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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Blätter und Blüthen.

Der Plagegeist. (Mit Illustration S. 560.) Sommerliche Schwüle brütet auf den baumlosen Straßen des Dorfes, kein erfrischendes Lüftchen rührt sich, matt schleichen Menschen und Thiere auf dem Felde ihrer Arbeit nach, selbst die zahllosen Heere von Fliegen in der Wirthsstube des „Adler“ sitzen zu dicken schwarzen Haufen geballt regungslos auf den Bierflecken der Fensterbänke und der Tische, ihr Schwirren und Sumsen belebt nicht die Todtenstille des heißen Augusttages, und nur wenige Menschen würde man bei der Arbeit finden, wollte man die einzelnen Häuser des Dorfes besuchen. Nur Einer ist auf dem Platze, einer versieht seinen Posten gewissenhaft und ist zur Stelle: der dicke Wirth im „Adler“. Es ist ja Reisezeit, und mancher Tourist verirrt sich denn doch in diesen von Mutter Natur ganz leidlich ausgestatteten Erdenwinkel, da muß denn freilich der „Adler“-Wirth stets zur Hand sein. Er ist’s auch, aber nach seiner Art: den gefüllten Maßkrug und die Tabaksdose neben sich, sitzt er behaglich in seinem Polsterstuhl, die Brille auf der breiten stattlichen Nase liest er das eben eingelaufene Wochenblättchen und – harrt der Gäste, die da kommen sollen. Warten macht müde, zumal in solcher Hitze, das Bier ist ausgetrunken, der Andres, der Schlingel, der nie da ist, wenn man ihn braucht, hört auf kein Rufen, kein Schreien, und der dicke Alte ist denn doch zu bequem, um sich selber einen frischen kühlen Trunk aus dem Keller zu holen. Aergerlich brummend und knurrend vertieft er sich wieder in seine „Zeitung“, eben hat er die Mittheilung über die große neulich ganz genau beobachtete Seeschlange gelesen – da fallen die Augen zu, auf die Brust sinkt der dicke rothe Kopf, die Brille gleitet der längst zu Boden geflatterten Zeitung nach und ein sanftes Schnarchen schallt wie das Krächzen einer Säge in ästigem Holze durch die heiße, dumpfe Stube. Da – auf einmal ist der Andres, wie aus dem Boden gewachsen, in der Stube. Scheint sein Gehör auch schwach zu sein, so ist sein blitzendes, keckes Auge entschieden mit guter Sehkraft begabt, denn schnell hat er eine abgerissene Aehre auf dem Fußboden entdeckt und mit spitzbübischem Vergnügen kitzelt er den auf dem Schauplatz seiner Thaten entschlummerten Großvater. „Die Fliegen,“ murmelt dieser und macht eine schläfrige halbe Bewegung nach der Stelle hin, die der nichtsnutzige Bengel mit der Aehre bearbeitet. Doch immer kommt die „Fliege“ wieder, stets auf dieselbe Stelle setzt sie sich – plötzlich ist’s zu arg, der Alte erwacht, faßt die Aehre – aha – ein schneller Griff, und zwischen Daumen und Zeigefinger befindet sich wie in einem Schraubstocke das Ohr der „Fliege“. „Warte, Du Plagegeist!“ knurrt er, und gleich drauf hört man den Plagegeist recht menschlich weinen.


Zum Handwebe-Apparat. Man schreibt uns aus Ostpreußen: „In Nr. 27 der ‚Gartenlaube‘ wird unter Blätter und Blüthen auf einen Handwebe-Apparat hingewiesen, der von Frau Eugenia Wernicke erfunden worden ist. Bei uns in Litthauen kennt man einen ähnlichen Handwebe-Apparat schon seit langen, langen Zeiten. Jetzt freilich wird er von den Töchtern des Landes weniger gebraucht, als in jenen Zeiten, da das Deutschthum noch weniger Einfluß auf das Erlöschen der Gebräuche der eingeborenen Litthauer ausübte. Als Zeugen der Fertigkeit, welche man in Handhabung des genannten Apparates gehabt, findet man noch heute, auch selbst in jenen Häusern der Litthauer, wo schon die Muttersprache den deutschen Lauten gewichen ist, Bänder, die oft in erheblicher Breite und mit künstlichen Blumen durchzogen gewebt worden sind. Man staunt, wenn man die Arbeit und ihre Vollendung gegenüber dem Apparat betrachtet, wie es möglich ist mit einem so einfachen Werkzeuge eine so künstlerische Arbeit zu liefern. Die Frauen der Litthauer sind überhaupt im Weben auch auf dem Webstuhl Meisterinnen. Noch ist die Sitte nicht allenthalben unter den Litthauern geschwunden, daß die Braut vor der Hochzeit den Angehörigen des Bräutigams Geschenke in Gestalt selbstgewebter Bänder (Joastas) überreichen muß, und je künstlicher alsdann die Webart ausgefallen, desto freundlicher ist der Empfang des neuen Familiengliedes. Leider ist bei uns die Handhabung des Webe-Apparates – vielleicht aus falscher Scham – schon sehr geschwunden, dürfte aber sicher wieder in Aufnahme kommen, wenn dieselbe als Modesache behandelt werden würde.

E. K.“

Festzug in Freienwalde: Mohren aus der Colonie Groß-Friedrichsburg.


Das erste deutsche Schauspielhaus ist das 1530 zu Nürnberg von den Meistersängern erbaute gewesen. Augsburg folgte bald nach. In Frankreich waren schon hundert Jahre früher eigene Häuser für theatralische Aufführungen erbaut worden. In Italien benutzte man zu jener Zeit dazu noch die Ueberreste der alten Amphitheater. In London, wo man hauptsächlich in Wirthshaushöfen gespielt hatte, wurden 1576 die ersten drei hölzernen Schauspielhäuser errichtet.

J. L–r.

Ein Kunstmonopol. Nach dem schlesischen Kriege war es das erste Bemühen Friedrich’s II., die erschöpfte Staatscasse neu zu füllen, um so weit als möglich die Wunden seines Landes durch Segen des Handels und der Industrie zu heilen. Zu diesem Zweck verlieh er eine Anzahl Monopole, die ihre Käufer um hohen Preis zu erwerben hatten. Eines Tages meldete sich ein reicher italienischer Graf bei dem Könige, der Friedrich den Vorschlag unterbreitete, gegen Zahlung eines sehr bedeutenden Betrages die königliche Oper in Pacht zu nehmen. Der Monarch fand das Anerbieten überlegungswerth, aber gewohnt, in Sachen der Kunst mit seinem Musiklehrer Quanz, dem berühmten Flötenvirtuosen, zu berathen, theilte er demselben das beabsichtigte Geschäft mit und fragte um die Meinung des Künstlers.

„Ich bin außer mir, Majestät,“ lautete die Antwort, „und noch mehr werden es die Tonkünstler und Sänger sein, die völlig der Gnade und der Willkür ihres Käufers preisgegeben sein werden, bei dem ohne Zweifel mehr Prahlerei und Habgier als der Eifer für die Kunst Zweck seines Handelns ist.“

„Kann sein, Quanz, kann sein,“ meinte Friedrich, – „aber ich brauche Geld.“

„In diesem Falle sind Euer Majestät Herr und Meister über Ihre Oper; nur hätte ich, wird das Geschäft perfect, eine unterthänige Bitte im eigenen Interesse Euer Majestät zu wagen.“

„Laß Er hören.“

„Die Inschrift des königlichen Opernhauses lautet: ‚Fridericus Rex Apollini et Musis!‘ (König Friedrich Apollo und den Musen) – Wenn Euer Majestät nach dem Pachtcontracte das auslöschen lassen würden – –“

„Quanz!“ – der König wandte sich ab, – „laß Er dem italienischen Grafen sagen, ich könne von seinem Vorschlage keinen Gebrauch machen, aber red’ Er mir nie wieder von der Affaire!“

H. H.

Auflösung des Orakel-Quadrats in Nr. 32: Die vier Worte lauten: „Gran, Vega, Belt, Nanu.“ Die Buchstaben in diagonaler Richtung von links oben nach rechts unten – und fortsetzund von rechts oben nach links unten – verbunden, geben: „Gelungen!“

Auflösung des Bilder-Räthsels in Nr. 33: Zufriedenheit.


Kleiner Briefkasten.

F. R. in F. Sie haben Recht: der Maler des Bildes Christoph der Kämpfer in Nr. 30 unseres Blattes ist nicht J. Kirchner, sondern Fr. Kirchbach.

B. B. in M. Goethe’s Biographie von Scherr finden Sie im Jahrg. 1873.

Apotheker G. in G. Eine derartige Anstalt ist uns nicht bekannt.

E. L. in Saarbrücken, L. D. in C., C. K. in S., C. K. in Dortm., Richard Wanderer, A. N. in B. bei P., E. L. in P. Ungeeignet.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 568. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_568.jpg&oldid=- (Version vom 6.3.2021)