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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


Die Beobachtungen wurden an den Treibriemen der Dampfmaschine und der Dynamomaschine des Altstädter Hoftheaters angestellt, welche in Erzeugung von Elektricität Erstaunliches leisten und die beste Elektrisir-Maschine übertreffen. Im Anfang war der Verdacht aufgestiegen, daß die Nähe der Dynamomaschine für die Edison-Lichter des Hoftheaters von Einfluß sei, aber andere Treibriemen in den verschiedensten Fabriken zeigen ganz dasselbe Phänomen.

Zuerst über die Stärke der Erscheinung einige Angaben! Sobald man die Hand dem Treibriemen bis auf etwa 15 Centimeter nähert, zeigen sich im Dunkeln starke elektrische Strahlen, die nach den Fingerspitzen überströmen. Eine Leydener Flasche füllt sich in wenigen Secunden so bedeutend mit Elektricität, daß 4 Centimeter lange Funken ausspringen, die dem Körper einen sehr schmerzhaften Schlag verursachen würden. Eine Person, welche nur wenige Secunden auf einem Isolirschemel stand und die Elektricität mit der einen Hand auffing, konnte mit der andern Hand eine Gasflamme entzünden, und damit wäre der Anfang einer praktischen Verwerthung gemacht. Die bekannte Geisler’sche Röhre beginnt schon auf einen halben Meter Entfernung in wunderbarem Licht zu leuchten, und es läßt sich auf diese Weise eine fast kostenlose, aber märchenhaft schöne Illumination herstellen. Lustig war der Anblick einer Anzahl Herren, die sich unter dem Treibriemen in Front aufstellten; in wenigen Augenblicken hatte sich auch das wohlgepflegteste Haupthaar in eine zu Berge stehende Indianerfrisur verwandelt.

Das sind die angenehmen und drolligen Seiten, leider überwiegen die unangenehmen noch bedeutend.

Der harte französische Mühlstein, der in der Regel durch zwei eiserne Reifen zusammengehalten wird, da er aus Theilstücken besteht, bildet eine Isolirschicht ähnlich wie Glas. Der Reifen, welcher dem Riemen am nächsten liegt, fängt die positive Elektricität auf. Nach dem Principe der Leydener Flasche bildet sich im andern Reifen die negative Elektricität, und die Folge davon ist das Ueberspringen der Funken und die häufige Entzündung des Mehlstaubes, der bekanntlich wie Kolophonium explodirend verbrennt und Tausende von Mühlen im Laufe der Zeiten einäscherte. Der Verdacht, daß auch andere Fabriken, in denen leicht brennbare Stoffe verarbeitet werden, großen Gefahren durch die Elektricität ausgesetzt sind, liegt natürlich sehr nahe.

Wie stark der französische Mühlstein isolirt, zeigte ein einfaches Experiment. Man legte ein Stück solchen Steines auf eine Holzplatte, also auf einen guten Ableiter, und umgab den Stein mit einem Drahtbündel. In der Nähe des Treibriemens wurde das Drahtbündel sofort mit Elektricität gefüllt und gab centimeterlange Funken, was nicht hätte stattfinden können, wenn der Stein nicht die Leitung unterbräche. Man nimmt an, daß die ganze Feuergefährlichkeit durch einen dünnen Draht beseitigt wird, der beide Eisenreifen am Mühlsteine verbindet. Derselbe verhindert die Bildung von positiver und negativer Elektricität, und das schließt ein Ueberspringen von Funken völlig aus.

Es sollte uns freuen, wenn diese Mittheilung zu weiteren Versuchen Veranlassung gäbe. Bemerken wollen wir gleich, daß in Fabriken, wo Eisen verarbeitet wird, die Experimente gar nicht oder nur schwach gelingen, wahrscheinlich führen hier die feinen Eisentheilchen, die sich auf den Riemen anheften, die erzeugte Elektricität unbemerkt der Erde zu. Eisentheile in der Nähe der Riemen, wie die Riemenführer, leiten selbstverständlich auch stark ab. Am besten gelingt das Experiment, wenn der Riemen frei von Scheibe zu Scheibe läuft.

Vielleicht entdeckt jetzt mancher Leser in seiner nächsten Nähe eine in aller Stille arbeitende Elektrisirmaschine, von der er keine Ahnung hatte. Uns werden die überraschten Gesichter des Druckereipersonals von Blochmann in Dresden unvergeßlich bleiben, da sich der Treibriemen der Dampfmaschine unter kundiger Hand als eine der stärksten Elektrisirmaschinen entpuppte. Th. G.     




Blätter und Blüthen.

Die schwedische Gräfin auf der Kunitzburg bei Jena. Die in Nr. 30 des vorigen Jahrgangs der „Gartenlaube“ unter der Rubrik „Blätter und Blüthen“ neu angeregte Geschichte des geheimnißvollen Menschenpaares im Schlosse zu Eishausen bei Hildburghausen hat auch die verwandte Sage von der sogenannten schwedischen Gräfin auf der Kunitzburg bei Jena, welche in demselben Jahrgange (1863, S. 188) wie jene behandelt ist, wieder in Anregung gebracht und eine junge Freundin der „Gartenlaube“ veranlaßt, der Redaction einige ergänzende Mittheilungen zu dem betreffenden Artikel zu machen, welche auf den Überlieferungen der hochbetagten Großmutter und Großtante der liebenswürdigen Berichterstatterin beruhen. Wenn nun auch diese neuen Thatsachen nicht im Stande sind, ein wesentliches Licht in das Dunkel zu werfen, das sich um jene mysteriöse Person breitet, so glauben wir sie dessenungeachtet unseren Lesern nicht vorenthalten zu sollen, da sie immerhin das Interesse für die Sache neu zu wecken vermögen.

Um aber denjenigen unserer Leser, welchen jener Jahrgang der „Gartenlaube“ nicht zur Hand ist, das Nachstehende verständlich zu machen, geben wir den Hauptinhalt des dortigen Artikels in der Kürze hier wieder. Im Frühjahre 1812 ging in den Dörfern nördlich von Jena das Gerücht um, daß „eine schwedische Gräfin“ in die Gegend kommen werde, um da in aller Stille zu wohnen. Wo aber sollte diese Wohnstätte sein? Eine Stunde nördlich von Jena erhebt sich am rechten Ufer der Saale ein kahler steiler Berg, der Gleißberg genannt, auf dessen vorderster Kuppe die Ruinen der Kunitzburg aufragen. In dem Walde, welcher sich hinter diesen Burgtrümmern ausbreitet, hatte der Herzog Karl August von Weimar 24 Acker Holz zum Umroden angewiesen und den Schultheißen in den beiden am Fuße des Berges liegenden Dörfern Kunitz und Golmsdorf den Befehl ertheilen lassen, dem Aufenthalte und dem stillen Treiben der Fremden kein Hinderniß in den Weg zu legen. — Plötzlich waren die Fremden da: eine hohe, majestätische Dame mit bleichem Gesichte, schönen Augen und dunklem Haare, ein junger Mensch im angehenden Jünglingsalter, der als ihr Sohn galt, und ein Dienstmädchen, von dem man später erfuhr, daß es Amélie hieß. Diese drei Personen stiegen hinauf zu dem ausgerodeten Waldstücke. Dort ließ die „Gräfin“ zunächst ein Bretterhaus bauen und das Feld mit Korn, Weizen und Gerste bestellen. Später erstand daneben ein kleines einstöckiges Wohnhaus und Stallung für Hühner, Ziegen und ein Kälbchen. Ein Esel trug die Bedürfnisse der kleinen Wirthschaft, auch das Wasser, aus Kunitz oder Golmsdorf hinauf. Den Verkehr mit der Außenwelt vermittelte nur das Mädchen, das mit seiner fremden Sprache sich schwer verständlich machen konnte. Die Dame und der Sohn verkehrten mit Niemand. Nur der Herzog, wenn er dort in den Wäldern jagte, kehrte zu oft langer Unterhaltung in dem Häuschen ein, das aber dann sorgfältig verschlossen war. – So plötzlich, wie sie erschienen waren, verschwanden Frau und Sohn, als die Nachricht von der Leipziger Schlacht kam. Die Dame, sagte das allein zurückgebliebene Mädchen, sei nach Wien zum Congreß gereist. Das ist das einzige Sichere, was von dem geheimnißvollen Vorgang öffentlich geworden ist. Die darauf gebauten Vermuthungen lassen wir hier unerwähnt. Das einsame Mädchen zog später nach Jena und soll da in Griesbach’s Hause 1818 an der Auszehrung gestorben sein.

Aus den neuen Mittheilungen über diesen noch unaufgeklärten Gegenstand erfahren wir Folgendes. Im Herbste 1811 hielt in der kleinen mecklenburgischen Stadt Krakow eines Tages ein seltsames Gefährt seinen Einzug, das die Neugier besonders der Straßenjugend lebhaft erweckte. Es war ein vollbepackter Wagen, bespannt mit einem kleinen dicken Pferde, einem sogenannten „Schweden“, das ein junger Mensch am Zügel führte. Neben dem Wagen gingen ein zierliches junges Mädchen Und eine große stattliche, auch noch ziemlich junge Frau her. Diese war es, welche besonders die Aufmerksamkeit auf sich zog, und zwar nicht blos durch die Eigenart ihrer Kleidung, den seltsam geformten Hut, den langen hellen Mantel mit Kragen, den ledernen um die Taille gespannten Gürtel, sondern auch durch die imponirende Vornehmheit ihres Wesens. Alle drei sprachen französisch.

Da die Leute aber die Sprache der Fremden nicht verstanden, so waren diese wegen Kundgebung ihrer Wünsche in einiger Verlegenheit, bis der zufällig vorübergehende Rathsherr Schlottmann sich als des Französischen kundig auswies. Die Dame bat ihn nun um genaue Angabe des Wegs nach Pau und setzte dann auch ihren Weg nach dieser Richtung fort. Einige Zeit darnach kam jedoch der junge Mensch auf dem Pferdchen reitend zurück, um Schlottmann anzuzeigen, daß das Gefährt in der Nähe des Dorfes Karow ein Unglück erlitten habe. Das Interesse Schlottmann’s an der Fremden war bereits so groß, daß er mit seinem eigenen Geschirr nach der Unglücksstätte fuhr, die vom Schreck und von den Strapazen der Reise erkrankte Dame von dort abholte und mit ihrer Begleitung in seinem eigenen Hause einquartierte.

Da die Krankheit derselben einen ernsten Charakter annahm und längere Pflege heischte, so war indeß der Winter eingebrochen und die Weiterreise wäre mit großen Schwierigkeiten verbunden gewesen. Die Dame ließ sich deshalb auf Zureden ihrer freundlichen Wirthe bestimmen, während des Winters noch in dem gastlichen Hause zu bleiben. Sie bezeichnete sich nunmehr als eine Gräfin Ekemann aus Schweden und die sie begleitenden Personen als ihren Pflegesohn Lorenz und ihr Dienstmädchen Amélie. Die Familie Schlottmann behandelte die Fremde mit großer Auszeichnung und räumte ihr das „Staatszimmer“ zur Wohnung ein. Das Mädchen besorgte den Haushalt. Im Orte bildete die schwedische Gräfin, wie man sie nannte, den Gegenstand allgemeiner Neugier. Sie wurde von ihren Wirthsleuten auch in einzelnen Familien eingeführt und erschien hier immer in gewählter Toilette, meist in „grauer Seide“. Die meiste Zeit des Tages brachte sie am Stickrahmen zu.

Besondere Bewunderung erregte eine Stickerei, von welcher sie sagte, daß sie für den Herzog Karl August in Weimar bestimmt sei als Ausdruck des Danks dafür, daß ihr der Herzog auf der Kunitzburg bei Jena ein Asyl angewiesen habe. Im Frühjahr 1812 reiste denn auch die Gräfin mit den Ihrigen dahin ab. Sie unterhielt von da noch einen lebhaften Briefwechsel mit der Familie des Rathsherrn und lud dieselbe wiederholt zum Besuche ein. In der That machte sich auch der Rathsherr einmal dahin auf. Die damaligen Kriegsunruhen scheuchten ihn indeß bald wieder nach Hause. Er hatte sogar, beunruhigt von den nach Rußland durchziehenden Heereshaufen, das mitgenommene Leinen- und Bettzeug im Stiche lassen müssen.

Inzwischen kamen die Freiheitskriege, der Briefwechsel zwischen beiden Familien hörte nach und nach auf, und man dachte in Krakow schon längst nicht mehr an die mysteriöse Gräfin, als ungefähr Ende der dreißiger Jahre die indeß verwittwete Frau Schlottmann eine Vorladung vom Stadtgerichte erhielt und ihr dort die Eröffnung wurde, daß eine Gräfin Ekemann ihr hundert Gulden als Entschädigung für die ihrem Manne unterwegs auf der Reise zur Kunitzburg abhanden gekommenen Sachen vermacht habe. Das Geld wurde auch ausgezahlt. Die Gräfin bedauerte dabei, daß sie nicht eine größere Summe habe geben können, aber die Kriegsjahre hätten auch ihr eine große Einbuße an ihrem Vermögen gebracht.

Soweit die Angaben unserer freundlichen Berichterstatterin! Ob die Gräfin der Familie Schlottmann das Geheimniß ihrer Herkunft enthüllte,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_071.jpg&oldid=- (Version vom 10.6.2020)