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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

bekannten Oberlieutenant A. Berger seine Unzufriedenheit mit dem für den Wildwagen bestimmten Exemplar eines ausgestopften Bären. Der Oberlieutenant versprach ein besseres Exemplar zu liefern, da er am nächsten Tag eine Treibjagd auf Wölfe und Bären in einer vier Stunden von Hermannstadt gelegenen Gebirgswaldung mitmachen werde. Weniger als 48 Stunden später löste er sein Wort glänzend ein, indem er den von ihm erlegten Bären, ein beiläufig 12 Jahre altes, riesiges männliches Exemplar, dem Festzugscomité großmüthig zur Verfügung stellte. In dem Körper des erlegten Ungethüms fand man bei der Abhäutung außer den zwei tödlichen Kugeln, die ihm Oberlieutenant Berger beigebracht hatte, nicht weniger als 11 in den Muskeln und Geweben gänzlich eingekapselte Kugeln, die Meister Braun wohl schon eine lange Reihe von Jahren mit sich getragen hatte. Die von demselben Nimrod angebotenen beiden Bärenjungen, die er im heurigen Frühjahr lebendig gefangen hat, konnten im Festzug nicht benutzt werden, weil man von dem Brüllen der jungen Unholde das Scheuwerden der Pferde befürchtete.

Die Gruppe der Schwerbewaffneten (vergl. S. 597) bildete den Schluß des Zuges. Sie wurde dargestellt von 80 bis 90 berittenen Männern des Dorfes Heltan nächst Hermannstadt, welches wegen seiner reizenden Lage am Fuß des Gebirges ein beliebtes Ziel für Sommerausflüge der Hermannstädter ist. Die Heltauer Männer sind wahre Hünengestalten und durch ihre Größe, aber auch durch ihren Unternehmungsgeist und ihre rastlose Thätigkeit im Lande weithin bekannt.

Der im Ganzen aus 800 bis 1000 Personen bestehende Festzug nahm seinen Weg durch einige Gassen der Stadt zu dem etwa eine halbe Stunde entfernten hochstämmigen Eichenwald, wo auf dem abgegrenzten Festplatz Lagerung und Morgenimbiß stattfand. Nachmittags leitete eine Ansprache des Anführers Hermann ein Festspiel ein, welches mit der Uebergabe des Bodens seitens der königlichen Gesandten begann und mit der Besitzergreifung, die durch Einstecken der gekreuzten Schwerter Hermann’s und des Plebans in den Boden symbolisirt wurde, endigte.

So war der historische Festzug der Sachseneinwanderung beschaffen. Indem er der Urväter Einwanderung in das schöne Waldland allem Volke vor Augen führte, hat er in ihm sicher auch das Bewußtsein seiner deutschen Stammeszugehörigkeit gestärkt. Hierin liegt des Festzugs tiefe ethische Bedeutung. Und wenn das Sachsenvölkchen rückblickt auf seine mehr als siebenhundertjährige, ehrenvolle Vergangenheit in diesem Lande, so mag es hieraus getrost frohen Lebensmuth schöpfen für die Tage seiner Zukunft. Möge es stets jener mannhafte Geist erfüllen, der auch aus der letzten dichterischen Darstellung der Sachseneinwanderung („Die Flandrer am Alt“. Historisches Schauspiel in fünf Acten von Michael Albert, Leipzig, Otto Wigand, 1883) so herzstärkend erklingt.

Wer gräbt, wenn wieder ein Jahrtausend ging,
Denkzeichen aus von uns, den deutschen Wandrern?“

so fragt sinnend Hermann, der Gründer von Hermannstadt, seinen muthigen Genossen Wolf, der ihm voll stolzen Kraftgefühls antwortet:

„Was sagt Ihr vom Jahrtausend, lieber Bruder?
Laßt’s kommen! Fegt in diesem Lande je
Das letzte Weiblein mit dem letzten Männlein
Der Sturm hinweg, dann schlagen unsre Knochen
Wie alte Wurzeln aus der Erde aus
Und treiben neue Schößlinge an’s Licht.
Hier stirbt der Deutsche nicht, darauf vertraut!
Wir kamen nicht zu flücht’ger Rast in’s Land.
Und liegt die Wildniß uns zu Füßen, gleich
Dem grimmen Wolf, den man zum Hund gezähmt,
Und der jedwedem Winke folgt des Herrn,
Dann sind die Höfe sicher, und wir lassen
Nicht mehr vom selbsterworbenen Besitz.
Mit Schweiß und Blut, mit Herzeleid und Wagniß
Verpflichten wir zur Heimath uns die Scholle.“




Der Kommabacillus.

Ein Nachtrag zu dem Artikel „Die Cholera-Gefahr“ in Nr. 30.

Wir glauben den Wunsch vieler unserer Leser zu erfüllen, wenn wir ihnen heute den vielbesprochenen und vielgefürchteten Kommabacillus in getreuer Abbildung vorführen. Als wir vor einigen Wochen an dieser Stelle eine kurze Schilderung dieses neuentdeckten gefährlichen Feindes der Menschheit zu geben versuchten, waren jene Abbildungen nicht zu beschaffen. Erst vor Kurzem hat sie Dr. Koch in der „Berliner klinischen Wochenschrift“, dem Hauptorgane der deutschen Aerzte, veröffentlicht.

Fig. 1. Kommabacillen auf feuchter Leinwand.
Vergrößerung 600 Mal.

Der Laie, der diese Zeichnungen zum ersten Male sieht, wird wohl schwerlich glauben wollen, daß jene gekrümmten Striche, die im wirren Durcheinander auf der ersten Figur gruppirt sind, organisirte, mit eigenartiger Bewegung ausgestattete Wesen darstellen. Und doch sind es reine Kommabacillen, und das Bild, welches wir vor uns haben (Fig. 1), ist die 600malige Vergrößerung eines Schleimflöckchens, das einer auf feuchter Leinewand ausgebreiteten Choleradejection nach zwei Tagen entnommen wurde. Wir sehen unter ihnen (bei a) auch S-förmige Gebilde, die aus zwei an einander hängenden Individuen bestehen. Die zweite Figur zeigt uns Kommabacillen in der Schleimhaut des erkrankten Darmes. Eine der kleinen schlauchförmigen Drüsen (a) ist schräg durchschnitten, und wir sehen, daß die Bacillen in ihr Inneres (bei b) gelangt und in die Umgebung der Drüse (c) eingedrungen sind. Die wichtigsten Erscheinungen, die sich auf das Leben und die Verbreitung dieses Organismus beziehen, haben wir bereits in unserem Artikel „Die Choleragefahr“ hervorgehoben. Als interessanten Nachtrag zu jener Schilderung geben wir heute noch die Beantwortung der Frage, auf welche Weise diese im menschlichen Darme entstehenden Bacterienvegetationen einen Menschen tödten können.

Fig. 2. Kommabacillen in der Schleimhaut des Darmes.
Vergrößerung 600 Mal.

Um dies zu erklären, wollen wir unsere Leser zunächst an die allgemein bekannte Erscheinung der Gährung erinnern. Jedermann weiß heute, daß zahlreiche mikroskopische Organismen in den Nährlösungen, in denen sie leben und sich fortpflanzen, gewisse eigenartige Substanzen erzeugen, die als Producte ihres Stoffwechsels angesehen werden müssen. So zersetzt z. B. die Hefe die Zuckerlösung, in welche man sie hinein gethan, in Alkohol, den berauschenden Bestandtheil unserer Biere und Weine, und in die schäumende Kohlensäure; so ist bekanntlich auch der Essig das Product mikroskopischer Wesen, die wir unter dem Namen „Essigbacterien“ kennen. Auch die Kommabacillen erzeugen im Darme einen Stoff, der giftig wirkt, der von dem Körper aufgesogen wird und die schweren allgemeinen Erscheinungen heftiger Cholera-Anfälle bedingt. Entwickeln sich die Kommabacillen rasch und in großen Mengen im menschlichen Darme, sodaß man die Entleerungen und den Darminhalt der Franken mit denselben gefüllt findet, dann werden auch große Mengen Gift entwickelt, welche tödlich auf unseren Organismus wirken, dann verläuft der Cholera-Anfall rasch und mit tödlichem Ausgange. Oft wird diese Vergiftung von dem Kranken überstanden und alsdann tritt Genesung ein oder auch, wenn bereits größere Zerstörungen der Darmschleimhaut vorhanden sind, erfolgt der Tod unter typhösen Erscheinungen erst im späteren Verlaufe der Krankheit.

Wir schließen unsere Mittheilungen über die epochemachende Entdeckung Koch’s mit einer von ihm entworfenen Schilderung der indischen Heimath des Kommabacillus: Im unteren Gangesdelta befindet sich ein unbewohnter Landstrich, Sundarbans genannt, der ein Areal von 7500 englischen Quadratmeilen umfaßt und sich auf der Karte durch eine scharfe Linie von dem dicht bewohnten nördlichen Theil des Delta scheidet. Hier lösen sich die großen Ströme Ganges und Brahmaputra in ein Netz von Wasserläufen auf, in denen bei Ebbe und Fluth das mit dem Flußwasser sich mischende Meerwasser hin und her wogt und zur Fluthzeit weite Strecken der Sundarbans unter Wasser setzt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 598. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_598.jpg&oldid=- (Version vom 13.10.2022)