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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

No. 9.   1886.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 21/2 Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Was will das werden?

(Fortsetzung.)


8.

So schien denn diese Wetterwolke, ohne größeren Schaden angerichtet zu haben, vorübergezogen zu sein, und auch sonst schickte sich alles nach Wunsch. Schlagododro hatte kaum erfahren, daß „der Schein, auf den er bestand“, von mir eingelöst werden würde (woran er in letzter Zeit doch manchmal gezweifelt haben mochte), als er seine ganze sonnige Gutmüthigkeit und Liebenswürdigkeit gegen mich hervorkehrte, wie wenn unsre Freundschaft nie ein Hauch getrübt hätte. Ellinor von Vogtriz hatte den versprochenen Besuch bei Maria sogleich am folgenden Tage gemacht und alles mit ihr verabredet. Ich hatte die junge Dame auch diesmal nicht gesehen, wie ich sie denn auch vorher wissentlich nie gesehen hatte – begreiflicherweise, da wir uns in so völlig verschiedenen Kreisen bewegten, falls dieser Ausdruck überhaupt auf mich angewendet werden konnte. Maria, die sonst so gelassene, war wieder so voll des Lobes der Schönheit und Liebenswürdigkeit ihrer „Freundin“ – ein Ausdruck, welchen sie geflissentlich mehrmals gebrauchte – daß ich jetzt definitiv beschloß, dieselbe weder schön, noch liebenswürdig zu finden. Ueberhaupt trug ich für die ganze Angelegenheit eine Gleichgültigkeit zur Schau, die ich innerlich keineswegs empfand. Begreiflich genug. War es doch das erste Mal, daß ich mich auf längere Zeit aus den gewohnten Verhältnissen entfernen, in völlig andere treten, mich unter fremden Leuten bewegen sollte in einem vornehmen, reichen Hause, ich, der ich nie den Fuß in ein solches gesetzt hatte und mir von demselben Vorstellungen machte, die zu meiner wachsenden Unruhe mit jedem Tage ungeheuerlichere Dimensionen annahmen. Und diese Unruhe wurde gewiß durch den Gedanken nicht beschwichtigt, daß die Menschen, deren Gastfreundschaft ich jetzt in Anspruch nehmen wollte, Aristokraten waren, mit denen ich, der Republikaner, nichts zu schaffen hatte und also ehrlicherweise keine Gemeinschaft pflegen durfte. Nicht, weil sie ein Von vor dem Namen führten! das thaten die Werin's auch, aber sie alle dachten so großartig frei; ich war bei ihnen nie auf ein Vorurtheil gestoßen, das mich hätte verletzen, auf eine Anschauung, die ich nicht hätte theilen können. Im Gegentheil! ich war in dem Verkehr mit diesen hochbegabten Menschen im Schwunge über meinen früheren beschränkten Horizont weit hinausgetragen worden; hatte nun erst recht das Niedrige und Gemeine verachten lernen, mich von glühender Begeisterung für die höchsten Ideale, für Recht und Freiheit, erfüllen lassen. Und von Schlagododro, der doch so viel gemäßigter dachte, als ich, wußte ich, daß er wegen seiner Freisinnigkeit in seiner ganzen Familie verschrieen war, gerade so, wie bei den Junkerlein in unserer Klasse, deren wir eine

Junge Venetianerin.0 Nach dem Oelgemälde von E. v. Blaas.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_149.jpg&oldid=- (Version vom 2.2.2024)