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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

betritt. Dazu entwickelte sich bei ihm ein schweres körperliches Leiden, indessen hegte er die Hoffnung, auf einer Reise durch die Vereinigten Staaten von manchem Weh des Leibes und der Seele zu genesen, um mit erfrischten Kräften die Wirkungsbahn wieder betreten zu können, unter deren Größen sein Name in der ersten Reihe glänzt. Dieses Glück sollte ihm nicht zu Theil werden: wenig über 54 Jahre alt, hat er sein arbeitsreiches Leben geschlossen, und nur sein Leichnam wird der vaterländischen Erde zurückgegeben werden. Der Geschichte aber wird es eine Aufgabe für spätere Jahre werden, sein Bild so rein darzustellen, als es nach überwundenen Kämpfen der ruhigeren Hand der Zurückschauenden möglich ist. Der Ruf eines selbstlosen Charakters und idealer Gesinnung wird dem rastlosen Kämpfer für die Einheit und Größe des Vaterlandes von Freund und Feind zuerkannt werden und der Kranz eines treuen deutschen Mannes stets sein Grab schmücken.


Hochwürden, Herr Pfarrer. (Abbildung Seite 51.) Der Anblick eines Glücklichen ist eine Wohlthat für jeden neidfreien Menschen, denn nur diese sind des Gefühls einer solchen Wohlthat fähig.

Steht da Seine Hochwürden, der Herr Pfarrer, am Fenster seiner bescheidenen Wohnung und schaut über den kleinen Blumengarten hinüber in die Dorfgasse. Welches Bild hat er wohl da draußen vor Augen, das ihn so anzieht und erfreut? Oder ist ganz heimlich in ihm eine Erinnerung aufgestiegen, die ihn so selig anlächelt, daß sein Antlitz wie ein Spiegelbild dieser Seligkeit erscheint? – Ja, es ist ein beglückendes Lachen, durch welches dieses alte gute Gesicht so veredelt und selbst so anziehend wirkt, daß wir so gern das Auge auf ihm ruhen lassen. Uns beschleicht dabei das Gefühl jenes weihnachtseligen Kindes, welches zur Mutter spricht: „Mutterle, da drinnen in meiner Brust lacht ’was! Sag’ mir nur, wer lacht denn da drinnen?“

Hochwürden, Herr Pfarrer.
Originalzeichnung von E. Grützner.

Das Herz, und zwar ein recht gutes, zufriedenes, glückliches Herz ist es, das aus diesen Augen und über diesen Lippen einen fast schelmischen Jubel verräth. Gewiß hat die alte Botenfrau heute, der Feiertage wegen, dem Herrn Pfarrer den Lohn fast doppelt angerechnet – er hat’s wohl gemerkt. Und jetzt steht sie dort und zählt das Geld und zählt wieder und guckt nun mit dem weitgeöffneten Munde des Erstaunens zum Herrn Pfarrer herauf. Er hat ihr noch einmal so viel, als sie verlangte, gegeben – und das ist so ein Fall, wo er genau so lacht, wie wir es hier sehen.


Der Pifferaro auf Reisen. (Mit Illustration auf S. 45.) In Rom kennt ihn Jeder, den braunen Gesellen in seiner malerischen Tracht, mit dem spitzen Hute, weiten, groben Kragenmantel und den mit Bändern befestigten Sandalen. Denn in der ewigen Stadt ist er keine seltene Erscheinung. Besonders vor Weihnachten verlassen die Pifferari (Pfeifer) schaarenweise ihre heimathlichen Dörfer im Gebirge und ziehen nach Rom, um dort in den Straßen ihre kreischende, monotone Dudelsackmusik ertönen zu lassen, und mit dem bescheidenen Honorare, welches ihnen meist in Kupfermünzen von den Vorübergehenden gereicht oder aus den Fenstern zugeworfen wird, wieder in die Heimath zurückzukehren. Einzelne unternehmendere Köpfe unter ihnen ziehen aber auch weiter und gelangen zu Fuß, in kurzen Etappen, durch Mittel- und Oberitalien, über die Alpen nach Frankreich oder Deutschland, ihre geringen Lebensbedürfnisse unterwegs in Städten und Dörfern mit dem Dudelsack verdienend. Zur Verstärkung des Effects nimmt wohl dann und wann Einer ein paar selbstgefertigte Marionettenfiguren mit, die er bei den Klängen seines Instruments tanzen läßt. Das Genrebild K. Grob’s, nach welchem unsere Illustration gefertigt ist, zeigt einen solchen „Pifferaro auf Reisen“, welcher durch seine Musik und mehr noch durch die Sprünge, welche er seine Marionetten in dem Bauernhause eines deutschen Alpendorfes machen läßt, bei Alt und Jung, besonders aber bei der Jugend, ein überaus dankbares, zum Theil enthusiastisches Publicum findet. Wir wünschen dem jungen Burschen, auf dessen Rückkehr in irgend einem einsamen Felsenneste der Abruzzen vielleicht eine zahlreiche, bitterarme Familie wartet, glückliche Reise und gute Geschäfte. K.     


Dampferfahrten. Im Mai des Jahres 1819 durchschnitt der erste Dampfer den Ocean. Es war der kleine Dampfer „Savannah“, der von Savannah nach Liverpool die Ueberfahrt in 22 Tagen und im November desselben Jahres in 25 Tagen zurücklegte. Die Welt staunte über die schnelle Fahrt, und es war mit diesem Ereignisse der transatlantischen Dampfschifffahrt die Bahn gebrochen.

Von damals bis heute lassen sich regelmäßige Perioden in der Erhöhung der Geschwindigkeit der Dampfer, sowie in deren Vergrößerung und verbesserter Einrichtung und Ausstattung unterscheiden. Die erste Periode der langsamsten Fahrten endete in der Mitte der fünfziger Jahre. Bis dahin hielt man sich an den Vergleich mit den Segelschiffen und war sehr zufrieden, auf den alten Räderdampfern die transatlantische Reise in 15 bis 18 Tagen zu vollenden. Erst als die Rivalität zwischen den Dampfschifffahrtsgesellschaften, den Steamerlinien, begann, trat eine Aenderung in dieser Sachlage ein. Man bewunderte die schnellen Fahrten der Collinslinie, welche 13, dann nur 12 Tage beanspruchten und durch welche die Cunardlinie ausgestochen wurde. Mit neu gebauten Dampfern gelang es darauf der Cunardlinie, ihre regelmäßigen Fahrten in 11 Tagen zu vollenden. Das Alles geschah mit Räder-Dampfern, die nicht viel Ladung faßten und bei deren Einrichtung nur auf Kajütenpassagiere Rücksicht genommen war. Die Masse der Auswanderer konnte damals nur auf Segelschiffen Platz finden.

Englische und amerikanische Schiffsbauer wetteiferten von da an in der Verbesserung der Dampfer zur Erzielung größerer Geschwindigkeit und mit Rücksicht auf vermehrte Leichtigkeit wurden in Amerika die ersten eisernen Dampfer gebaut. – Eine ganze Reihe von Jahren hindurch galt eine zehntägige Ueberfahrt als eine genügend rasche Reise. Dann aber bildeten sich neue Dampfergesellschaften für Passagier- und Frachtbeförderung, welche die alten Dampferlinien in rascheren Fahrten überboten, sodaß bis zum Jahre 1875 achttägige Ueberfahrten gewöhnlich wurden. Im Jahre 1876 wurde von dem zur White Star Line gehörigen großen Dampfer „Britannic“ in sechs auf einander folgenden Fahrten eine mittlere Geschwindigkeit von 7 Tagen 20 Stunden und 56 Minuten erreicht, was als ein neuer bedeutsamer Fortschritt galt, welcher im September 1881 von dem zur Williams-Gnion Line gehörigen prächtigen Dampfer „Arizona“ durch die nur 7 Tage 8 Stunden 32 Minuten dauernden Fahrten zu aller Welt Verwunderung noch überboten wurde. Einen Monat später vollendete dieses schöne Schiff sogar die Reise in 7 Tagen 7 Stunden und 48 Minuten, was man als eine neue Errungenschaft ansah. Man brachte es aber noch weiter, denn ein Jahr darauf brauchte der zu derselben Linie gehörige Dampfer „Alaska“ nur 6 Tage 18 Stunden 37 Minuten und später gar nur 5 Tage 23 Stunden 46 Minuten, wobei durchschnittlich 447 Knoten, das ist Seemeilen, von denen 4 auf die deutsche Meile gehen, in 24 Stunden zurückgelegt wurden. Als noch schnellerer Dampfer trat

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_051.jpg&oldid=- (Version vom 20.6.2020)