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verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Sorge, daß die Katze das Kind einmal gefährlich verletzen könne, war meinerseits völlig ausgeschlossen. Es würde zu weit führen, wollte ich hier noch mehrere derartige Züge, welche für die Klugheit dieses Thieres sprechen, anführen, ich habe ja überhaupt nur beiläufig davon erzählt. Vornehmlich in der Absicht es mit vollem Nachdruck hervorzuheben, daß nach meiner Ueberzeugung die Katze bei einsichts- und verständnißvoller Erziehung mehr oder minder eine gleiche Klugheit entwickeln kann, wie solche der gutgeartete Hund in hohem Maße zeigt.

Nun zurück zur Vogelkatze auf der Ausstellung des Vereins „Ornis“. Da kam sodann der Thierschutz und trat mit voller Entrüstung gegen die Vogelkatze oder vielmehr den Aussteller derselben in die Schranken. Vornehmlich die mildherzigen Schwärmerinnen von jener Seite des Thierschutzes, dessen Sinnbild ein in Thränenfluthen gebadetes Schoßhündchen ist, machten mir als Vorsitzenden des Vereins für Vogelkunde, -Schutz und -Liebhaberei das Leben recht schwer. Was nützte es mir, daß ich einige der Damen heranführte, um ihnen sachgemäß an allen vorhandenen Gesundheitszeichen den Beweis zu liefern, daß die Vögel sich sämmtlich in vortrefflichster Pflege befanden und des besten Wohlseins erfreuten; kopfschüttelnd suchte man immer wieder nach neuen Einwänden, um solche „unerhörte Thierquälereien“ zu verdammen, und endlich, als alle Pfeile an den schlagenden Gründen, welche ich aufstellen konnte, abprallten, wurde mir als letzter Einwurf die Grausamkeit der Dressur entgegengestellt. Ja, hieß es, wie viele harte Züchtigungen müssen dazu gehören, um eine Katze bis zu einer solchen völligen Verleugnung ihrer Raubthiernatur zu bringen, welche Qualen muß sie durchgemacht haben, um soweit abgerichtet zu werden, daß sie friedlich mit den Vögeln zusammenlebt! Hier aber, in diesem Punkte, waren die guten Thierschützerinnen nun eben dort angelangt, wo ich ihnen mit vollstem Nachdrucke entgegentreten konnte.

Gleicher Weise, wie jeder Mensch lernen und, je höher er stehen und je freier er sein will, desto mehr lernen muß, so ist auch Unterricht, oder nennen wir es Abrichtung, für jedes in näherem Verkehr mit dem Menschen stehende Thier nothwendig; je besser das Thier abgerichtet, je mehr es dazu gewöhnt zu werden vermag, seine thierischen Neigungen und Lüste abzulegen und menschliche Gewohnheiten anzunehmen, Kunstfertigkeit oder auch nur Kunststücke zu erlernen, beziehentlich nachzuahmen, desto näher steht es doch offenbar dem Menschen. Sollten wir nun also in der Abrichtung, das heißt Erziehung unserer Thiere, wirklich arge Thierquälerei sehen müssen? Da würden wir auf einen schlimmen Weg gerathen – den nämlich, daß wir durch Verwilderung unserer Genossen aus der Thierwelt das wieder verlieren, was der Mensch in tausendjährigem Streben errungen hat.


Vom Meeresstrand.

Du frägst, wie ich hier lebe? – Still, verträumt! –

Auf gelben Sand des Dünenhangs gestreckt,
Schau ich ins weite Meer. – Rings Alles einsam.
Strandhafer duftet stark zu meinen Häupten,
Die blaue Distel, die der Meersand nur,
Vom würz’gen Salzhauch stets gefeuchtet, trägt,
Lockt rings die Bienen an: sie summen emsig. –
Das Buch liegt aufgeschlagen neben mir;
Ich lese nicht: ein kleiner Schmetterling,
Mit Perlenäuglein auf den Unterflügeln,
Sitzt auf dem weißen Blatt und sonnt sich froh.
Am duftumzognen Himmel wandert rasch
Ein weiß’ Gewölk vor’m Seewind in das Land;
Ein braunes Fischersegel weit im Meer –
Rings Alles still. Eintönig rauscht der Anschlag
Der Wellen: denn die Ebbe fluthet rückwärts.
Manchmal ein schriller Schrei: und blitzgeschwind,
Mit blendend hellem Schein der weißen Schwingen,
Taucht in die blaue Fluth die Silbermöwe:
Dann wieder Alles still und groß und einsam. –

Du frägst, wie ich hier lebe? – Still, verträumt! –

  *  *  *

Am Abend war’s. – Die Sonne sank ins Meer.
Ich blickte träumend in die Wolkenbilder,
Die Wind und Licht und Schatten wechselnd schufen. –

Bald Walhalls Zinnen, silberhell gethürmt,
Von dunkler Riesen ungefüger Schar,
Von Bär und Wolf und hochgebäumter Schlange
Bestürmt: – umsonst! Sie taumeln rücklings nieder.

Bald Geisternachen, die mit Purpursegeln
Weißarm’ge Jungfraun tragen durch die Luft.

Bald steigen aus der Fluth versunkner Städte
Hochgieblige Häuser, altersbraun, – –
Das Rathhaus mit der breiten Balustrade:
Es fehlt der Dom: doch leise hör’ ich’s klingen:
  „Julin! Julin!“
Ja, aus der Tiefe läutets in Julin!

Bald Drachenschiffe, Schild an Schild am Bord:
Blutrothe Wimpel flattern von den Masten,
Im Adlerhelm am Bugspriet steht ein Held –
Die Büffelhaube deckt des Feindes Haupt:
Sie fahren grimmig auf einander! Schau,
Wahrhaftig! Lanzen fliegen durch die Luft: – –
Nein. Sonnenstrahlen waren’s: und ein Traum! –

Und dort, am Werderstrand, die weiße Maid,
Hochragend: – eine Kön’gin acht’ ich sie.
Es fliegt im Wind gelöst ihr gelbes Haar,
Sie ringt die lichten Hände über’m Haupt:
Du, Gudrun, bist’s! Getrost! Siehst du, schon zieht
Heran auf grauer Fluth der wilde Schwan,
Der dir die Rettung weissagt: dort vom Westen
Der treue Wate watet schon ans Land,
Und fernher aus den Nebeln tönt Gesang
Das ist Herrn Horand’s zaubersüßes Lied! – – –

Als ich erwachte, war es dunkle Nacht:
Verschwunden waren Goldgewölk und Bilder,
Verschwunden waren alle meine Träume! –
Fast schmerzte mich’s! – –

Doch vor mir rauschte stets noch groß das Meer,
Und über meinem Haupte stand ein Stern,
Und Meer und Stern, sie sprachen still zu mir:
„Nicht klage du um das in deinem Leben,
Was dir verging wie Goldgewölk und Traum:
Vergänglich war’s: drum mußt’ es untersinken:
Was ewig ist an dir – das bleibt bestehen.“ –


Berliner und Wiener Küche.

Von Paul von Schönthan.

Ich weiß, es ist ein prosaisches Thema, das ich da im Begriff stehe zu berühren, aber gerade die Leserinnen, die „edlen Frauen“, denen am meisten daran gelegen ist, „daß Alles wohl sich zieme, was geschieht“, werden mir den Fehltritt, „vom Essen“ zu sprechen, vergeben; ach, die poetischste der Frauen hat Stunden gehabt, oder sie warten ihrer, wo die prosaische Küchenfrage an sie herantritt, und es ist eine erdrückende Last, die auf den Schultern des zarten Geschlechtes ruht.

Besonders die norddeutschen Hausfrauen leiden bitter unter dieser Bürde, es lastet wie ein Alp auf ihnen, dieses „was soll morgen gekocht werden?“ und ich kenne eine liebenswürdige reizende junge Hausfrau, auf welche die gewöhnlich beim Familiensouper erstattete Meldung: „Der Schlächter ist da“ (um die Bestellung für den nächsten Tag entgegenzunehmen) fast jedesmal eine verwirrende und niederschlagende Wirkung ausübt.

Die Berliner Küche, die fast durchweg den durch Naturanlagen nicht eben ausgezeichneten, vielfältig in Anspruch genommenen weiblichen Dienstboten überlassen ist, kennzeichnet sich durch eine Einfachheit, welche mich, als ich vor einer Reihe von Jahren Berlin zum ersten Mal betrat, erschreckte und erschütterte; jeder Oesterreicher hat ja ein unendlich feines Empfinden dafür. Ich war niedergeschlagen, vernichtet von dem Eindrucke, angenehme und wirklich charmante Menschen, die so gebildet und geistreich sprachen, bei einem dem süddeutschen Geschmack

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verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1885, Seite 662. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_662.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)