneren zu gehen wagten. Außerdem waren mit uns noch zwei zu persönlichen Dienstleistungen bestimmte Knaben der Loangoküste und der Sohn eines unweit Vivi, der von Stanley gegründeten ersten Station am Congo, residirenden angesehenen Häuptlings. Er war mir vom Vater anvertraut, da ich den ungemein intelligenten,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_325.jpg&oldid=- (Version vom 10.1.2024)