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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

bedienen, wozu sie die Lärminstrumente, die Rasseln, Klapperhölzer und Klapperstöcke, die Schnarren, Pauken und Trommeln benutzen, zu dem rohen Geräusche, sagen wir, tritt als erstes bildendes Element der Rhythmus hinzu, der zunächst in dem tactmäßigen Klatschen mit den Händen besteht, wie wir es heutzutage noch bei den Tänzen der Eingeborenen Amerikas und denen anderer Naturvölker, wie sogar auch noch bei der von den Völkern des Kaukasus getanzten Lesghinga beobachten können.

Selbst bei den primitivsten Blasinstrumenten, die man am frühesten aus Rohr, Muscheln, Hörnern und bei weiterer Entwickelung aus Thon hergestellt hat, wie man sie noch heutzutage auf den Inseln der Südsee und bei den Völkern Afrikas finden kann, fängt das Geräusch schon an in einen Klang überzugehen, welcher durch die Wahrnehmung, daß gespannte Saiten, in Schwingung versetzt, Töne von sich geben, mit anderen Klängen zum Zusammenklingen benutzt wird. In diesen Lärm- und Klanginstrumenten niedrigster Art, wie sie in den frühesten Zeiten und bei den rohesten Naturvölkern vorkommen, haben wir die Vorbilder für alle unsere modernen Musikinstrumente, die im Wesen durchaus auf jenen beruhen, noch heute dieselben Kategorien aufweisen und sich vor diesen nur durch ihre freilich oft erstaunliche Vervollkommnung auszeichnen.

Alle diese Arten von Instrumenten waren nun in reicher Auswahl auf der erwähnten Ausstellung vertreten, sodaß man sich ein treues Bild von den musikalischen Genüssen der sogenannten „Wilden“ machen konnte.

Da finden wir Trompeten aus Muscheln, Trommeln und Pansflöten von den Fidschi-Inseln, von Neu-Irland, Neu-Seeland und von verschiedenen anderen Eilanden der Südsee; nächst den Maracas, den Rasseln der Eingeborenen Venezuelas, den Klappern und Trommeln der eingeborenen Bevölkerung Amerikas, welche bei deren Tänzen Verwendung finden, wohl die am wenigsten ausgebildeten Musikinstrumente.

Die Panspfeife und die Flöte sind bereits höhere Errungenschaften, aus der Wahrnehmung hervorgegangen, daß es Töne verschiedener Höhe giebt und daß solche durch Pfeifen von größerer oder geringerer Länge, sowie durch Röhren mit Tonlöchern hervorgebracht werden können, wodurch zugleich die Möglichkeit, eine Melodie zu spielen, gegeben ist. Ein Gleiches gilt auch von den Saiteninstrumenten, hier entspricht die Harfe der Panspfeife, ihr schließt sich die Lyra mit ihren gleich langen, aber verschieden gespannten Saiten an, während die Guitarre und Laute das Seitenstück zur Flöte bilden, indem durch Verlängern oder Verkürzen der Saiten mit den Fingern Töne von verschiedener Höhe erzeugt werden. So ist, wie Ambros ganz richtig bemerkt, das Vorkommen von Harfen, Lyren und Lauten ein Kennzeichen, daß der Standpunkt roh naturalistischen Musikmachens[WS 1] überwunden und eine musikalische Cultur erreicht sei.

Bei der amerikanischen Urbevölkerung werden, wie bei den Südsee-Insulanern, nur Schlag- und Blasinstrumente gefunden, Saiteninstrumente sollen bei den wilden Indianern, die noch nicht mit europäischer Cultur Bekanntschaft gemacht haben, fast gar nicht vorkommen; nur die Apaches haben den Harpan – es ist dies ein spanischer Name – mit einer Saite, mit welchem sie ihre Gesänge begleiten. Die auf der Ausstellung befindlichen Guitarren der Eingeborenen von Bolivia und Venezuela, so merkwürdig sie auch sind, namentlich die, bei welchen der Körper aus dem Rücken des Gürtelthieres gefertigt ist, sind daher doch nicht ursprünglich amerikanisch, sondern durch westliche Einflüsse bedingt.

Höher als die amerikanischen Völker und die Völker der Südsee stehen in musikalischer Beziehung die Eingeborenen Afrikas und zwar von West-, wie von Ost-Afrika, die Bantu- und Sudan-Neger, wie auch die hamitischen Völker des Ostens. Außer den Schlag- und Blasinstrumenten, den Trommeln und Hörnern, zu welch letzterer Gattung von Musikinstrumenten auch die Stoßzähne des Elephanten, oft kunstvoll geschnitzt, wie auf der Ausstellung zu sehen war, verwendet werden, findet man nun hier auch die Harfe und Lyra, sowie die Marimba, bei welcher verschieden gestimmte Holzstäbchen durch Anschlägen in tönende Schwingungen versetzt werden.

Nur anführen wollen wir noch von den Naturvölkern die Bewohner der nördlichen Polargegenden, die Eskimos, Lappländer und die verschiedenen tatarischen Stämme mit ihren Zaubertrommeln, die mehr als Lärm-, denn als Musikinstrumente dienen.

Den Uebergang von den Natur- zu den Culturvölkern bildeten auf der Ausstellung die Siamesen und Malayen, welche mehrfach schon von europäischer Bildung beleckt sind, wie die Streichinstrumente, verschiedene Arten von Geigen, Bratschen und Celli von Paraken Salak auf Java beweisen, denen unsere gleichnamigen Instrumente unbedingt zum Vorbild gedient haben, wenn sie auch abgeändert worden sind.

Die Chinesen und Japaner eröffnen den Reigen der Culturvölker, jene zwar origineller, aber auch primitiver, diese weniger ursprünglich, dafür aber entwickelter. Dem Charakter dieser Völker entsprechend ist auch deren Musik. Sie besitzen bereits eine ausgebildete Theorie, sowie eine Notirung, nichtsdestoweniger entsprechen deren künstlerische Productionen nur sehr wenig unserem Geschmacke. Obgleich sie überaus phantastisch sind, so mangelt doch den Chinesen wie den Japanern Gemüth und Phantasie; sie sind reine Verstandesmenschen und in Folge davon ist die Musik bei ihnen auch mehr Wissenschaft, oft scharfsinnig ausgedacht und der Feinheiten nicht ermangelnd, als eine wahre, die Bedürfnisse des Herzens befriedigende Kunst.

Wie alles bei diesen Völkern nach gewissen Doctrinen geht, so bestehen auch für die Musikinstrumente ganz bestimmte Vorschriften, die Gesetzeskraft haben. Auch sie gliedern sich in die schon erwähnten drei Kategorien: in die Schlaginstrumente sowohl aus Metall wie Holz mit Fellbezügen gemacht, in die Blasinstrumente und in die Saiteninstrumente. Complicirtere Instrumente mit Ventilen, Klappen und Claviaturen giebt es weder in China noch in Japan.

Da finden wir in China als das primitivste Instrument die Klapperbrettchen, ferner Pauken und Trommeln, denen mehr Lärm und Geräusch als Töne entlockt werden, weiter Glocken und das wegen seines schönen vollen Tones allerwärts bekannte und bei unseren Theatern viel verwendete Gong oder Tam-Tam, das herzustellen uns bis jetzt noch nicht gelungen ist. Auch klingende Steine, welche reihenweise aufgehängt und mit einem Klöppel geschlagen werden, werden in China zur Hervorbringung von Tönen und als Musikinstrument, „King“ genannt, benutzt. In der Provinz Leang-tscheu giebt es einen solchen Klingstein von ganz besonderer Güte, welcher für so edel und vornehm gehalten wird, daß auf dem aus ihm gefertigten Instrumente, dem „Nio-Kong“, nur der Kaiser spielen darf.

Flöten werden in China aus Bambus hergestellt. Es giebt deren verschiedene Arten; auf einer Flöte kann man immer nur in einer und derselben Tonart blasen, für eine andere Tonart muß man eine andere Flöte nehmen. Auch eine Art von Trompete mit Zungenmundstück, im Tone ähnlich dem unserer Oboe, giebt es.

Die Saiteninstrumente sind sehr verschieden, da giebt es harfen-, guitarren-, lauten- und geigenähnliche mit Saiten aus gedrehter Seide und mit Bezug aus Messingdraht; auch eine Schlagcither kommt vor, das Urvorbild für unser Clavier.

Hinsichtlich der japanischen Musik gilt ganz dasselbe, was wir überhaupt bei allen Aeußerungen geistiger Thätigkeit der Japaner finden, nämlich wie auf allen anderen Gebieten, in Wissenschaft und Kunst, in Industrie und Gewerbe, überhaupt bei allen Erscheinungen der Cultur, so auch hier wenig Urwüchsiges. Das Meiste ist fertig und größtentheils schon hoch ausgebildet aus China und Korea nach Japan eingeführt worden, wo es anfangs mit großer Sorgfalt auf’s gewissenhafteste aufbewahrt, später aber vielfach verändert, verbessert, weiterentwickelt, mitunter aber auch verschlechtert worden ist.

So sind auch die japanischen Musikinstrumente nur Abkömmlinge der chinesischen, die zum Theil ganz in der ursprünglichen Form beibehalten worden sind, wie das Geking, eine Art Guitarre mit Stimmfeder. Auch die japanische „Koto“ ist dem „Kin“, der chinesischen Harfe, die japanische „Biwa“ der chinesischen Laute sehr ähnlich.

Die vom „Museum der Völkerkunde“ zu Leipzig auf der Ausstellung vorgeführte Sammlung japanischer Musikinstrumente war eine ganz vollständige und dürfte, was den Reichthum und die Pracht der Ausstattung der Gegenstände anbelangt, in Europa einzig dastehen. Es sind seltene kostbare Stücke, von auserlesener Arbeit und hohem Werthe, welche dem kaiserlichen Hofe in Tokio angehört haben und von diesem zu Paris auf der Weltausstellung des Jahres 1878 in der japanischen Abtheilung nur ganz kurze Zeit zu sehen waren, wo sie allgemein bei den Beschauern Bewunderung

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Mnsikmachens
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_358.jpg&oldid=- (Version vom 1.6.2023)