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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

schnippische helle Blondine vorgestellt, die den Vorzug, eine Baumhagen zu sein und das reichste Mädchen der Stadt, in allerhand vagen Launen an ihren Verehrern auszulassen pflegte. Nun fand er das Trudchen aus der Kirche, ein holdes schlankes Geschöpf, ein Mädchen mit einfachem unverbildeten Gemüth, das keinen andern Stolz besaß, als den eines edlen Weibes.

Unwillkürlich schritt er rascher; er wollte der freundlichen Aufforderung, an dem Feste theilzunehmen, nachkommen. Aber am Eingang des Hôtels war er wieder anderer Meinung; er mochte sie nicht als moderne Gesellschaftsdame sehen, wollte nicht das liebliche Bild verwischen, das er vorhin durch die kleinen Fenster erblickt in dem ärmlichen Stübchen. Er hätte es auch nicht ertragen, wenn sie ihm im kerzenhellen Ballsaale mit jener Herablassung entgegengetreten wäre, die er heute an ihr tadeln gehört. Er beschloß nach Hause zu fahren.

In diesen Gedanken war er nochmal die Straße zurückgegangen; nun stand er wieder vor dem Blumenladen. Nach raschem Besinnen trat er ein und verlangte einen einfachen Strauß. Die Verkäuferin hielt gerade ein wagenradähnliches Monstrebouquet mit reicher Spitzenmanschette in der Hand, um es einem Boten zu übergeben.

„Also an Fräulein Baumhagen,“ bestellte sie dem Ausläufer, „hier die Karte.“

Franz Linden erblickte auf derselben ein großes Wappen über dem Namen. Unschlüssig trat er zurück. Da wandte sich die Verkäuferin zu ihm.

„Einen einfachen Strauß,“ wiederholte er nun doch. Es war keiner vorräthig, man wollte jedoch rasch einen binden. Der junge Mann wählte selbst die Blumen aus dem mit nassem Sand gefüllten Zinkkasten und reichte sie hin. Es mußte ihm eine angenehme Beschäftigung sein, denn er nahm immer wieder eine Rose zurück und gab dafür eine schönere. Endlich war es vollendet, ein graziöses Bouguet aus weißen Rosen, die Kelche zart rosa gefärbt wie schämiges Mädchenerröthen; Frauenhaar und zitternde Farren dazwischen. Er betrachtete noch einmal das zierliche Gewinde, zahlte und ging zum Hôtel zurück; dort legte er die Blumen auf den Tisch, ließ sich vom Kellner Schreibzeug und ein Kouvert bringen, nahm eine Visitenkarte und schrieb. Mitten darin hörte er auf; er lächelte, „’s ist ein Unsinn,“ sprach er halblaut, „sie wird längst das große Bouquet in der Hand halten.“ Dann schrieb er weiter und überlas noch einmal:

„Darf der Gevatter heut den Strauß noch senden,
Den eigentlich nach Recht und alter Sitte
Beim Tauffest schon er hätte sollen spenden?
Bescheiden naht er; seine Rosen wagen
Nur stummen Gruß zu flüstern und die Bitte,
Zum Feste, heute Abend, ihn zu tragen.“

Er lächelte wieder, kouvertirte und gab vor dem Hôtel Brief und Blumen einem Dienstmann mit der Weisung, dem Fräulein Baumhagen Beides zu überbringen. Und nun kam ihm ein Gedanke: – um acht Uhr begann das Fest, in zehn Minuten war es soweit – er wollte Trudchen Baumhagen sehen, sehen – ob sein Strauß – Unsinn! Wie sollte sie dazu kommen? Aber dennoch, er wollte warten. „Gut, daß der Amtsrichter das nicht mit ansieht!“ flüsterte er vor sich hin. Es war ihm zu Muthe wie einem Kinde vor Weihnachten, so froh und so erwartungsvoll, während er an der Marktseite vor dem Hôtel auf und ab wanderte.

(Fortsetzung folgt.)


Eine Verschwörung.

Von0 Johannes Scherr.
(Fortsetzung.)


5.0 Von der Spürnase eines ci-devant Jakobiners und wie
die feine Witterung selbiger Nase sich bewährte.

Da war nämlich der Fouché, zur Schreckenszeit einer der langfingerigsten und erbarmungslosesten „Konventskommissäre“, später Polizeiminister Bonaparte’s und unlängst, als sich der „erste“ Konsul zum „lebenslänglichen“ hatte vorrücken lassen, seiner Ministerschaft entkleidet. Dazumal hatte es der Gewalthaber noch für angezeigt erachtet, der öffentlichen Meinung dann und wann eine kleine Zubilligung zu gewähren, wenn auch nur eine formale. Darum war das allgemein verhaßte Polizeiministerium aufgehoben und die Polizei mit dem Justizministerium vereinigt worden, welches der „Großrichter“ Régnier leitete. Dieser überließ die oberste Verwaltung der Polizei dem Staatsrath Réal, welcher weder das Schieß- noch ein anderes Pulver erfunden hatte. Fouché jedoch setzte als der Polizeikünstler, der er war, auch im Privatstande das Spähen und Kundschaften liebhaberisch fort. Er hatte es einzurichten gewußt, daß ihm seine vormaligen Mouchards auch jetzt noch dienstbereit zur Hand waren, und da er um jeden Preis wieder Minister werden wollte und demzufolge seine Unentbehrlichkeit dem „Lebenslänglichen“ darthun mußte, so ließ seine Spürnase Tag und Nacht vom eifrigen Schnüffeln nicht ab. Besagtes Organ besaß in der That eine feine Witterung und der Besitzer desselben war dadurch zur Zeit seiner terroristischen „Missionen“ in Toulon, in Lyon und anderwärts in den Stand gesetzt worden, die 12 oder 14 Millionen zu wittern und aufzuspüren, welche er – immer zur größern Ehre der Freiheit, Gleichheit und Bruderschaft – damals für seine Privatkasse zusammengefingert hatte. Die Herren – was sag’ ich? – die Bürger Konventskommissäre hatten ja, mit wenigen ehrenwerthen Ausnahmen, schon so ungeheuer lange Finger entwickelt, daß sogar die napoleonischen Marschälle nachmals auch mit dem besten Willen die ihrigen kaum noch mehr zu verlängern vermochten. Item, die Generale der Republik hatten die Philosophie der Langfingerfertigkeit ebenfalls von Grund aus verstanden. Waren doch sogar an den Fingern des „biederen“ Moreau von den Kontributionen, welche er in Deutschland für Rechnung der französischen Republik erhoben hatte, 3 oder 4 Millionen nur so hängen geblieben.

Fouché also ist es gewesen, welcher den Ersten Konsul aufmerksam machte, daß vonseiten der Royalisten etwas wider ihn im Werke sein müßte. Der weiland Polizeiminister war von seinen Agenten zu gut bedient, als daß ihm die Anwesenheit einer nicht geringen Anzahl von Emigranten und Chouans, die ja doch nicht immer in ihren Schlupfwinkeln stillliegen konnten oder wollten, hätte entgehen können. Bonaparte mochte sich erinnern, daß Fouché’s Spürnase schon dazumal nach dem Mordkrach der Höllenmaschine nach der richtigen, d. h. nach der bourbonischen Seite hin geschnüffelt hatte, und er war daher sehr geneigt, auf die Zuflüsterungen des ci-devant Jakobiners zu hören. Zudem hatte er sich ja schon gesagt, daß der Wiederausbruch des Krieges mit England die Bourboneriche in Bewegung bringen würde, und seine Besorgnisse mußten nach dieser Richtung hin bedeutend verschärft werden dadurch, daß ihm ein Einblick in die vom englischen Gesandten in München betriebenen Machenschaften aufgethan worden war. Diese Machenschaften, der Konsularregierung verrathen durch einen von Drake’s Agenten, einen Franzosen, der aus einem Republikaner ein Soldknecht der englischen Diplomatie geworden, hatten zunächst den Zweck, die Geheimnisse des französischen Kriegsplanes aufzuhellen; dann aber auch, alle vonseiten der Emigranten gegen Bonaparte gerichteten Anschläge zu unterstützen. Ein unmittelbarer oder auch nur mittelbarer Zusammenhang der Umtriebe des Gesandten mit der Verschwörung Cadoudals hat jedoch nicht stattgefunden.

Bonaparte’s Argwohn war geweckt, und weil gleichzeitig da und dort, in der Normandie, in der Vendée, bourbonische Regungen, obzwar nur schüchterne, bemerkbar wurden, so beschloß er, um Licht in das Dunkel zu bringen, auf’s Gerathewohl eine Anzahl von der Chouanerie mehr oder weniger verdächtigen Leuten verhaften zu lassen, welche man in Paris und in der Provinz gerade unter der Hand hatte. Diese Verhaftungen gingen vor sich und der Erste Konsul wählte aus der Liste der Verhafteten fünf, in der Hoffnung, dieser oder jener derselben würde dem Kriegsgerichte, vor welches sie gestellt wurden, Geständnisse machen. Zwei sprach das Kriegsgericht los, drei verurtheilte es zum Tode. Zwei davon ließen sich erschießen, ohne mehr bekannt zu haben, als daß sie nach Frankreich gekommen, der Sache des legitimen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_360.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2020)