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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

wird theils zu Maschinen- und Schmieröl, theils zur Fabrikation von Stearinkerzen und Seife verwandt. Wohl die wenigsten unserer Leser haben gedacht, daß ihr Haus, noch lange bevor die Kolonialfrage die Gemüther in Deutschland beschäftigte, Stoffe afrikanischen Ursprungs beherbergte, daß vielleicht in den Kerzen auf ihrem Nachttische sich Fettbestandtheile befanden, an deren Gewinnung ein Kamerunneger gearbeitet hatte, oder das Rohmaterial zu der weißen, nach Veilchen riechenden Seife einst auf einer Woermann’schen Hulk lagerte und die lange Reise über den Ocean durchgemacht hatte. Wer von uns denkt bei der Benutzung der verschiedensten Gegenstände an die Wanderungen und Irrfahrten, welchen sie in dem großen Getriebe des Welthandels unterworfen sind?

Der Baum, dessen Früchte das Palmöl liefern, ist an der westafrikanischen Küste von Sierra Leone bis tief nach Süden herab verbreitet, und nicht mit Unrecht hat ihm der Neger den Namen „der Vater der Palmen“ beigelegt. Die Oelpalme ist zwar nicht so stolz in der äußeren Erscheinung wie die schlanke Fächerpalme, ihr Haupt gleicht nicht den majestätischen Kronen der Kokospalmen, sie tritt so zu sagen bescheidener in der Vegetation des Urwaldes auf und gelangt nur in der Savanne, wo sie hoch „das Proletariat der Gräser“ überragt, zur vollen künstlerischen Wirkung in dem landschaftlichen Schmuck der Natur, – aber sie ist der nützlichste Baum, den der afrikanische Boden trägt.

Rauh und faserig ist ihr Stamm, mit den höckerigen Stümpfen abgestorbener Blattstiele besetzt. An seiner Spitze in einer Höhe von zwanzig bis dreißig Fuß streben schräg die einzelnen Blattwedel empor, eine Länge von zehn bis fünfzehn Fuß erreichend. Zwischen den Abzweigungen der untersten Blattstiele treibt der Baum seine Blüthe, hier hängt der mächtige Fruchtzapfen, der dreißig bis fünfunddreißig Kilogramm wiegt, einer riesengroßen Erdbeere gleicht und die Oelnüsse birgt. Viermal im Jahre blüht die Oelpalme, und viermal im Jahre hält der Neger die Ernte ab, um seinen eigenen Bedarf an Fett zu decken und für die europäischen Schiffe die willkommene Fracht zu sammeln.

Der „Vater der Palmen“ ist wohl der einzige Baum, dem der farbige Eingeborene einige Pflege angedeihen läßt. Freilich ist diese Kultur äußerst einfach, denn sie besteht nur in der Reinhaltung der Stämme von allen Blättern, welche zum Leben und Wachsen des Baumes nicht unbedingt nöthig sind, dann im Ausbrechen der männlichen Blüthenstände, sobald die Befruchtung vollzogen ist. Und diese geringe Mühe läßt sich der Neger nicht verdrießen. „Allüberall, wo sie ihr königliches Haupt erhebt, sucht der Neger“, wie Soyaux berichtet, „seinen Schritt hinzulenken. Zu jeder einzelnen Palme in der Savanne oder im Urwalde führen schmale Negerpfade, und der Boden um den Fuß des Baumes ist stets mit abgeschälten Blättern und männlichen Blüthenbestandtheilen bedeckt.“ Nur in vereinzelten Fällen findet sie der Reisende noch unberührt von des Menschen Händen.

Und wie lohnt die Oelpalme die geringe Mühe, die man ihr angedeihen läßt! Was braucht der Neger sich um Butter oder Talg zu sorgen! Er klettert einfach auf den Baum, schlägt den reifen Fruchtzapfen ab und trägt die schwere Last in seine Hütte, wo sie für Wochen allen seinen Bedarf an Fett befriedigt, ihm zur Bereitung der Speisen, als Haarbalsam und als einfache Salbe zum Einreiben des Körpers dient.

Ein solcher Fruchtzapfen giebt durchschnittlich ein Liter reines Oel, sodaß von einem Baum jährlich etwa vier Liter gesammelt werden. Die Gewinnungsmethoden der Fettmasse sind nicht in allen Gegenden gleich. In der Regel gräbt man die Früchte in die Erde ein und läßt sie etwa dreißig Tage liegen, damit sie einen Gährungsproceß durchmachen. Hierauf werden die Oelnüsse gestampft, das Fruchtfleisch von den wallnußgroßen harten Kernen getrennt und geschmolzen. Nachdem die Masse nothdürftig gereinigt worden, läßt man sie erkalten und bringt sie in die Faktoreien der Europäer. Das Fett hat jetzt die Dicke grüner oder schwarzer Seife, ist von trüb orangegelber Farbe und zeichnet sich durch einen schwachen veilchenartigen Geruch aus.

Schon in den Faktoreien pflegt man es in der Regel einer neuen Reinigung zu unterwerfen. Es wird in großen Kesseln nochmals geschmolzen und durch Ablaßhähne direkt in die großen Versandfässer geleitet. So wird das Oel am Congo, Ogowe und in Gabun bereitet.

An anderen Orten werden die Oelnüsse zunächst gekocht, dann in Mörsern zerstampft und wiederum in kochendes Wasser gelegt, von dem man das geschmolzene Fett abschöpft.

In Kamerun und an der Küste von Ober-Guinea wird das Oel in ähnlicher Weise gewonnen, ist aber flüssiger als das aus den südlicher gelegenen Faktoreien. Hier wird es in thönerne Kalebassen oder in hohle Kürbisse gefüllt und also zum Kauf angeboten. Ueber den Tauschhandel von Kamerun haben wir in einem früheren Artikel berichtet (vergl. „Gartenlaube“ 1884, Nr. 37) und möchten hier nur noch hinzufügen, daß ein Kru Palmöl (etwa vierzig Kilogramm) mit europäischen Waaren bezahlt wird, deren Werth etwa zwanzig Mark nach den dortigen Preisen beträgt und die in Europa wohl für fünf Mark zu kaufen wären. Die originelle Art und Weise, wie das Oel im Benuëgebiet zur Versendung bereitet wird, veranschaulicht die nebenstehende Illustration.

Nach Europa gelangt das Palmöl größtentheils in ranzigem Zustande und ist darum ungenießbar, als frische Waare soll es selbst von den Weißen, die sich bald an den eigenthümlichen Geschmack gewöhnen, gern genossen werden. So berichtet z. B. Dr. A. Reichenow in seiner vor Kurzem erschienenen trefflichen Schrift „Die deutsche Kolonie Kamerun“ (Berlin, Gustav Behrend): „Das frische Oel hat einen sehr angenehmen Geschmack, und Fische, in Palmöl gekocht, oder Palmölsuppe mit ‚Fufu‘ (aus geschlagenen Yams bereitete Schaumklöße) sind Gerichte, welche auch den verwöhnten Gaumen europäischer Feinschmecker angenehm zu reizen vermögen.“ Dies dürfte jedoch Geschmackssache sein, da andere afrikanische Reisende in ihren Berichten über das auf ihrem Tisch ewig wiederkehrende Palmöl klagen.

Die Palmkerne wurden früher als werthlos bei Seite geworfen, erst in der neuesten Zeit erkannte man ihren Werth und bringt sie in großen Massen nach Europa. Hier wird aus denselben auf hydraulischen Pressen etc. das Palmkernöl gewonnen und zu ähnlichen Zwecken wie das afrikanische Palmöl verwendet. –

Damit ist jedoch die Liste der Wohlthaten, welche die Oelpalme den Bewohnern Afrikas erweist, nicht erschöpft. Dort wo die Weinpalme (Raphia vinifera) fehlt, wird aus dem Safte der Oelpalme der erfrischende Palmwein gewonnen. Er ist in Afrika überall zu haben und wird in jedem Negerdorfe zu Spottpreisen feilgeboten.

Im Vergleich zu den Mühen und Sorgen unserer Weinbauer ist das Loos des afrikanischen Palmweinfabrikanten ein beneidenswerthes. Er schneidet einfach einige Blüthenstiele ab und sammelt den reichlich fließenden Saft des Baumes in eine Kürbisflasche. Wenn er nur die männlichen Blüthen nach der erfolgten Befruchtung der weiblichen abschneidet, so liefert ihm der geduldige Baum Wein und Oel in gleicher Fülle, und der Glückliche kann, wie oben angedeutet wurde, viermal im Jahre Wein- und Oelernte halten.

Allerdings hat der Palmwein mit seinem deutschen Namensvetter wohl nicht mehr als den letzten Theil des Namens und ein wenig Alkohol gemein. Er ist nicht klar, nicht golden, wie der Sohn der rheinischen Weinrebe, sondern molkig, wie Kuhmilch, die man stark mit Wasser verdünnt hat; er muß auch „frisch vom Baum“ getrunken werden und schmeckt dann süßsauer, ist also dem Most ähnlich. Er gährt schnell, schon nach einigen Stunden, und wem es gelingt, den unbändigen Gesellen, der alsdann alle Gefäße sprengt, in der Flasche festzuhalten, der kann sich den Genuß eines afrikanischen Champagners erlauben, der im Geschmack den europäischen Schaumweinen nahe kommt.

Der Palmwein hat schon manchen Reisenden, der im Dienste der Wissenschaft die weiten Gebiete Afrikas durchkreuzte, erfrischt und mit neuer Kraft belebt, er wird auch in Zukunft unsere deutschen Landsleute stärken, die in fernen Ländern arbeiten, um Deutschland die ihm gebührende Stellung im Welthandel zu erhalten.

Und so wollen wir am heimathlichen Herde bei der Jahreswende der Pioniere unsrer Kolonialmacht gedenken und mit goldenem Rheinwein in grünen Römern anstoßen: Auf ein gutes Glück der deutschen Kaufleute in Elfenbein- und Palmölgeschäften für das Jahr 1885!

Gewinnung des Palmöls.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_017.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2024)