Seite:Die Gartenlaube (1884) 732.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Von den Raubzügen der Sumpfschildkröte. (Mit Abbildung.) Unsere heimische Schildkröte, die einzige ihrer Art in Deutschland, ist ein ausgesprochener Liebling der Aquarien- und Terrarienbesitzer und gilt im Allgemeinen als ein ruhiges, geduldiges und sanftmüthiges Geschöpf. So meinen wenigstens Leute, die eine Schildkröte gezähmt haben, daß sie auf den Ruf „Hans“ oder „Ilse“ auf dem Futterplatz erscheint und ohne Scheu die ihr dargebotene Nahrung aus der Hand frißt. Die Naturforscher jedoch, welche die Sumpfschildkröte in Terrarien, die der Natur nachgebildet sind und den Thieren größeren Spielraum gewähren, beobachtet haben, berichten über andere Charakterzüge des anscheinend trägen Geschöpfes. Demnach ist die Schildkröte ein ausgesprochenes Raubthier und wagt sich nicht allein an Regenwürmer und Schnecken, sondern auch an Fische und Frösche heran. So beobachtete Marcgrave an gefangenen Schildkröten, daß sie arglos an ihnen vorbeischwimmenden Fischen Bisse in den Unterleib versetzen, die ermüdeten Opfer in’s Wasser ziehen und sie bis auf die Gräten verzehren. Oft wird dabei die Schwimmblase des Fisches abgebissen, sodaß sie in die Höhe steigt. Findet man daher derartige frei umherschwimmende Blasen auf der Oberfläche des Teiches, so kann man mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß in dem Wasser Schildkröten vorhanden sind. – Die Jagd der Schildkröte auf Frösche schildert uns Adolf Franke in seinem interessanten Buche „Die Reptilien und Amphibien Deutschlands“ (Leipzig, Veit und Comp.). Er hatte oft Gelegenheit, in seinem mustergültigen Terrarium (vergl. „Zwanglose Blätter“ „Gartenlaube“ 1883 Nr. 5) zu beobachten, wie ein Frosch, der auf Beute lauernd auf dem Wasser ausgestreckt lag, plötzlich an einem Hinterbeine von einer Schildkröte gepackt und trotz aller Befreiungsversuche verzehrt wurde. Es ist ein Bild seltener Grausamkeit, das sich dabei den Augen des Beobachters bietet, da die Schildkröten mit ihren Krallen das Fleisch stückweise von dem Körper ihres Opfers loslösen.

Die Sumpfschildkröte auf der Jagd.
Originalzeichnung von Emil Schmidt.

Die Liebhaber, welche Schildkröten im Hause halten, möchten wir bei dieser Gelegenheit auf den Umstand aufmerksam machen, daß unsere Sumpfschildkröte nur unter Wasser schlucken kann und darum auch jede auf dem Lande erhaschte Beute in’s Wasser trägt. Man füttert sie darum in der Gefangenschaft am besten, indem man einige Regenwürmer oder Stücke von Fischfleisch in eine Schüssel mit Wasser thut, in das auch die Schildkröte hineingesetzt wird.


Boshafte Entgegnung. Die berühmte Tänzerin Cerrito war ebenso flink mit der Zunge wie mit den Beinen. Im Jahre 1848 wurde sie, um im Programm der gelegentlich der Krönung König Maximilian’s II. von Bayern veranstalteten Festlichkeiten mitzuwirken, nach München berufen und trat daselbst im Ballet „La fille de marbre“ auf. Dasselbe schließt mit einer großen Zerstörungsscene, einer Feuersbrunst und einem Einsturz. Unglücklicher Weise versagte die Versenkung, welche die Tänzerin den Gräueln der Verwüstung entrücken sollte, den Dienst, und so mußte Fräulein Cerrito, bis der Vorhang fiel, in den Flammen und stürzenden Trümmern ausharren. Sie ward dabei auch in der That von einer herabfallenden Decoration an der Schulter verwundet und dadurch genöthigt, einige Tage das Bett zu hüten. Die Künstlerin beklagte sich mit Recht über diese grenzenlose Nachlässigkeit und forderte Schmerzensgelder. Der Intendant, dem man großen Ehrgeiz und lebhafte Sehnsucht nach einem hohen Orden nachsagte, meinte dagegen, daß der Unfall doch nicht so bedeutend gewesen sei, um davon so viel Aufhebens zu machen. „Nicht so bedeutend?“ rief die Cerrito erzürnt. „Nicht so bedeutend, wenn eine Decoration auf mich fällt? Sie haben doch wahrlich schlaflose Nächte genug wegen einer Decoration, die Ihnen nicht zufallen will.“ L. M.


Vorsichtige Kritik. Ludwig XIV. versuchte sich auch hin und wieder als Dichter. Einst hatte er wieder ein Poëm verfertigt und verlangte von Boileau ein Urtheil darüber.

„Eurer Majestät ist, wie ich sehe, Alles möglich,“ versetzte derselbe bewundernd; „Sie wollten einmal ein schlechtes Gedicht machen, und auch das ist Ihnen gelungen.“

L. M.


Andreas Romberg, der bekannte Componist der „Glocke“, wurde einst von einem kleinen Capellmeister, der von ihm beleidigt sein wollte, gefordert. Er beschied den Cartellträger des angeblich Beleidigten mit diesen Worten: „Degen oder Pistolen verstehe ich nicht zu führen. Aber Herr X. und ich wollen jeder eine Cantate setzen, und wessen Werk ausgepfiffen wird, der schießt sich todt.“ –w.


Doctor beider Rechte. Der berühmte Pianist Alexander Dreyschock (geb. am 18. Oct. 1818, gest. am 1. April 1869) war lange Jahre neben Liszt der hervorragendste Meister des Clavierspiels. Unübertroffen war er im Solospiel der linken Hand. Als ihn der berühmte Cramer in Parts zum erstenmal hörte, sagte er: „Dreyschock hat keine linke Hand, dafür aber zwei rechte Hände.“ Mit Bezug auf diese Worte schrieb der Humorist Saphir unter das von Kriehuber auf Stein gezeichnete Bildniß des Künstlers die Worte:

„Welchen Titel, der nicht hinke,
Man dem Meister geben möchte,
Der zur Rechten macht die Linke?
Nennt ihn Doctor beider Rechte.“

Fr.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_732.jpg&oldid=- (Version vom 29.4.2024)