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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

hin unnöthig verletzen. Bedarf der inmitten seiner Heerführer und Krieger, wie ein altgermanischer Heerkönig im Lager, auf’s Schild gehobene Kaiser noch einer andern Weihe, so organisire man, statt leeren byzantinischen Formengepränges, ein großes Friedens- und Kaiserfest unter Gottes freiem Himmel, ein wahres Volksfest aller deutschen Stämme in so großem Stile, wie es die deutsche Geschichte noch nie gesehen. Es zeige sich gleich von vornherein, daß der neue dentsche Kaiser nicht blos der von Fürsten erwählte Kaiser der Fürsten, sondern ein wahrer Volkskaiser ist, welchen die Stimme der ganzen Nation nicht durch das trügerische Gaukelspiel eines Plebiscits, sondern durch ihre gesetzmäßigen Vertreter auf den mächtigster Thron der Erde berufen hat.“

Soweit damals (1871) der Geheime Justizrath Professor Dr. Schulze in Heidelberg.

Wir haben ein altes Bild, welches darstellt, wie Kaiser Karl V. vom Papst zum Kaiser gekrönt wird. Er war der Letzte, der sich dieser Ceremonie unterzog. Die Krönung erfolgte am 24. Februar 1530 in Bologna. Der Kaiser ist dabei mehr kirchlich als weltlich gekleidet. Er trägt „Alba“, „Stola“ und „Pluviale“, rothe Handschuhe, Strümpfe und Sandalen. Er küßt dem Papst knieend den Fuß. Erst dann wird er mit der „Dalmatica“, dem Leviten-Kleide, angethan und muß, dergestalt in einen Domherrn der Peterskirche verwandelt, vor dem Papst das Evangelium singen. Schließlich muß er geloben, „bei dem katholischen Glauben zu verbleiben und stets dem Papste gehörige Treue zu leisten“. – Das Alles paßt natürlich nicht für das neue deutsche Reich und seinen Kaiser. Das jetzige deutsche Kaiserthum ist weder katholisch noch evangelisch. Es ist confessionslos oder vielmehr supraconfessionell und interconfessionell, und muß es bleiben, im Interesse der Erhaltung des Friedens im Reiche.

Deutsche Kaiserkrone.

Man sieht oft auf modernen Bildern, namentlich auf Oeldrucken und Lithographien, den Kaiser dargestellt in einem kirchlich-mittelalterlichen Krönungsornat, welcher an die oben beschriebene Kleidung Karl’s V. erinnert, oder an die officiellen Abbildungen des Kaisers Matthias oder Ferdinand’s II. und anderer habsburgischer Kaiser, wie wir solche in den illustrirten Werken des siebenzehnten Jahrhunderts finden, wie z. B. auf den Kupfern zu Adolf Brachel’sHistoriae nostri temporis“.

Alle diese Bilder sind falsch. Unser Kaiser hat einen solchen Ornat niemals getragen und wird ihn nicht tragen.

Die officielle Form der Krone des Kaisers und der Kaiserin sind durch kaiserlichen Erlaß festgestellt worden (accurat fünfundsechszig Jahre später, als Kaiser Franz die „römische“ Krone niedergelegt hat). Ebenso ist die Krone des Kronprinzen festgestellt. Wir geben hier eine bildliche Darstellung derselben.

Krone der deutschen Kaiserin.

Krone des Kronprinzen
des deutschen Reichs.

Die Krone des Kaisers zeigt im Wesentlichen die Form der alten byzantinisch-mittelalterlichen Kronen: Runde Kappe mit acht Schildern, deren Rand nach unten eine gerade Linie, nach oben einen Bogen bildet. Auf den Schildern wechselt das Kreuz und der Adler ab. Die Kappe ist von zwei Bügeln überspannt, welche auf vieren der acht Schilder ruhen. Da, wo die Bügel einander kreuzen, ruht der Reichsapfel, und auf diesem steht das Kreuz. Die Krone ist eine „schwebende“, das heißt sie sitzt oder ruht nicht, weder auf dem Kopfe des Adlers, noch auf dem Helme oder Schild, noch auf dem Wappenzelt oder Wappenmantel, sondern sie schwebt frei über dem Ganzen, wie dies aus der unserm ersten Eapitel beigegebenen Abbildung des deutschen Reichsadlers zu ersehen ist. Unten gehen zwei breite Goldbrocat-Bänder von ihr aus, welche seitwärts flattern und mit Arabesken und Franzen geziert sind.

Die Krone der deutschen Kaiserin ist von Gold, reich mit Brillanten und Rubinen besetzt, und wird mit vier durch den Reichsapfel überhöhten Bügeln geschlossen. Im Innern der Krone befindet sich eine Mütze von Goldbrocat.

Die Krone des Kronprinzen des deutschen Reiches zeigt einen goldenen mit Brillanten besetzten Stirnreif, aus dem sich viermal abwechselnd je ein Kreuz und ein Reichsadler, beide mit Edelsteinen geschmückt, erheben. Die Kreuze stützen vier halbrunde goldene mit Perlen besetzte Bügel, welche den Reichsapfel tragen. Die Krone ist mit einer Mütze von purpurfarbigem Sammet gefüttert.

Einen Ersatz oder ein Aequivalent für die seit 1796 in der Schatzkammer in Wien befindlichen Reichskleinodien von ehedem hat das neue deutsche Reich noch nicht. Es bedient sich hierin, wie in so manchen anderen Dingen, der Aushülfe Preußens. Bei besonders feierlichen Gelegenheiten, zum Beispiel zur Reichstags-Eröffnung, werden die preußischen Reichsinsignien – bestehend in Krone, Scepter, Reichsapfel, Schwert und Fahne – dem Kaiser vorgetragen. Dies geschah namentlich am 21. März 1871 bei der Eröffnung des ersten deutschen Reichstages. Es geschah auch schon am 24. Februar 1867, als der jetzige Kaiser Wilhelm in seiner Eigenschaft als König von Preußen den verfassunggebenden Reichstag des norddeutschen Bundes eröffnete. Es war ein imponirendes Schauspiel. Zuerst marschirte das Corps der Pagen auf: junge preußische Edelleute in weißen Halskrausen und rother mittelalterlicher Tracht. Dann kamen die preußischen Großwürdenträger mit den oben aufgezählten Insignien, die, abweichend von den Krönungskleinodien anderer Länder, einen vorwiegend militärischen Charakter besitzen. Die preußische Fahne trug damals der alte Reiter-General Wrangel, der in ganz Berlin, und namentlich bei der Jugend, unter dem Namen des „Papa Wrangel“ persönlich bekannt und beliebt war. Er hat noch Jahre lang darnach gelebt, war aber damals schon sehr alt[1], und es wurde ihm ein wenig schwer, die mächtige Fahne zu handhaben. Um sich dies zu erleichtern, hatte er die Fahnenstange in einen seiner hohen Kürassierstiefel gesteckt. Es war ein wahrhaft rührender Anblick: das alte Preußen, wie es dem herannahenden neuen Deutschland die Fahne vorausträgt.

Zum Schluß noch eine Bemerkung über das Recht von Privaten, den Reichsadler zu führen.

In Deutschland kann sich Jeder für sich ein Wappen fabriciren, wie er will, mag er Edelmann sein oder nicht; und von dieser Freiheit wird der ausgiebigste Gebrauch gemacht. Man sieht oft die komischsten Einfälle und die unsinnigsten Combinationen im Wappen verkörpert, welche allen Regeln und Ueberlieferungen der Heraldik Hohn sprechen. Das ist erlaubt, wenngleich nicht geschmackvoll. Dagegen darf man sich nicht ein bestehendes Wappen aneignen, das sich bereits im rechtlichen Besitze eines Anderen befindet.

Der Kaiser hat jedoch durch Erlaß vom 16. März 1872 allen deutschen Fabrikanten die Abbildung und den Gebrauch des kaiserlichen Adlers zur Bezeichnung ihrer Waaren und Etiquetten gestattet, jedoch, wie der kaiserliche Erlaß vom 11. April 1872 erläuternd hinzufügt, ist diese Erlaubniß auf den Adler zu beschränken, der Gebrauch des Wappenschildes ist und bleibt verboten.




  1. Friedrich Graf von Wrangel wurde gerade vor hundert Jahren, am 13. April 1784, zu Stettin geboren. Seine militärische Laufbahn begann er bereits im Jahre 1796 als Junker in einem ostpreußischen Dragonerregiment. Er kämpfte mit Auszeichnung in den Napoleonischen Kriegen und trug am 23. April 1848 bei Schleswig den Sieg über die Dänen davon. Schon im Jahre 1856 feierte er sein sechszigjähriges Dienstjubiläum und wurde damals zum Generalfeldmarschall ernannt. Bis zu seinem Tode, der am 1. November 1877 erfolgte, blieb er eine der populärsten Personen der Kaiserstadt Berlin. D. Red.     
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_255.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2021)