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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

breite Bett, aufquellend, als wollte die Masse überkochen, und in allen Richtungen wirbelnd und kreisend. Hin und wieder geschleudert und nicht im Stande, für zwanzig Meter einen geraden Curs zu steuern, erreicht endlich der Dampfer unterhalb eines Felseneilandes eine ruhigere Ausweitung des nördlichen Ufers, wo der Lufu einmündet. In dieser Bucht halten sich gelegentlich noch einige Hippopotamen auf und mehrere vollwüchsige, sehr scheue Krokodile haben daselbst ihr Standquartier.

Zur Zeit des Hochwassers läuft der Dampfer in eine oberhalb des Eilandes gelegene winzige Bucht ein: Belgique Creek, wo auch Tuckey einst seine Boote befestigte und von wo er seinen unheilvollen, in Anbetracht der Verhältnisse jedoch außerordentlich erfolgreichen Marsch antrat, auf welchem er weit über Isangila hinaus gelangte und von dort an den Congo wieder schiffbar fand. Da der Landungsplatz schon benannt war, haben wir seinem Gedächtnisse zu Ehren das hübsch bewaldete Felseneiland Tuckey-Insel getauft.

Oberhalb Belgique Creek schieben sich eine Reihe von Felsriegeln mit zwischengelagerten Sandbänken vor, welche bei Niederwasser theilweise trocken liegen. Die untersten setzen sich als Klippenreihe durch die größere Hälfte des hier siebenhundert Meter breiten Stromes in der Richtung nach dem südlichen Vorlande fort. Diese Klippen bedingen die erste schwache Stromschnelle: Nkasi Yelala, Yelalas Frau.

Bei niedrigem Wasserstande vermag der Dampfer diese zu überwinden, indem er durch die nördlichste Rinne steuert. Er ruht dann eine Weile hinter der Tuckey-Insel, um Dampf aufzumachen für die letzte größte Kraftleistung. Dann schießt er an Belgique Creek vorüber, um den untersten Felsenwall wendend, mit scharfem Anlauf hinein in den gewaltigen ungebrochenen Strom der Rinne, für etwa zweihundert Meter wiederum nur Zoll für Zoll vorrückend.

Station Vivi am Congo.
Nach Originalaufnahmen Dr. Pechuel-Loesche’s auf Holz gezeichnet von Prof. A. Goering.

Beginge der Steuermann, ein Kabinda, einen Fehler, bräche etwas an der Maschine, so wäre das dünnwandige stählerne Fahrzeug in den meisten Fällen verloren; es würde auf die Felsen geschleudert und von dem Anprall des Wassers zerdrückt oder überworfen werden. An eine Rettung der Menschen wäre nicht zu denken; selbst der geübteste Schwimmer würde die Strudel und Wirbel nicht überwinden können. Endlich ist auch diese schlimmste Strecke überwunden, und der Dampfer legt gerade unter dem Plateau von Vivi am sandigen Ufer fest.

Hier beginnt Herrn Stanley’s breiter Weg, der nach links an dem steilen Hange emporführt; von hier aus hat der unermüdliche Arbeiter sein ganzes ungeheures Material hinauf nach Vivi und von dort aus über das Gebirg, theils zu Land, theils wiederum zu Wasser, nach dem Stanley-Pool geschafft. Der Aufstieg nach Vivi ist verhältnißmäßig bequem für dieses Bergland, doch immerhin anstrengend genug. Die geebnete Höhe ist lang und schmal. Auf derselben stehen rechts und links am Hange weißgetünchte niedrige Holzhäuser, theils als Wohnungen, theils als Niederlagen dienend, sowie mehrere große Magazine von Stein, Holz oder Eisen. Zwischen ihnen zieht sich ein umzäunter Garten entlang, in welchem wegen Wassermangel kaum andere Pflanzen gedeihen als anspruchslose Melonenbäume, die jedoch immerhin nur recht geringe Früchte liefern.

Am Ende der Höhe von Vivi, wo sie steil nach dem Congo abstürzt, ist ein kleines erhöhtes Plateau hergestellt, auf welchem, die unteren beiden Häuserreihen abschließend, ein größeres Holzhaus mit Oberbau errichtet ist. Dahinter, auf dem höchsten Punkte, erhebt sich der Flaggenmast, und hart am Hange hat Herr Dr. von Danckelman sein kleines meteorologisches Observatorium eingerichtet, welches, obwohl immer noch unvollkommen, die einzige Freistätte der Wissenschaft in der Expedition ist. Von hier aus genießt man einen schönen Rundblick auf den unten rauschenden Congo mit seinen Uferhöhen, den gegenüberliegenden höchsten Berg von Noki, auf den rückwärts von Vivi steil aufragenden, an dreihundert Meter hohen Leopoldstein und nordwärts auf die Höhen, über welchen der Stanley-Weg nach dem Inneren führt.

Gleich den übrigen Partien des Gebirges entbehrt die Umgegend

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 733. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_733.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2023)