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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Die Liebe höret nimmer auf. (Mit Illustration S. 152 und 153.) W. Kray ist Meister in Stimmungsbildern, in denen Wogen und Wolken den effektvollen Rahmen zu irgend einer originellen Herzens- oder Leidensgeschichte bilden. Das Absonderliche der Situation, in welche er die Gestalten seiner Phantasie versetzt, sichert den Erfolg seiner Bilder in weitesten Kreisen. Auch das von uns in dieser Nummer reproducirte Gemälde trägt diesen allgemeinen Charakterzug der Kray’schen Schöpfungen. Die Fabel von der Liebe, die nimmer aufhört, ist alt, wie das menschliche Herz, das Gewand aber, in welches sie hier eingehüllt wurde, keineswegs gewöhnlich. Der Phantasie des Betrachters ist der weiteste Spielraum gelassen; man könnte zu diesem Bilde lange Geschichten als Erläuterung schreiben, aber wir meinen, den Inhalt der Stimmungsbilder soll man nachfühlen und nicht ausdenken – wenn man ihre Wirkung voll und rein erhalten will. *      

Auf der Wanderschaft. (Mit Illustration S. 161.) Die Scene, welche dieses mitten aus dem Leben herausgegriffene Bild wiedergiebt, läßt sich mit wenigen Worten erläutern. Ein hungriger, aller Baarmittel entblößter Handwerksbursch zieht auf der Straße an Fleisch- und Bäckerläden vorüber und kämpft mit der Versuchung, sich durch die landesübliche Kunst des „Fechtens“ in den Besitz von Nahrungsmitteln zu setzen. Tausend andere thun es in diesem Falle ohne Zaudern; der Wanderbursch auf unserem Bilde ist aber nicht von dem gewöhnlichen Schlag, er setzt, ohne zu betteln, seinen Weg fort, bis er Arbeit und Lohn findet. Erfreulich ist das Ende der hier angedeuteten Geschichte, das man aus dem Bilde selbst allerdings schwerlich errathen könnte, welches aber durchaus der Wahrheit entspricht.

Der Wanderbursche hat sein Ziel glücklich erreicht, Arbeit gefunden, und Dank seinem Fleiß ist er mit den Jahren ein angesehener und reicher Mann geworden, so daß er kürzlich dem trefflichen Künstler E. Daelen in Düsseldorf den Auftrag geben konnte, das Bild zu malen, welches jenes Erlebniß seiner Jugendzeit mit charakteristischer Treue wiedergiebt. *      

C. Michael †. Nur in engeren Kreisen ist es bisher bekannt geworden, daß der Name „C. Michael“ ein Pseudonym war; heute braucht er ein Geheimniß um so weniger zu umschließen, als Marie Wolf, die begabte Schriftstellerin, welche ihn annahm und zu Ehren zu bringen wußte, seit dem 4. Februar nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Der Lebenslauf der Verblichenen bietet nichts Besonderes und Außerordentliches. Ihre Jugend war sonnig, die Zeit der zweimaligen Ehe glücklich, nicht zu unfreundlich das spätere Alter. Ihre öffentliche Wirksamkeit begann Marie Wolf erst im reiferen Alter, im Jahre 1879, und seitdem erschienen außer den Plaudereien in der „Gartenlaube“ – meist unter dem Gesammttitel „Vernünftige Gedanken einer Hausmutter“, unter welchem sie später auch zu einem viel begehrten Buche vereinigt wurden (Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig) – fast jedes Jahr zwei oder drei Arbeiten in Buchform, von welchen namentlich die für die reife weibliche Jugend bestimmten Erzählungen „Robertine“ (nach dem Französischen der Frau von Staël),[WS 1] „Rings um die Welt“, „Der Mann mit der Wünschelruthe“ (sämmtlich im Verlag von O. Spamer in Leipzig) mit verdienter Anerkennung zu nennen sind.

Interessant war die Sorge, mit welcher die werdende Schriftstellerin anfänglich bemüht war, ihr Geheimniß vor der nächsten Umgebung zu hüten. Sie selbst hat darüber sowie über die erste Veranlassung zu ihrer litterarischen Thätigkeit in einem Briefe das Folgende erzählt:

„Es war im Jahre 1879. Ich war mit meiner Kasse gar knapp bestellt. Als ich nun in meinem Schreibtisch kramte, fand ich tief unter den vielen Wirthschaftsbüchern und Vormundschaftsrechnungen ein Heft von kleinen Aufsätzen, die ich in früheren Jahren zu meinem Vergnügen niedergeschrieben hatte. Der Gedanke blitzte in mir auf: Ob man nicht etwas davon verwerthen könnte? – Ich packte einige dieser Sachen zusammen, und am Ostermorgen früh fuhr ich damit auf den Bahnhof Riesa und gab das Packet an die Redaktion der ‚Gartenlaube‘ zur Post. Ich hatte den Umweg nicht gescheut, um nur ganz heimlich zu Werke zu gehen, denn auf dem nächstgelegenen Großenhainer Postamt hätte man ja – meine Schrift gekannt.“

Nun, die schüchtern hinausgesandten Erstlinge hatten Erfolg, und die Verfasserin hätte – im Gegensatz zu manchen Andern! – es weder damals noch später nöthig gehabt, sich unter angenommenem Namen zu verstecken. Dietrich Theden.     

Die inhaltsschweren Worte. Im Jahre 1830 trat der erste Landtag des Königreichs Sachsen zusammen, oder wie man ihn damals noch nannte, der „Ständetag“. Man versprach sich außerordentlich viel von dieser Versammlung, und es war daher natürlich, daß sich auch die Mitglieder derselben eine außerordentliche Wichtigkeit beilegten. So kam es, daß die gewählten Mitglieder insgesammt beschlossen, sich ein Jeglicher portraitiren und das Portrait lithographiren zu lassen. Man konnte also durch Ankauf aller in gleichem Formate gehaltener Bildnisse sich für ein billiges Stück Geld eine schöne „Gallerie zukünftiger Berühmtheiten“ anlegen, und jeder Einzelne konnte seine Verwandten und Freunde mit seinem Bildnisse erfreuen. Jeder mußte seiner Unterschrift irgend ein schönes klangvolles Motto, womöglich mit den Worten eines großen Dichters, beifügen, und wer selbst in den Dichtern keinen rechten Bescheid wußte, der zog einen Litteraturkundigen zu Rathe. Das Ständemitglied Neumann, ein tüchtiger Bauer, aber sonst kein Schriftgelehrter, gerieth an einen Spaßvogel, und auf dessen Rath schrieb er unter sein Porträt: „Drei Worte nenn’ ich Euch inhaltsschwer: Johann Gottfried Neumann!K. B.     



Sprechsaal.


Neues für den Haushalt. Vielfach ist von unseren Abonnenten der Wunsch geäußert worden: wir möchten im Sprechsaal unaufgefordert von Zeit zu Zeit über neue praktische Erfindungen, Geräthe etc., die für den Haushalt bestimmt sind, kurz berichten. Wir kommen hiermit auch diesem Wunsche nach und erwähnen zunächst

eine neue Petroleumlampe für den Familien- und Studirtisch,

welche von der bekannten Lampenfabrik Schuster und Bär in Berlin unter der Bezeichnung „Neue Patent-Reichs-Lampe“ auf den Markt gebracht wird. Ihre Leuchtkraft erreicht das Doppelte einer gewöhnlichen Tischlampe mit weitestem Brenner. Daher genügt eine Lampe für den Familientisch, an dem drei bis vier Kinder ihre Schularbeiten zu machen haben und die Mutter ihre Näherei besorgt; ebenso verbreitet sie auf dem größten Studirtische genügende Helle, ohne durch Hitze zu belästigen, da der bereits früher in der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1882, Nr. 49) besprochene Doppelcylinder dieselbe abschwächt.

Eine eigenartige Konstruktion verhindert durch Luftzuführung die Erhitzung des Petroleums und schließt dadurch die Explosionsgefahr aus. Der Oelverbrauch ist um ein Geringes größer als bei den gewöhnlichen Lampen, was aber bei denjenigen nicht in die Wagschale fallen wird, die ihre gesunden Augen brauchen und zu erhalten wünschen. Die Reinigung der einfach und dauerhaft konstruirten Lampe ist ebenso wie das Abschneiden des Dochtes und das Eingießen des Petroleums bequem und leicht zu handhaben. Dasselbe System ist auch bei Hängelampen ausgeführt, die in entsprechender Dochtgröße mit einer einzigen Flamme einen ziemlich großen Salon glänzend zu erleuchten vermögen. Die Form ist bei den Tisch- wie bei den Hängelampen geschmackvoll und elegant.


Frage 6: Welches Mittel können Sie mir empfehlen, um bebrütete Eier von leeren zu unterscheiden?

Antwort: Man untersucht in den ersten Bruttagen, gewöhnlich am sechsten oder siebenten Tage, die Eier auf ihre Befruchtung mit Hilfe des Lichts und nennt dieses Verfahren das Spiegeln oder Schieren der Eier. Das bebrütete Ei erscheint gegen helles Licht gehalten dunkel, das unbefruchtete ist durchscheinend, wie ein frisch gelegtes. Sehr zu empfehlen sind für diesen Zweck die „Eierprüfer“ oder Eierspiegel, die man schon zu dem billigen Preise von 75 Pfennig erwerben kann. Neue Erfahrungen haben erwiesen, daß es wünschenswerth ist, die Eier bei der Untersuchung in der natürlichen Lage zu belassen, da ein Aufrichten derselben den Embryo zerstören kann. Nach dieser Regel werden die Eier in der Hühnerzuchtanstalt St. Ilgen bei Heidelberg mit besonders konstruirten Eierspiegeln untersucht. Die St. Ilgener Spiegel kosten allerdings 12 Mark das Stück. Im Uebrigen verweisen wir Sie auf das treffliche neu erschienene Werk „Die Geflügelzucht nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkt“ von Bruno Dürigen (Berlin, Paul Parey, 1886). *      



Allerlei Kurzweil.


Auflösung der geometrischen Komponir-Aufgabe in Nr. 7:


Auflösung des magischen Tableaus „Cotillonorden“ in Nr. 7: Die Anzahl der in den Zacken des Ordens befindlichen weißen Querstriche zeigt die Ordnung an, in welcher die Buchstaben an den Zacken zusammenzusetzen sind. In gleicher Weise giebt die Zahl der weißen Blätter der im Mittelfelde befindlichen Blume die Reihenfolge der bei denselben stehenden Buchstaben an. Die Worte heißen: „Carneval in Rom“.S. Atanas.     



Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

Jul. N. in Wien. Rudolph Scipio’s treffliche Erzählung „Ein deutscher Ritter“ bildet den 6. Band von „Ebhardt’s Jugendbibliothek“, welcher auch die Erzählung „Mitten im Leben“ von A. Gnevkow angehört. Beide Verfasser wenden sich an das reifere Alter.

Ein deutscher Arbeiter in Wohlin. Freundlichen Dank für Ihre Zusendung von Briefmarken, wir bitten um mehr.

L. S. in Kairo, F. G. P. in Wien, Ein langjähriger Abonnent in Düsseldorf: Nicht geeignet. A. S. P.: In der Form zu schwach, darum nicht verwendbar. H. M. in München: Dank! Wir sind versorgt. A. T. V.: Schwindel.


Inhalt: Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 149. – Junge Venetianerin. Illustration. S. 149. – Ein Pygmäen-Theater. Von Hermann Pilz. Mit Illustrationen. S. 156. – Die Andere. Von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 157. – Nervöse Magenleiden. Von Professor Dr. E. Heinrich Kisch in Prag-Marienbad. S. 160. – Blätter und Blüthen: Dank und neue Bitte. – Ein Heim für deutsche Erzieherinnen in Paris. – Zwei Schachmeister. S. 163. – Die Liebe höret nimmer auf. S. 164. Mit Illustration S. 152 und 153. – Auf der Wanderschaft. S. 164. Mit Illustration S. 161. – C. Michael †. Von Dietrich Theden. – Die inhaltsschweren Worte. – Sprechsaal. – Allerlei Kurzweil: Auflösung der geometrischen Komponir-Aufgabe in Nr. 7. – Auflösung des magischen Tableaus „Cotillonorden“ in Nr. 7. – Kleiner Briefkasten. S. 164.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Autorin der französischen Robertine war nicht Frau von Staël, sondern Frau von Bawr.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_164.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2024)