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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


ihrem Verkehr mit den Rothhäuten zur Richtschnur genommen, hatten sich im Verlaufe der Zeit abgeschwächt, und es gab jetzt nicht wenige Kolonisten, welche gegenüber den Indianern viel, vielleicht alles für erlaubt hielten, weil es ja nur „blinde Heiden“ wären. Genug, unaufhaltsam rückten die Herdfeuer der Weißen den Rothen immer näher, und bald sahen sich diese in einer so gefährlichen und bedrängten Lage, daß die Gefühle, womit sie auf die Kolonisten blickten, naturnothwendig immer erbittertere und feindseligere werden mußten. Dieser Haß schwärte und gährte viele Jahre im Stillen fort und nahm zu an Tiefe und Glut. Es fehlte daher nur ein Mann, welcher das Zeug hätte, demselben die Ziele zu weisen und die Wege zu zeigen, und ein solcher Mann erstand den Rothen in dem Sohne des 1656 gestorbenen Sachems Massasoit, in dem Wampanogen Metakom oder Metakumet, dem Bundeshäuptling der Eidgenossenschaft der Pokanoketen, welchen die Kolonisten den König Philipp zu nennen pflegten.

Wir wissen von ihm nur, was seine Feinde, die Kolonisten, über ihn berichtet haben. Aber auch diesen feindlichen Berichten zufolge muß er ein Mann von imposanter Erscheinnng und großen Gaben gewesen sein, ein Kenner der Rothen und der Weißen, ein rechter Fürst der Wildniß, Patriot, Krieger, Diplomat, so daß ich, alles erwogen, nicht anstehe, ihn als den bedeutendsten Schössling zu bezeichnen, welchen, die Azteken und Tolteken beiseite gelassen, das nordamerikanische Indianerthum hervorgetrieben hat.

Unter Metakoms „Skalp“ brütete zweifelsohne die Vorstellung, das einzige Mittel, sein Volk vor zunehmender Noth und voraussichtlichem Untergang zu wahren, sei nicht so fast die Einschränkung der Kolonieen auf ihren dermaligen Besitzstand, als vielmehr die Vertilgung oder Vertreibung der Blaßgesichter vom Boden der rothen Männer. Der Sagamor erkannte auch unschwer, was die Ueberlegenheit der Kolonisten ausmachte: ihr Zusammenhalten und ihre Bewaffnung. Beide Vorzüge suchte er darum seinen Volksgenossen anzueignen. Er nahm den Gedanken des unglücklichen Sassakus wieder auf, alle rothen Männer von Neu-England in einen großen Kriegsbund gegen die Weißen zusammenzufassen, in eine indianische Eidgenossenschaft, welche der von den Kolonisten 1643 gestifteten gewachsen wäre, und jahrelang hat er mit der ganzen Schlauheit und Geduld seiner Rasse an der Verwirklichung dieses Gedankens gearbeitet. Ebenso an der Aufgabe, seine Landsleute mit Feuergewehren zu versorgen und sie im Gebrauche derselben zu üben. Nach beiden Richtungen hin gewann seine geduldige und geschickte Arbeit Erfolge und um das Jahr 1670 begannen die Wirkungen von Metakoms patriotischer Thätigkeit die Aufmerksamkeit der Kolonialbehörben zu erregen. Ein bewegteres Thun und Treiben machte sich unter den Rothhäuten bemerkbar. Läufer eilten geschäftig von einem Stamm zum andern, Botschaften hin und her zu tragen. Man hörte auch von großen indianischen Rathsversammlungen, in welchen heftige Reden gegen die Blaßgesichter geführt wurden, und endlich mußte es für ein sehr bedrohliches Merkmal gelten, daß immer mehr Indianer in den Besitz von Feuerwaffen gelangten und mit denselben sehr geschickt zu handiren verstanden.

Schon 1671 drohte der Ausbruch der Krisis. Doch war Metakom mit seinen diplomatischen und kriegerischen Vorkehrungen noch nicht zu Rande und darum ließ er sich herbei, den Kolonisten wiederholt Freundschaft zu versprechen, was so wenig aufrichtig gemeint als geglaubt wurde. Der faule Friede zog sich bis zum Jahre 1674 hin, wo das Vorspiel zum „König-Philipps-Krieg“ in Scene ging. Sasamon, ein getaufter Indianer, suchte als Missionär unter seinen Stammesgenossen zu wirken. Auf einem seiner Bekehrungsgänge an der Gränze des Pokanoketenlandes mit dem Sagamor zusammengetroffen, errieth er aus diesem und jenem hingeworfenen Worte die feindseligen Absichten Metakoms gegen die Kolonisten und hielt es für seine Pflicht, diese zu warnen. Der Häuptling erfuhr durch seine Späher von diesem Verrath, als welchen er Sasamons Hinterbringung ansehen durfte, ließ durch drei seiner Leute dem Verräther auflauern, denselben überfallen und umbringen. Die Behörden von Plymouth aber, auf deren Gebiet der Mord geschehen, ließen die Mörder verfolgen, ergreifen, processiren und hängen.

Sowie nun Metakom das in Erfahrung gebracht hatte, brach er los. Er sah wohl ein, daß ihm keine andere Wahl mehr bleibe, als alles zu wagen und den Anfang zu machen. Er mochte die nicht grundlose Hoffnung hegen, daß seine Schilderhebung wenigstens die Mehrzahl seiner rothen Rassegenossen mit sich fortreißen würde. Er grub das Kriegsbeil aus und rief seine Mannschaften auf den Kriegspfad. Am 24. Juni von 1675 kam der Kampf zwischen den Rothen und Weißen zum hellen Ausbruch, ein langwieriger Entscheidungskampf, ein Kampf um Leben oder Tod. Ein Bewohner von Swanzey, einem an der Gränze der Ansiedelungen gelegenen Dorfe, hatte, gereizt durch die Drohungen und Raubversuche der Rothhäute, einen Wampanogen niedergeschossen. Unlange darauf, am genannten Junitag, einem Sabbath, als die ganze Bewohnerschaft im Bethause versammelt war, wurde Swanzey von den Wampanogen überfallen, die Bewohnerschaft niedergemetzelt oder gefangen weggeschleppt, das Dorf dem Feuer überliefert.

Das war ein erstes Muster der furchtbaren indianischen Kriegsweise, zusammengesetzt aus Hinterhalten, Ueberfällen, Mordbränden und schonungslosem Gemetzel. Wie gefährlich und verderblich diese Kriegsweise den Kolonisten werden mußte, namentlich unter der Leitung eines so ungewöhnlich beanlagten Führers, wie Metakom fraglos gewesen, ist klar. Noch viel höher stieg aber für die Kolonieen diese Indianergefahr, als es der Diplomatie König Philipps gelungen war, den großen Häuptling der Narragansetter, Canonchet, zur Erhebung des Kriegsbeils gegen die Blaßgesichter zu bewegen und zu seinem Bundesgenossen zu machen. Der Narragansett hatte eine schwere Blutschuld der Kolonisten zu rächen, welche seinen Vater Miantonomo schnöder Weise an dessen Todfeind, den Mohikaner-Sachem Unkas, zur Tödtung ausgeliefert hatten. Canonchet war, wie uns seine angelsächsischen Feinde bezeugt haben, von Gestalt „ein Apoll der Wildniß“, ein Mann „mit einer Römerseele“, ein wahrhaft reiner und großer Charakter, ein wirklicher Held, von Begeisterung für die Sache seines Volkes erfüllt. Vor dieser heldische Erscheinung ist dann auch Metakom etwas in den Hintergrund getreten.

Vierzehn volle Monate währte, wüthete und wüstete der mörderische Krieg. Nachdem schon zu Anfang Septembers von 1675 Sendboten der Kolonieen zur Berathung zusammengetreten waren und beschlossen hatten, den Kampf als eine gemeinsame Sache zu fassen und zu führen, stand es bis zur Mitte Decembers an, bis ihre Rüstung vollendet und eine ausreichende Streitmacht beisammen war. Dann ging es mit der ganzen Energie puritanischen Enthusiasmus’ los gegen die „rothen Heiden“, gegen welche die Kolonisten denselben wilden Grimm und Groll hegten, welchen vordem die Kinder Israel gegen die Völker von Moab und Amalek gehegt hatten. Es war ein zähes und blutiges Ringen zwischen den Weißen und den Rothen. Im März von 1676 lachte das Kriegsglück den Indianern unter Canonchets Führung am freundlichsten. Nun aber folgte ein jäher Umschlag. Bei den Fällen des Connecticut wurde ein Treffen geliefert, in welchem die Narragansetter vollständig unterlagen. Der Sachem wollte sich mit den Resten seiner Krieger südwärts gen Montaup zum Metakom durchschlagen. Allein beim Uebergang über den Nipmuk ward er von den Freiwilligen von Connecticut, mit welchen auch die Mohikaner unter ihrem Sachem Unkas zogen, umzingelt, angegriffen und gefangen. Den unglücklichen Mann traf das Loos seines Vaters und von derselben Hand. Die puritanischen Sieger forderten den Tod des höchst gefährlichen Feindes. Sie übergaben ihn dem Unkas, der ihn niederschießen und hierauf den Todten mit allen indianischen Ehren bestatten ließ. Es wird erzählt, die Puritaner hätten dem großen Sachem das Leben angeboten, unter der Bedingung, daß er sich den Kolonieen unterwürfe. Das verweigerte er aber stolz und standhaft. Es kennzeichnet die Rohheit der Zeit, daß dem todten Helden der Kopf abgeschnitten und derselbe als Siegestrophäe an die Behörde von Connecticut geschickt wurde.

Bis zum August hielt Metakom, obgleich von allen Seiten mehr und mehr eingeengt und bedrängt, den Kampf noch aufrecht und zwar von seinem Stammland in der Umgebung von Montaup aus. Es gelang ihm immer wieder, neue Streitgenossen zu werben und zu sammeln, bis ihn noch ein vernichtender Schlag traf. Dieser, daß der Hauptmann Church von Connecticut, der Besieger Canonchets, seine beste Mannschaft überfiel und niedermachte und bei dieser Gelegenheit die Squaw des Sachems und seinen neunjährigen Sohn fing. Jetzt irrte der von den Kolonialregierungen geächtete Häuptling unstät umher, auf den Jagdgründen seiner Väter wie ein Wildthier gejagt. Dann kam das Bitterste, der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_438.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2021)