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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Dann flüchtet der Besitzer zur Stadt zurück, hinter die dicken Mauern der alten Araberpaläste, in denen der moderne Kaufherr sich wohnlich eingerichtet hat. Dann spenden kaum noch die täglich genommenen Seebäder augenblickliche Erquickung.

Das Reisen ist nicht leicht im südlichen Spanien. Ein Maulthierritt, ein tüchtiger Marsch in die pfadlosen Berge ließe sich schon ertragen. Es fehlt da droben aber fast gänzlich an gastlichen Stätten, an Unterkommen und Beköstigung. Der Spanier ißt schon in dem tiefen Culturlande fast gar kein Fleisch, er zieht Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und Süßigkeiten aller thierischen Nahrung vor. Oben in den öden, wenig bewohnten Landschaften kennt man Fleischgerichte kaum. Auch streifen dort in Massen Schmugglerbanden durch die Gebigswildniß. Bewaffnete Trupps ziehen von Gibraltar oder von einsamen Küstenplätzen hinauf, schleppen Waaren in die kleinen Nester und sind bei ihrem gefährlichen Handwerk ziemlich verwegen geworden. Nicht Straßenräuber von Beruf, lassen sie doch oft die Gelegenheit nicht unbenutzt, eine Börse zu leeren, einen fetten Fang zu thun.

Cordova.
Originalzeichnung von R. Püttner.

Das verleidet Manchem die Streifzüge in jene unwegsamen Felsenbezirke, die, von jähen Schluchten zerrissen, erst in dem Vorgebirge von Gibraltar ihren Abschluß finden. Da thut denn die Eisenbahn gute Dienste. Von Malaga aus dringt sie hinauf in die Berge, die der Guadalhorce, der kleine den Golf bewässernde Fluß, durchreißt. Es gehört diese Strecke zu den gewaltigsten Bahnbauten Europas. An malerischen Reizen, an wilder Hochgebirgsromantik ist sie allen Alpenbahnen, die ich kenne, überlegen. Erst fahren wir durch anmuthiges reich bebautes Vorland, durch Zuckerplantagen, Orangenhaine, blühende Gefilde. Plötzlich verrammelt eine senkrechte, grauflimmernde Felswand den Weg. In schmaler Rinne, in engem Spalt bricht der Fluß durch dieselbe. In diesem Spalt klettert die Eisenbahn hinauf. Aber Riffe, Nadeln, vereinzelte Klippen folgen. Unten in düsterem Schlunde brüllt der schäumende Fluß. Wir sehen ihn kaum, wir hören ihn nur. Wegträger von schlankem Eisengerippe spinnen sich von einer Nadel zur anderen, Brücken schweben über den Steinbrüchen, in die Wände der Felsspalte hat man den Schienenweg eingeschrammt, er schwebt fast immer über der Tiefe (vergl. die Illustration auf S. 756).

Bricht die Straße einmal durch den Stein, um breiteren Boden zu gewinnen, so sehen wir wohl eine alte Maurenfeste von der Felsnadel aus die Umgebung und den alten Saumpfad beherrschen, sehen den Guadalhorce in hastigen Sprüngen von der oberen Bergstufe hinab in die Tiefe setzen, wo sein Wasser in stäubendem Gischt zerschellt. Aller Pflanzenwuchs hat hier aufgehört. Nur die Zwergpalme kriecht in niedrigem Fächergebüsch den kahlen Stein hinan, mit ihrer Wurzel den Felsen bröckelnd. Erst wenn der Blick wieder freier wird, tritt der geschäftige Pionier der südlichen Pflanzenwelt, die Cactus Opuntia hinzu, die ihre Wurzeln tief in den Steingrund treibt, dem Wasser den Weg öffnet, die Verwitterung beschleunigt. Nach kaum zweistündiger Fahrt ist die Höhe erklommen, eine völlig andere Welt umgiebt uns.

Es ist kühler, nordischer, ernster geworden. Der paradiesische Pflanzenwuchs hört auf. Die Palme, das Zuckerrohr, die Orange bleiben unten zurück, nur der Oelbaum und der Weinstock, die Granate und die Feige folgen uns auf die kältere Hochebene. An geschützten Stellen, in wohlgelegenen Gärten pflanzt man allenfalls noch den Orangenbaum; die Citrone braucht wärmere Luft. Nach Osten hin öffnet sich ein langes muldenförmiges Hochthal, flach von Hügelzügen auf beiden Seiten begrenzt, durchströmt von einem klaren Gebirgsflusse, der munter von Stufe zu Stufe niederspringt.

Hinten wird dieses Thal abgeschlossen von einem mit glänzendem Schnee bedeckten Gebirgsstock. Das ist das Thal des Genil, ist die Sierra de Nevada, aus der schon die Araber kostbaren Marmor, dunklen Jaspis, schimmernden Alabaster gebrochen haben; zu ihren Füßen liegt Granada. Hier zunächst entfaltet die südspanische Gebirgslandschaft die anmuthsvolle Seite ihres Charakters. Die schroffen Gegensätze sind gemildert. Die seitlichen Berge sind bis hoch hinauf mit Olivenhainen bedeckt, in dem Hochthal reift die Traube, da wächst der Maulbeerbaum, da spendet der Boden köstliches Obst, feine Gemüse, Getreide, Baumwolle, Flachs. Die Berge haben ihre Starrheit, der Thalgarten hat seinen Tropencharakter gemildert, das macht das Landschaftsbild harmonischer, lieblicher. Den Arabern hat auch die Vega von Granada ihre hohe Cultur zu danken.

Der Genil ist von ihnen durch diese Fluren geleitet worden, um jeden Bezirk zu ernähren und zu erfrischen. Auf der Höhe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_757.jpg&oldid=- (Version vom 4.10.2022)