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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

beleuchteten Festhalle zum Festcommers vereinigten, den das Comitémitglied S. Steinberg mit einem Hoch auf den deutschen Kaiser, den obersten Kriegsherrn, eröffnete. Das zweite Hoch brachte in begeisterter Rede der Hofrath Dinckelberg auf die gastfreie Feststadt aus. Er schloß: „Unsere liebenswürdige Gastgeberin, die alte Stadt Hamburg, die Vorkämpferin des Deutschthums im Auslande, die Schützerin deutschen Wesens an den Nordküsten des Reiches – hurrah! hurrah! hurrah!“

Dann folgte ein Kriegssalamander, den allerdings ein commentgläubiger deutscher Student höchst seltsam finden und nur widerwillig mitreiben mußte.

Den weiteren Theil des Abends füllten patriotische Reden, deren Wortlaut jedoch größtentheils in dem sich allmählich entwickelnden Trubel unverstanden blieb, und deutschthümliche Lieder, unter denen „Schleswig-Holstein meerumschlungen“ und „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“ hervorragende Stellen behaupteten. Dabei wurde natürlich das Poculiren nicht vergessen Die deutschen Krieger erwiesen sich in dieser Beziehung als würdige Nachkommen ihrer alten Vorfahren, die in grauer Vergangenheit, als die christliche Zeitrechnung erfunden wurde, auf ihren Bärenhäuten auf beiden Ufern des Rheines lagen. Sie machten es wie diese und tranken immer noch Eins. „Zum Abgewöhnen,“ sagt der vorsichtige Zecher. Auf dem Festplatze aber herrschte noch bis spät in die Nacht hinein buntes Leben und Treiben.

Damit schloß der erste und mit ihm der Haupttag des Festes.

Am Montag und Dienstag, die diesem Haupttage folgten, wurde das Festprogramm in getrennten Gruppen erledigt. Ein Theil der Gäste probirte in Barmbeck auf dem Schützenhofe vor den Schießständen von Neuem in allerdings friedlicher Weise die alte Kunst, die Kugel des Rohres sicher in’s Ziel zu senden. Hier war es nur das Schwarze der Scheibe; einst war jenes Ziel das Herz des Feindes. Den besten Schützen winkten gleißende Ehrenpresse, die man in der Festhalle im Gabentempel verlockend zur Ansicht gebracht hatte (Nr. 4). Hier erwähnen wir auch der Festdenkmünze, welche in Nr. 5 dargestellt ist. – Ein anderer Theil der Festgenossen besah sich die vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt, während die Delegirten der vertretenen Kriegervereine in der „Ernst Merck-Halle“ des Zoologischen Gartens sich zum ernsten Rath versammelten. Was dort besprochen wurde, gehört nicht mehr in den Rahmen dieses Artikels. Wieder Andere unternahmen lohnende Elbfahrten durch den mit Seeschiffen besetzten Hafen den breiten Strom hinunter, den Segel aller Nationen beleben. Auch dorthin hat unser Zeichner die Gäste begleitet und in der oberen Ecke unseres Bildes (Nr. 4) werden wir auf den Elbstrom versetzt, wo im Hintergrunde ein Stück der gigantischen Eisenbahnbrücke zu sehen ist, die beide Ufer der Elbe mit einander verbindet. Den Schluß des Festes bildeten Fahrten nach Helgoland, nach Kiel und dem deutschen Reichskriegshafen.

Die Tausende von deutschen Kriegern, die sich nach den froh verlebten Tagen wieder nach allen Seiten in die Heimath zerstreuten, werden hoffentlich allesammt neu gestärkt sein im Gefühl der alten Kameradschaft, und damit ist der Zweck des Festes erreicht. Das deutsche Reich, das unter den Staaten Europas emporragt in majestätischer Schöne wie ein gothischer Tempelbau, hat viele Neider und Feinde, und wer weiß, wie bald es wieder roth aufzuckt am Horizont in blutigen Flammen! Wer weiß, wie bald von Neuem die Trommel auf den Gassen ruft zu Krieg und Streit! Dann aber gilt es, wie zu jeder Zeit, Schulter an Schulter einzustehen für das heilige Land der Väter; einträchtig wie Brüder, denn die Eintracht macht stark.




Eine wenig Beachtete.

Wer an warmen Frühlings- oder Sommertagen an einem Teich oder Bach vorbeiging, der hat sich gewiß gefreut über das Leben und Treiben der zierlichen Wasserjungfern, die mit ihren schlanken blaugefärbten Leibern in anmutigen Bewegungen über bunte Blumen und zwischen hochgeschossenem blühendem Grase dahinschwirrten. Unbemerkt aber bleibt von den Meisten eine etwas entfernte Verwandte dieser schillernden Libelle, die nicht gleich ihr im Sonnenlichte tanzt, sondern während des Tages in unscheinbarem, einfarbigem Gewand mit anliegenden Flügeln still dasitzt an den Halmen des Röhrichts und der Binsen, oder an den Zweigen des niederen Erlen- und Weidengebüsches. Dies ist die eine oder andere der in Deutschland in mehreren Arten vorkommenden Köcherjungfern (Phryganeodea).

Erst gegen Abend, wenn die Sonne von Wasser- und Wiesenflächen gewichen, wenn die Dämmerung beginnt sich langsam auf Wasser und Wiesenflur zu senken, wenn der schmetternde Vogelgesang des Tages verstummt und nur der gleichförmige Ruf der Wachtel aus nahegelegenen Feldern vernehmbar ist, da verläßt dies einfach gefärbte und besser zur Dämmerung als zum hellen Lichte des Tages passende Insect das Plätzchen, an welchem es den Tag über fast regungslos gesessen, um die Flügel auszubreiten und lautlos dahinzufliegen über Wasserspiegel und Wiesenflur.

Und doch bietet das stille Leben dieses unscheinbaren Geschöpfes dem fleißigen Beobachter der Natur soviel des Interessanten, daß es sich wohl verlohnt, auch weitere Kreise auf das Treiben dieser Wassermotten aufmerksam zu machen.

Ihre Larve schwimmt nicht wie andere im Wasser lebende Insectenlarven, wie z. B. die der Libellen und Wasserkäfer, frei umher, sondern sie erbaut sich aus verschiedenen ihr erreichbaren Stoffen ein köcherartiges Häuschen, in welches sie sich jederzeit zurückziehen und sich so vor Gefahr schützen kann. Dieser Eigenthümlichkeit der Larve verdankt das Thier seinen Namen „Köcherjungfer“.

In den Frühlingsmonaten findet man die kleinen sonderbaren Gehäuse dieser Thiere fast in allen Teichen und Wassergräben, auch in Bächen, theils an der Oberfläche schwimmend, theils auf dem Boden dahin kriechend. Die Gestalt und noch mehr die verwandten Baustoffe der Gehäuse weichen ziemlich von einander ab, denn die Größe des Hauses wird bestimmt durch die Art, welcher die Larve angehört. Bei der Wahl des Baumaterials richtet sich das Thier natürlich nach dem, was die Oertlichkeit bietet. In schilfbewachsenen Teichen sind es hauptsächlich keine Röhrichtstücke, in Bächen die in’s Wasser gefallenen Rindentheile von Erlen, die zur Verwendung kommen, in Wiesengräben werden kleine, von den Thieren teilweise selbst zugeschnittene Blatttheile von Wassersternen, Wasserminzen und ähnlichen Pflanzen benutzt. Mitunter sind auch kleine Muscheln und Wasserschnecken am Gehäuse befestigt. Manche Arten bauen ihre Köcher nicht aus Pflanzenstoffen, sondern aus kleinen Steinen und Sandkörnern. Die verschiedenen aus vegetabilischen Stoffen erbauten Wohnungen bilden fast ausnahmslos eine beinahe cylinderförmige, an beiden Enden offene, hinten indessen etwas enger verschlossene Röhre, welche inwendig mit einem starken seidenartigen Stoff, ähnlich dem, welchen die Raupen unserer Nachtfalter beim Verpuppen bilden, ausgekleidet ist.

Einige der Arten, welche Sand und Steinchen verwenden, bauen ein kleines nur wenige Millimeter langes Gehäus in Form eines kunstvollen Hörnchens. Das links auf unserer Abbildung (S. 512) dargestellte Gehäuse, welches aus Tennessee in Nordamerika herstammt, wurde sogar lange Zeit für das Erzeugniß einer Schnecke gehalten, während es in der That von einer Köcherfliege, Helicopsyche Shuttleworthi, gebaut wird.

Das eigenthümliche Leben aller dieser kleinen Hausbesitzer läßt sich nun am besten beobachten, wenn man dieselben mit nach Hause nimmt und in’s Aquarium setzt. Hier bemerkt man alsbald, wie aus dem kleinen Gehäuse ein Kopf und nach und nach sechs Beine hervorkommen, wie die grünlich gefärbte Bewohnerin desselben bemüht ist, sich durch Rudern fortzuarbeiten, wie sie sich bei drohender oder vermeintlicher Gefahr in ihr Haus zurückzieht und dasselbe langsam zu Boden sinken läßt, nach kurzer Zeit aber wieder heraufsteigt, um die Blätter und Ranken der Wasserpflanzen zu erreichen, sich an denselben festzuklammern und sie zu benagen. Dadurch richten freilich die Larven der Köcherjungfern im Aquarium ziemliche Verheerungen an, denn Wasserpflanzen bilden, wie es scheint, ihre einzige Nahrung. Dazu nagen sie an denselben oft ganze Aestchen durch und erlangen in dieser Zerstörungsarbeit, dank ihren am Kopf befindlichen Zangen, bald ziemlich beträchtliche Resultate.

Im übrigen lassen sie alle Mitbewohner unbehelligt, und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 503. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_503.jpg&oldid=- (Version vom 10.1.2024)