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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)


Kleine Bilder aus der Gegenwart.

Nr. 7. 0Bei J. Wickersheimer.

„Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
Mit Instrumenten vollgepfropft —“

ist das eigenartige Laboratorium, in welches wir heute unsere Leser einzuführen gedenken. Eine sonderbare Kunst wird in seinen Räumen ausgeübt, die Kunst, abgestorbenen Thieren und Pflanzen ein möglichst lebensfrisches Aussehen für möglichst lange Zeit zu verleihen. Aber diese Kunst ist selbstverständlich keine Schwarzkunst; den Zauberstab vertritt hier das einfache Recept, welches also lautet:

„In 3000 Gramm kochenden Wassers werden 100 Gr. Alaun, 25 Gr. Kochsalz, 12 Gr. Salpeter, 60 Gr. kohlensaures Kali und 10 Gr. arsenige Säure aufgelöst. Zu je 10 Liter der erkalteten und filtrirten Lösung werden 4 Liter Glyzerin und 1 Liter Methyl-Alkohol zugesetzt.“

Das ist die bekannte Wickersheimer’sche Konservirungsflüssigkeit, wie der „Reichs-Anzeiger“ seiner Zeit ihre Zusammensetzung veröffentlicht hat, und wir befinden uns in dem Laboratorium des Präparators und Conservators am anatomischen Institut der Berliner Universität J. Wickersheimer, dessen epochemachende Erfindung im Jahre 1879 das deutsche Reich angekauft und zum allgemeinen Besten der Oeffentlichkeit übergeben hat.

Bei J. Wickersheimer.
Originalzeichnung von E. Höppner.

Wozu diese Flüssigkeit dient, das wissen unsere Leser bereits aus einem früheren Artikel der „Gartenlaube“ (Jahrg. 1879, Nr. 22). Mit ihrer Hülfe werden Thierleichen und Pflanzen vor Verwesung geschützt, wobei sie, im Gegensatz zu allen anderen Konservierungsmethoden ihre ursprüngliche Weichheit, Biegsamkeit und Farbe beibehalten. Die Erwartungen, welche man damals an diese Erfindung knüpfte, haben sich vollständig erfüllt.

J. Wickersheimer hat sich auch in letzter Zeit einen einfachen Apparat construiren lassen, an welchem er genau beweisen kann, daß die inneren Organe der von ihm conservirten Thierleichen wirklich ihre Elastizität beibehalten. Auf unserer Abbildung ist der geschickte Präparator dargestellt, wie er gerade im Begriffe steht, das Experiment seinen Zuschauern vorzuführen.

Auf dem Tische liegt ein bereits vor zwei Jahren mit der Conservirungsflüssigkeit präparirtes Zicklein. In die Luftröhre desselben wird ein Schlauch eingeleitet, welcher wiederum mit der unter dem Tische sichtbaren, durch Wasserkraft getriebenen Maschinerie in Verbindung steht. Setzt man nun den mit einem Blasebalg versehenen Apparat in Bewegung, so tritt durch den Schlauch die Luft in regelmäßigen Zeitabschnitten in die Lunge des Zickleins ein, und man sieht, wie der Brustkorb sich genau wie beim lebenden, athmenden Thiere senkt und hebt.

Naturgemäß hat sich in dem Maße, wie die Erfindung in weiteren Kreisen Eingang gefunden, auch die Zahl derer, welche sich Rath und Hülfe bei Herrn Wickersheimer holen, vergrößert. Nicht allein „Leute vom Fach“, wie Mediciner, Zoologen, Botaniker, Chemiker, gehören zu diesem Kreise, auch Private, Liebhaber und Sammler, kommen mit ihren Wünschen. Dieser will ein Hirschgeweih mit der die Wurzeln desselben umgebenden Stirndecke nebst Haut und Haar erhalten wissen, jener sich einige Lieblingswürmer und Käfer conserviren lassen u. dergl. m.

Aber auch eine höhere Mission war der Erfindung noch beschieden; ich meine die außerordentlichen Vortheile, die sie den Malern von Thier- und Stillleben gewährt. Die namhaftesten Meister, wie Paul Meyerheim, A. Hertel, Grönland und viele andere, sind längst in regen Connex zu Herrn Wickersheimer getreten, und bald ist es ein Schwan, bald ein schon etwas anrüchiger Kranich, oder Meister Reinecke, auch wohl Freund Lampe, welchen ein Bad in dem Lebenselixir von nöthen, und welche dann, gestählt zu mehrwöchentlichem Modell-Liegen, einzeln, in Gruppen oder mit dem nötigen Kohl garnirt, irgend ein Stillleben verherrlichen helfen.

Durch neue Modificationen der Flüssigkeit ist es Herrn Wickersheimer gelungen, auch ganz große Organismen, wie Pferde, zu imprägniren. So hat er vor Kurzem für den Bildhauer Professor Siemering (Berlin) zu dem für Dresden bestimmten Denkmale den Schimmelhengst Sultan, welchen Kaiser Wilhelm in vielen Schlachten geritten, in eine lebensvolle Stellung bringen und imprägniren müssen, worauf ein vorzüglicher Abguß des Schlachtrosses angefertigt werden konnte. Dies ist in der That eine bedeutende Errungenschaft, die im Vergleich zu dem bisherigen Modelliren nach dem unruhig stehenden lebenden Thiere gar nicht hoch genug anzuschlagen ist. Die von vielen Tagesblättern gebrachte Notiz, bezüglich der geplanten späteren Überführung des „Sultan“ nach dem Hohenzollern-Museum, entsprang vermuthlich der blühenden Phantasie eines Combinations-Reporters. Bezweckt war nach Herrn Wickersheimer’s Aussage thatsächlich nur der erwähnte Abguß, und, nachdem das Fell entfernt, ein nochmaliger Abguß der Muskellagen in eben derselben, kraftvoll schreitenden Stellung des Pferdes, und dieser Zweck ist vollkommen erreicht.

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß Herrn Wickersheimer von vielen Industriellen Vorschläge und Anerbieten gemacht worden sind und noch werden, um Lebensmittel (Wein, Bier, Fleisch etc.) für längere Transporte zu präpariren. Diese Errungenschaft dürfte für Export und Import eine nicht zu unterschätzende Bedeutung erlangen, jedoch hat sich Herr Wickersheimer nähere Mittheilungen hierüber noch vorbehalten, um erst nach Abschluß der Versuche und Unterhandlungen mit der vollendeten Thatsache in die Oeffentlichkeit zu treten.


Ameisenpuppen. Mittelgroße Papageien, die sogenannte Perikiten, versorgt man ebenso, doch mit Zugabe von etwas Hanfsamen.

Alle australischen Prachtsittiche, von den kleinen Schönsittichen bis zu den größten Arten der Plattschweifsittiche hinauf, werden hauptsächlich mit Kanariensamen, Hirse, Hafer und die größten unter Zugabe von Hanfsamen ernährt. Zur Zucht bekommen sie dieselben Zugaben wie die Zwergpapageien, sodann aber auch erweichtes Eierbrod oder Biscuit.

Die großen sprechenden Papageien, der Graupapagei, die Amazonen und alle ihre Genossen, sollte man nur mit Hanfsamen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 701. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_701.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2023)