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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Eigenbewegung ausgestattet, und Koch sah ihn in einem Tropfen Nährlösung sich rasch durch das Gesichtsfeld des Mikroskops hin und her bewegen. Zuerst wurde er im Darme Cholerakranker gefunden, dann auch in den Entleerungen derselben.

Von höchster Bedeutung sind einige Aufschlüsse über die Lebensbedingungen des Komma-Bacillus. Die Feuchtigkeit ist sein Lebenselement, die Trockenheit einer seiner größten Feinde. Koch hat gefunden, daß dieser Pilz, dem Eintrocknen ausgesetzt, rascher abstirbt, als kaum eine andere Bacterienart. Gewöhnlich ist schon nach dreistündigem Eintrocknen alles Leben im Komma-Bacillus erloschen. Dagegen wurde die wichtige Beobachtung gemacht, daß in der Wäsche der Cholerakranken, wenn sie mit deren Entleerungen beschmutzt war und während 24 Stunden im feuchten Zustande gehalten wurde, die Cholerabacillen sich in ganz außerordentlicher Weise vermehrten. Dieselbe Erscheinung trat ferner ein, wenn Entleerungen Cholerakranker oder der Darminhalt von Choleraleichen auf feucht gehaltener Oberfläche von Leinwand, Fließpapier oder ganz besonders auf der Oberfläche feuchter Erde ausgebreitet wurden. Nach 24 Stunden hatte sich regelmäßig die ausgebreitete dünne Schleimschicht vollständig in eine dichte Masse von Cholerabacillen verwandelt.

Zu erwähnen wäre schließlich, daß der Cholerabacillus gegen Säuren sehr empfindlich ist, daß schon verhältnißmäßig geringe Mengen derselben sein Leben zerstören. Schon die geringe Menge von Säure, welche sich im gesunden Magen vorfindet, scheint, wie Experimente an Thieren beweisen, zu genügen, um den Komma-Bacillus zu verdauen, oder zu tödten.

Leider können diese wichtigen Entdeckungen Koch’s noch nicht als erschöpfend betrachtet werden. Wir wissen, daß die meisten Bacterien, aus ihrer gewöhnlichen Form in eine andere, in die sogenannte Dauerform übergehen können. So bildet z. B. die Bacterie des Milzbrandes Sporen, die Wochen, Monate, ja Jahre hindurch ihre Lebensfähigkeit behalten und unter günstigen Umständen sich wiederum in Bacterien verwandeln. In dieser Dauerform sind die niedrigen Organismen gegen die äußeren Einflüsse, gegen Hitze, Trockenheit, Säuren etc., viel widerstandsfähiger als sonst. Man nimmt nun an, daß auch der Komma-Bacillus in eine solche Dauerform übergehen könnte, es ist aber bis jetzt nicht gelungen, dieselbe zu finden. Aber die oben mitgetheilten Thatsachen genügen schon, um auf die Art und Weise der Verbreitung der Cholera einiges Licht zu werfen, und sie werden noch durch eine höchst bemerkenswerthe Erfahrung Kochs in Ostindien wesentlich ergänzt.

In der Heimath der Cholera wurden seit langer Zeit kleine Cholera-Epidemien beobachtet, die sich nur auf die nächste Umgebung der sogenannten Tanks erstreckten und darum den Namen Tankepidemien erhielten.

Unter Tanks versteht man nun in Bengalen kleine, von Hütten umgebene Teiche oder Sümpfe, welche den Anwohnern ihren sämmtlichen Wasserbedarf liefern und zu den verschiedensten Zwecken, wie Baden, Waschen und auch zur Entnahme des Trinkwassers benutzt werden. Daß bei so mannigfaltigem Gebrauche das Wasser im Tank stark verunreinigt wird, ist selbstverständlich. Sehr oft kommt aber noch nach dem Berichte der deutschen Cholera-Expedition hinzu, daß Latrinen, wenn Einrichtungen primitivster Art so genannt werden dürfen, sich am Rande des Tanks befinden und ihren Inhalt in den Tank ergießen, und daß überhaupt das Tankufer als Ablagerungsstätte für allen Unrath und insbesondere für menschliche Fäcalien dient. Es lag darum nahe, die oben erwähnten kleinen Epidemien mit der Beschaffenheit des Tankwassers in Verbindung zu bringen.

Als nun in Saheb Bagau, einer der Vorstädte von Calcutta, wiederum eine solche Epidemie ausbrach, begab sich Koch an Ort und Stelle und erfuhr, daß unter Anderem auch die mit Choleradejectionen beschmutzten Kleider des ersten tödtlich verlaufenen Cholerafalles im Tank gereinigt wurden. Das Wasser des Teiches wurde nun zu verschiedenen Zeiten mikroskopisch untersucht, und in den ersten Wasserproben fanden sich Cholerabacillen in ziemlich großer Menge vor. Als die Epidemie dagegen schon im Erlöschen begriffen war, konnten nur noch im Wasser, das einer sehr stark verunreinigten Stelle des Tank entnommen wurde, die Cholerabacillen in nur geringer Anzahl nachgewiesen werden.

So wurde hier durch einen vielleicht verschleppten Cholerafall das Trinkwasser von Saheb Bagau vergiftet und wurde zum Träger und Verbreiter der Epidemie.

*  *  *

Fassen wir nun diese Thatsachen zusammen, so werden sich für uns folgende Schlüsse ergeben:

Eine große Gefahr der Cholera-Ansteckung liegt in den Entleerungen der Erkrankten, durch welche unsere Gebrauchsgegenstände und Nahrungsmittel verunreinigt werden.

Die Krankheitsträger gelangen durch den Mund und Magen in den Darmcanal und rufen, hier angelangt, die Erscheinungen der Cholera hervor. Ein gesunder Magen schützt den Körper in gewissem Grade vor der Ansteckung, und darum müssen zur Zeit der Epidemie alle für die Verdauung schädlichen Einflüsse vermieden werden, was ja auch der alten Erfahrung aus früheren Epidemien durchaus entspricht.

Da ferner die Bacillen im Stuhl der Cholerakranken nachgewiesen sind, so müssen alle derartigen Entleerungen desinficirt werden. Die Thatsache, daß auf der Oberfläche feuchter Leinwand die Bacillen sich in großer Menge entwickeln, verräth wiederum die Wäsche der Kranken als ein Verschleppungsmittel der Seuche. Auch diese Entdeckung erklärt die früher bekannte Thatsache, daß Wäscherinnen, welche die Wäsche der Cholerakranken zu reinigen hatten, oft von der Cholera befallen wurden. Auch die Wäsche und Kleidungsstücke solcher Patienten müssen daher einer sorgfältigen Desinfection unterworfen werden, bevor mit ihnen irgend welche Manipulationen vorgenommen werden.

Auch Wasser ist als Träger der Krankheit zu bezeichnen, und es empfiehlt sich darum, nicht nur das Trinkwasser, sondern auch alles andere, welches zu den gewöhnlichen häuslichen Verrichtungen gebraucht wird, vor dem Gebrauch zu kochen, während verdächtige Brunnen etc. geschlossen werden müssen.

Der wissenschaftlichen Forschung erwachsen aus den neuen Entdeckungen neue Aufgaben. Sie wird die Natur des gefundenen Krankheitserregers genauer prüfen, sein Verhältniß zu der Beschaffenheit des Bodeus, des Grundwassers etc. näher untersuchen müssen. Daß ihr dies jetzt, nachdem die Ursache der Krankheit erkannt worden ist, leichter gelingen wird, wer wird daran zweiseln?

Doch es würde wenig Nutzen haben, diese Fragen vor dem Laienpublicum zu erörtern.

Die in diesem Artikel gegebenen Andeutungen dürften genügen, um zu beweisen, daß wir heute der Cholera besser gerüstet entgegentreten können, als je in früheren Zeiten. Sollte dieselbe sich gegen alle Erwartung weiter in Europa ausbreiten, so werden die Behörden, von wissenschaftlichen Autoritäten unterstützt, sicher nicht verfehlen, Vorsichts- und Verhaltungsmaßregeln zu veröffentlichen, die alsdann Jeder befolgen muß. Denn nicht allein durch Regierungshandlungen im großen Stile kann diese Seuche bezwungen werden; nur dadurch, daß jeder Einzelne sein Haus zu

einer festen, gesunden Burg gestalte, wird der Sieg des menschlichen Verstandes über den unsichtbaren tückischen Feind ermöglicht.

Valerius.     




Denis Diderot.


Wie die ganzen gesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen in den meisten Ländern Europas im 17. und 18. Jahrhundert total zerrüttete waren, so sah es auch um die Literatur der Völker schlimm aus. Das Wohlleben der Gesellschaft artete mehr und mehr zu einem zügellosen Suchen und Haschen nach raffinirten äußerlichen Genüssen aus, die Höfe gingen mit lebendigem Beispiel voran, der Adel und das Bürgerthum folgten. Wie sich aber die Augen der gesammten Gesellschaft auf die Höfe der Fürsten richteten und jeder Einzelne von dem Streben beseelt war, alle Widersinnigkeiten, alle Thorheiten, die ganze hohle Prunksucht, die er dort beobachtete, getreulich nachzuahmen, so waren auch die Vertreter der zeitgenössischen Literatur zu knechtischen Dienern des Hofes herabgesunken. Selbst die Diener der Kirche gaben sich einem üppigen Genußleben hin, wenn sie auch stets weniger bestrebt waren, sich im Glanze der fürstlichen Höfe zu sonnen, als vielmehr mit allen Mitteln eine Verwirklichung ihrer eigenen ehrgeizigen Pläne herbeizuführen.

Allen voran marschirte Frankreich „an der Spitze der Civilisation“, wie sich die französische Eitelkeit auszudrücken pflegte. Je tyrannischer der Geist aber lange Zeit niedergehalten war, um so rebellischer erhob

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_502.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)