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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


Feind (deutsche Reichsarmee) und zu gewaltsamer Veränderung des österreichischen Kaiserstaates.“ Meißner traute dem Landfrieden in Frankfurt nicht mehr. Er hatte auch geschäftlichen Grund in’s Ausland zu reisen, da ihm ein Frankfurter Verleger den Auftrag ertheilt hatte, ein Buch über die sociale Bewegung im republikanischen Frankreich zu schreiben.

So geht es denn abermals über Köln nach Paris. In Köln macht Meißner die Bekanntschaft von Freiligrath und Karl Marx. Der Letztere giebt ihm an einen Herrn Sarpi in Parts ein Paket mit, das in einer wilden Straße, im Dunkeln, unter seltsamen Paßworten abgeliefert werden soll. Ein Mann in den Vierzigern, blaß, mit schwarzem Vollbarte, nimmt es dort begierig in Empfang. Als wenige Wochen später die Zeitungen das Bild des revolutionären Volkstribunen und Herrschers von Rom veröffentlichen, erkennt Meißner in Signor Sarpi – Joseph Mazzini. Auch Alexander Herzen und Telecky lernte Meißner in Paris kennen! Den Hauptreiz dieser Pariser Capitel bilden aber auch diesmal die tiefen Gespräche Heinrich Heine’s über Zeit und Menschen.

Der Mai 1849 ist gekommen, der letzte Act des Trauerspiels der Revolution. In Dresden, Baden, der Pfalz und ganz Oesterreich-Ungarn herrscht das Standrecht. In Oesterreich allein enden nach authentischen Quellen von 1848 bis 1852 am Galgen oder unter den Kugeln des Standrechts 2187 politische Verbrecher! Da litt es Meißner nicht mehr in der Heimath, in Karlsbad, wohin er inzwischen wieder zurückgekehrt ist. Er sucht die Einsamkeit. Seine liebsten Freunde leben in der Verbannung, sind gestorben, verdorben in den furchtbaren Jahren. Er eilt nach England, in das freie Inselreich, das, unberührt von der wilden Reaction des Festlandes, sein freies Staatsleben weiter entwickelt. Natürlich wimmelt es auch in London von Flüchtlingen. Da findet Meißner Moritz Hartmann wieder, dann Ludwig Bamberger, Arnold Ruge, Adolf Stahr, Fanny Lewald, selbst Ladislaus Rieger und Franz Pulsky. In den feinsten Familien und Gesellschaften Englands erhält Meißner Zutritt, bei Lord Russell wie im Carlton-Club. Im Hochsommer bricht er zum Besuche der schottischeu Hochlande auf, der Mutter Heimath. Da ist auf stürmischer Seefahrt die Bibel das einzige Buch an Bord. Unser Dichter liest die Geschichte des Königs David, tagelang. Der Plan seiner ersten dramatischen Arbeit „Das Weib des Urias“ ist in seinem Haupte vollendet, als er das Buch der Bücher aus der Hand legt. Sofort wird die dramatische Dichtung geschrieben und gedruckt. Sie hatte in damaliger Zeit keine Hoffnung, aufgeführt zu werden, vornehmlich wegen ihrer historischen Treue. An poetischem Werthe stellten sie einzelne Kritiker, wie z. B. Julian Schmidt, über Alles, was Meißner bis dahin geleistet.

Sofort nach dem Erscheinen dieses Werkes im Sommer 1851 ging Meißner an eine zweite dramatische Arbeit „Reginald Armstrong oder die Welt des Geldes“, eine Tragödie, die alsbald in Prag, Braunschweig und Hannover mit dem glänzendsten Erfolge gegeben, von den Hoftheatern in Berlin, München und Dresden zur Aufführung angenommen wurde. Aber die Aufführung in Wien, in der Saison morte von 1852, verdarb die glänzenden Aussichten, die das Stück verdiente. Dasselbe war nichts für die damalige Wiener Gesellschaft: viel zu innig, durchgeistigt, freisinnig – und zudem hatte der Dichter des „Ziska“, der Freiheitslieder des „tollen Jahrs“ dort einflußreiche Feinde. Das Wiener Theaterpublicum aber galt damals in ganz Deutschland als die inappellable Instanz über den Werth oder Unwerth eines neuen dramatischen Werkes. Hier wurde auch Meißner’s spätere dramatische Arbeit „Der Prätendent von York“, trotz ihres großen Erfolges in Weimar, durch die kühle Haltung des Burgtheaterpublicums zu Grabe getragen.

Damit war leider Meißner’s Entschluß besiegelt, dem dramatischen Schaffen zu entsagen und sich ausschließlich dem Romane zuzuwenden. Was er auf diesem Gebiete geleistet, wissen wir Alle. Aber seine Lebenserinnerungen brechen an dem Punkte ab, wo er in diese neue Bahn einlenkt, in der er Jahrzehnte ausharrte und Kranz um Kranz errang.

Dreißig Jahre sind darüber hingegangen. Aus dem Dreißiger ist ein Sechsziger gemordet. Aber frisch, aufrecht und schaffensfreudig, mit jugendlich warmem Herzen hält er die Wacht deutscher Gesinnung und Gesittung, deutscher Poesie nach wie vor in Oesterreich. Seine Ideale sind die seiner Jugend. Seine Feder ist sein Schwert, und er schlägt eine so kräftige Klinge wie irgend ein anderer Deutsch-Oesterreicher durch Reden im Reichsrath, oder durch Leitung eines der großen Organe der Wiener Presse. So möge dem trefflichen tapferen Dichter noch ein langes Schaffen und Genießen und bald auch Zeit und Lust beschieden sein, die Geschichte seines Lebens bis auf die Gegenwart weiter zu erzählen.


Brausejahre.

Bilder aus Weimars Blüthezeit.0 Von A. v. d. Elbe.
(Fortsetzung.)


19.

Nach dem Schloßbrande 1774 hatte man, um dem Kunstbedürfnisse des Hofes, besonders der Herzogin Anna Amalie, zu genügen, zuerst im Fürstenhause auf einer kleinen Bühne französische Stücke gegeben. Als dann Goethe die Leitung der gesellschaftlichen Freuden in die Hand nahm, wurde in dem Saale eines Hauses an der Esplanade eine größere Bühne aufgeschlagen und schon im vorigen Winter zu verschiedenen Aufführungen deutscher Stücke benutzt. Es spielte da vor einer gewählten Gesellschaft wer irgend Talent besaß, gewöhnlich aber gaben die Kammersängerinnen sowohl im Singspiele wie auch im Drama die Hauptrollen.

Mit dem Eintreffen Corona Schröter’s erhielt die Theaterlust neue Nahrung. Die Künstlerin richtete sich mit ihrer treuen Wilhelmine häuslich ein und trat bald unter großem Beifall in Concerten und Hofgesellschaften auf.

In derselben Weise wie im vorigen Jahre folgten auch in diesem Winter die geselligen Freuden, gleich einem Fries bunter Märchengestalten, einander auf dem Fuße. Alle die künstlerisch wirksamen Menschen ersannen täglich Neues und fanden von allen Seiten Beifall und Verständniß für jeden geistreichen und poetischen Gedanken.

Wie die einsame Trauerweide im einem Garten voll blühender Blumen, voll fruchttragender Bäume stand die Herzogin Luise zwischen der lebensfrohen Menge. Entschiedener noch als im ersten Winter ihrer Ehe mied sie die Freuden der Geselligkeit. Immer noch unter dem Vorwande der Trauer um den Tod der Schwester, immer noch im schwarzen Kleide, war sie nicht zu bewegen, in größere Kreise zu gehen, und schien selbst kleine Gesellschaften widerwillig zu besuchen.

Dem Herzoge ward dieses Wesen aber so unverständlich und so unbequem, daß er bereitwillig den unausgesprochenen Wunsch der Gattin erfüllte und sich, wo es anging, von ihr fern hielt. Er wußte, daß die stillschweigende Trennung zwischen ihnen seit Emiliens Tode und der sich daran knüpfenden peinlichen Unterredung datire; aber er, dem gänzlich entfallen war, was er eigentlich Verletzendes gesagt hatte, begriff nicht, wie Luise so lange zürnen konnte.

Mittlerweile suchte er sich auf jede andere Weise schadlos zu halten und machte verschiedenen Damen der Gesellschaft den Hof. Keine aber vermochte ihn dauernd zu fesseln. Auguste Kalb war ihm zu entgegenkommend, die Göchhausen zu wenig schön, Adelaide Waldner zu kindisch, Karoline Ilten zu verliebt in seinen Bruder, die liebliche Sophie von Schardt, die junge Schwägerin der Stein, zu harmlos und tugendhaft. Endlich interessirte ihn die ehrliche, frische Henriette von Wöllwarth, doch sah er, daß er seinem treuen Kumpan Wedel damit arg in’s Gehege komme, und so mußte er auch hier zurücktreten.

Goethe hatte sich entschlossen, auch den Winter über in seinem Gartenhause am Stern auszudauern. Er meinte, das alte Haus lasse sich repariren und das Gärtchen an der Ilm sei ihm gar zu lieb. Dann dichtete er mit Moos und Werg Fenster

und Thüren und richtete sich mit seinem Philipp in dem engen Neste wohnlich ein. Man betrat das Haus durch eine vom

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 558. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_558.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2022)