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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

einem Roman, den ich zur Recension auf meinem Schreibtische liegen hatte, und versuchte, denselben durchblätternd, mich von seinem Inhalte soweit in Kenntniß zu setzen, um die Lücke, welche das Durchstreichen der verhängnißvollen siebenzehn Zeilen verursacht hatte, mit wohlmeinenden Redensarten ausfüllen zu können.

Ich war eifrig mit dem Studium des neuen Romans beschäftigt, als die Thür sich öffnete und mein junger lustiger Freund, der Poet Ludwig Kosarsky, in meine Stube hereinstürmte.

„Was,“ rief er, „Du bist noch bei der Arbeit? Es ist ja schon Freitag, und wie ich sehe, liegt ja der Correcturbogen schon vor Dir auf dem Tische. Sieh ihn schnell durch und mach’ ein Ende, wir wollen eine Partie Schach spielen und dann beisammen frühstücken!“

Ich klagte meinem Freunde meine Noth und veranlaßte ihn, einmal die siebzehn weissagenden Zeilen durchzulesen und mir aufrichtig zu sagen, ob man wohl so etwas Ueberspanntes drucken lassen könne.

Kosarsky las meine begeisterten Zeilen mit großer Heiterkeit und sagte dann schließlich lachend:

„Na, da hast Du wieder einmal Deinem Natur-Enthusiasmus freien Lauf gelassen. Es ist ja wahr, lieber Junge, was Du da geschrieben hast, ist wahrer Unsinn, aber Du schreibst ja jahraus, jahrein so viel dummes Zeug, daß es Dir nicht gerade viel schadet, wenn Du dieses hier stehen läßt. Deine Leser nehmen Dir’s nicht übel, sie sind Dergleichen schon von Dir gewöhnt.“

Natürlich wollte ich in meiner Aufregung meine siebenzehn Zeilen sowohl, als auch das Streichen derselben rechtfertigen, da klopfte es an die Thür, und herein tritt der Druckerbursche, um die Correctur abzuholen.

„Hier,“ rief Kosarsky, „hier ist sie, und sieh her, dieser Strich gilt nicht, die siebenzehn Zeilen bleiben stehen, sie enthalten die weiseste Prophezeiung der Welt.“

Es war nichts dagegen zu machen, ehe ich etwas erwidern konnte, hatte Kosarsky den Druckerburschen zur Thür hinausgeschoben, und ich ergab mich, wenn auch entschieden widerwillig, in mein Schicksal, meine prophetischen Zeilen am Sonntage in der Beilage stehen zu sehen; versuchte es aber, in der nun sofort beginnenden Schachpartie mich für die Unbill Kosarsky’s zu rächen.


Erstes Dienstverhältniß.
Nach dem Oelgemälde von G. Igler.

Heinrich Heine’s Bildniß. Das Bild Heine’s, welches wir in dieser Nummer auf S. 268 mittheilen, ist nach einer Photographie des im Besitze von Herrn Dr. Eduard Engel in Berlin befindlichen großen Original-Oelgemäldes hergestellt.

Es existiren von Heine überhaupt nur noch zwei Originalölportraits, eines im Besitze von Herrn Julius Campe in Hamburg (vergl. unsern Holzschnitt in Nr. 14), gemalt von M. Oppenheim in Frankfurt am Main (wovon eine vom Künstler selbstgefertigte kleine Oelskizze im Besitze von Frau Professor Benfey in Göttingen), – und das vorliegende Bild, gemalt 1828 in München von Ludwig Gassen, kurz bevor Heine seine Reise nach Italien antrat. Aus dem Nachlasse des Malers erwarb es Heine’s Biograph, Adolf Strodtmann, und von dessen Wittwe kaufte es der Herausgeber der Memoiren Heine’s.

Man vergleiche mit diesem Bilde die Schilderung, die der Dichter Wienbarg von Heine’s Gesicht zu Ende der zwanziger Jahre entwarf:

„Er trug sich sauber, doch einfach; Pretiosen habe ich nie an ihm gewahrt. Ein schönes, weiches, dunkelbraunes Haar umgab sein ovales, völlig glattes Gesicht, in welchem eine zarte Blässe vorherrschte. Zwischen den einander genäherten Wimpern seiner wohlgeschlitzten, mehr kleinen als großen Augen dämmerte für gewöhnlich ein etwas träumerischer Blick, der am meisten den Poeten verrieth; in der Anregung drang ein heiteres, kluges Lächeln hindurch, in das sich auch wohl ein wenig Bosheit schlängeln konnte, doch ohne einen stechenden Ausdruck anzunehmen. Faunisches war nicht in ihm und an ihm. Die ziemlich schwache Nasenwurzel verrieth, physiognonmischen Grundsätzen zufolge, Mangel an Kraft und Großheit; auch mochte die mäßig gebogene Nase nach unten etwas schlaff abfallen. Die faltenlose Stirn leicht und schön gewölbt, die Lippen frei; das Kinn rundlich, doch nicht stark. Das ‚böse Zucken‘ der Oberlippe war ihm offenbar nur eine Angewöhnung, kein Zeichen der Menschenverachtung und des Lebensüberdrusses!“


Dreierlei Anliegen an die Glücklichen. Wer jetzt mit froh aufathmender Brust den so herrlich erwachenden Frühling begrüßen, wer mit strahlendem Blick und flinkem Fuß „in’s Freie“ eilen kann, der muß wohl fühlen, daß er glücklich ist. Zur rechten Schätzung dieses Glücks gelangt er aber doch erst, wenn ihm ein Bild vom Gegentheil seines eigenen Wohlbehagens vor die Seele geführt wird. Das ist der Beklagenswerthe, der auch jetzt in den sonnigen Tagen an die düstere, dumpfe Krankenstube gefesselt bleibt, weil er zu arm ist, um sich das einfache Mittel zu verschaffen, das auch ihm das Aufathmen im Freien ermöglichen könnte: einen Fahrstuhl! Im vorigen Jahre ist unsere Bitte um solche Vehikel menschenfreundlich erhört worden: wir wurden in den Stand gesetzt, mehrere arme Kreuzträger damit zu beglücken. Gewiß ist auch heuer diese Bitte nicht vergeblich.

Wie nach Fahrstühlen ist auch das flehendliche Verlangen nach zur Seite gestellten Clavieren aus Nord-, Süd-, und Mitteldeutschland uns an’s Herz gelegt worden. Die Mehrzahl der Bittenden sind Lehrer und Lehrerwittwen, die für ihre Söhne, die doch meist wieder in der Schulstube ihren Lebensberuf suchen, zum Unterricht das unentbehrliche Instrument aus ihren Mitteln nicht erschwingen können. Man muß es gesehen haben, welches Freudenlicht in einem Schulhause oder in der Wohnung einer Lehrerwittwe aufgeht, wenn in dem bescheidenen Raum für ein solches Geschenk Platz geschafft werden muß; mit so großem Entzücken und so dankbarem Herzen wird gewiß selten dem ersten Saitenklang gelauscht, als da von den Beglückten. Wäre es doch möglich, solcher Freuden recht viele zu bereiten!

Und das dritte Anliegen? Wie viele arme Frauen und Mädchen, die ihr hartes Stück Brod mit der Nadel verdienen müssen, seufzen nach einer – natürlich brauchbaren – Nähmaschine! Könnten doch auch diese Wünsche erfüllt werden!

Wir wissen ja, daß es unter den Hunderttausenden unserer Freunde gute Herzen genug giebt, die diese Bitten nicht umsonst lesen. Fr. Hfm.     


Kleiner Briefkasten.

B. F. in Mannheim. Der Stoff zu den Illustrationen „Schlachtfeld im Sudan“ und „Ein Opfer von Monte Carlo“ ist allerdings dem „Graphic“ entnommen, die Composition und Ausführung derselben ist aber, wovon Sie sich bei der Vergleichung sofort überzeugen werden, eine durchaus selbständige, sodaß dieselben mit vollem Recht Originalzeichnungen genannt werden durften.


Inhalt: Salvatore. Napoletanisches Sittenbild. Von Ernst Eckstein (Fortsetzung). S. 262. – Fischerleben am Scheveninger Strande. Von H. Pichler. S. 286. Mit Illustration S. 265. – Heinrich Heine’s Memoiren über seine Jugendzeit. Herausgegeben von Eduard Engel. VIII. S. 267. Mit Portrait Heinrich Heine’s S. 268. – Ein armes Mädchen. Von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 269. – Bilder aus dem Sudan. Von Adolf Ebeling (Schluß). S. 272. Mit Illustrationen S. 272, 273 und 274. – Blätter und Blüthen: Wie man wider Willen zum Propheten wird. Die letzte Arbeit von Dr. A. Bernstein. S. 275. – Erstes Dienstverhältniß. Illustration. – Heinrich Heine’s Bildniß. – Dreierlei Anliegen an die Glücklichen. – Kleiner Briefkasten. S. 276.

[ Verlagsreklame von Ernst Keil’s Nachfolger. ]



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart.0 Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_276.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2023)