Seite:Die Gartenlaube (1886) 324.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Graf, nur ein Ziel im Auge hat, im rücksichtslosen Dienst für dasselbe es auch mit der Wahrheit nur so lange halten kann, als nicht ihr Gegentheil für seinen Zweck geboten ist, – auch dafür bietet die Geschichte des Geheimnißvollen Belege. Nicht den Arzt hatte der Graf gerufen, sondern den Mann voll hoher Lebensweisheit. Ihm erzählte er Das aus seiner Jugendzeit, was wir oben bereits angeführt haben. Er ging aber weiter, sagte, daß er in Weimar und Jena zu Schiller’s Zeit gewesen und mit Loder enger bekannt geworden sei. Endlich erwähnte er auch die Todte bei einer Reise nach Wien zu Kaiser Alexander. „Denken Sie,“ sprach er, „damals war die Dame schon bei mir; ich mußte unaufhaltsam mit Kurierpferden reisen; die Dame konnte ich nicht verlassen, sie mußte mich begleiten, und Niemand durfte ihr Dasein ahnen.“ – Später äußerte er: „Ich wollte Sie für die Kranke als Arzt rufen lassen, doch sie wollte das nicht, hätte auch Opfer von Ihnen verlangt“ – und als Hohnbaum erwiderte, ein Arzt sei gewohnt, Geheimnisse zu bewahren, fuhr der Graf auf: „Herr, Sie wissen gar nicht, welche Verantwortung Sie auf sich genommen hätten, wenn ich Sie zu dieser Dame geführt hätte!“ – Stimmt diese Bedeutung der Todten wirklich zu der bürgerlichen Mamsell Botta aus Westfalen?

Wenn auch der alternde Herr jetzt nicht mehr so oft, wie früher, mit dem Fernrohr zu den Fenstern eilte, wenn Frachtfuhren oder Post- und andere Wagen auf der Chaussée sich dem Dorfe näherten, so konnte er doch nie zur inneren Ruhe kommen. Wie sicherlich schon früher (bei der Vermeidung des persönlichen Verkehrs mit Pfarrer Kühner!) fürchtete er als die letzte Gefahr für sein Geheimniß – sich selbst! Klagte er doch nach der allerdings fünfstündigen Unterhaltung mit Hohnbaum seiner Korrespondentin: „Es geht mir wie den Nonnen; wenn sie einmal sprechen dürfen, so sprechen sie zu viel.“ Und wirklich erhielt Hohnbaum keine zweite Einladung. – Zu Anfang des Jahres 1843 bat er, zum Behufe einer Testamentserrichtung, den Chef des Hildburghäuser Kreis- und Stadtgerichts, Justizrath Rommel, zu sich. Auch dieser hat in dem Greis „einen sehr feinen, hochgebildeten und über seine Umgebung auf das Genaueste unterrichteten Mann“ zu bewundern; es entspinnt sich eine sehr anregende Unterhaltung, aber – war es Scheu vor einer Erörterung persönlicher Verhältnisse? – zu einem Testament kam es nicht.

Wir nahen dem Ende dieses Trauerspiels ohne Schluß. Von der Gicht heimgesucht, trat der Greis in das Jahr 1845. Als er die Gefahr seines Zustandes erkannte, stieg seine Unruhe von Tag zu Tag, und endlich sahen, hörten und – rochen die Diener, daß er in hastiger Thätigkeit war: er räumte auf! Der Geruch verbrannter Papiere durchdrang alle Räume. In den letzten Tagen und Nächten rief er oft den Namen seiner früheren Dienerin Johanna aus, der alten Köchin, welcher er 26 Jahre lang so Vieles erzählt hatte, die vor wenigen Wochen gestorben war und deren Tod ihn so sehr zu beruhigen schien. Sehr oft hörte man ihn sagen: „Daß ich doch zu keinem Entschluß kommen kann!“ Zu Johann Schmidt, der mit Frau und Kindern bereits im Schloß wohnte, ließ er auch die Schmidts vom Berggarten herbeiholen, und am 6. April befahl er Simon Schmidt mit Schreibzeug zu sich. Er wollte ihm seinen letzten Willen diktiren. Abermals vergebens, – der schwere innere Kampf dauert fort; am 7. befiehlt er, einen Boten zum Gericht zu senden, aber kaum ist der Bote auf dem Weg, so muß er zurückgerufen werden, und das wiederholt sich mehrmals, bis die Ermattung Herr über den Sterbenden wird. Da spricht er noch: „Wenn ich sterben sollte wird man einen öffentlichen Aufruf erlassen; darauf wird eine Dame kommen, denn der einzige männliche Erbe, den ich hatte, ist verunglückt, dann werdet Ihr sehen, daß für Euch gut gesorgt ist.“ Mit diesen Worten, von deren letztem, verheißenden Theil sich später nichts bewahrheitet hat, beschließt er sein Leben.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Ludwig Börne’s Gedenktag. Am 6. Mai 1786 wurde als eines jüdischen Wechslers Sohn in Frankfurt am Main Ludwig Baruch geboren, der bei seinem Uebergange zum Christenthum den Namen Ludwig Börne annahm. Ein Jahrhundert ist seit seiner Geburt verflossen, fast ein halbes Jahrhundert seit seinem Tode (1837). Und noch immer ist sein Angedenken lebendig bei den Zeitgenossen: man ehrt in ihm einen unbeugsamen politischen Charakter, der in der Zeit des deutschen Bundestags anfangs die Principien des Liberalismus, später die des Radikalismus mit Begeisterung vertreten und wie wenige Andere den Haß der Metternich und Gentz auf sich geladen. So sehr die Zeiten sich geändert, so sehr das deutsche nationale Bewußtsein erstarkt ist, so wenig eine Schrift wie Börne’s „Menzel, der Franzosenfresser“ jetzt noch für den Ausdruck der herrschendenn Gesinnung gelten darf: Börne ist durch die Schärfe und Energie seines Stils, durch die Verschmelzung des Charakters und der politischen Richtung und Gesinnung, die er gerade deßhalb mit seltener Schlagkraft zum Ausdrucke brachte, ein leuchtendes Vorbild der späteren Publicistik geworden. Immerhin läßt es sich nur so erklären, daß ein Autor, der nie ein größeres zusammenhängendes Werk verfaßt, der nur Skizzen und Humoresken, Theaterkritiken, Reisebriefe und publicistische Artikel und Ergüsse veröffentlicht hat, einem so breiten Platz in unserer Litteraturgeschichte einnimmt. Wie anmuthend freilich sind seine Humoresken im Stil Jean Paul’s, dem er eine so glänzende Denkrede gehalten, wie einflußreich jene geistvollen dramaturgischen Berichte, die nicht nur damals Aufsehen erregten, sondern noch jetzt Muster sind für die geistreiche und witzige Feuilletonkritik, und welch ein Feuer politischer Parteibegeisterung lodert in seinen „Briefen aus Paris“! Er war ein Vorkämpfer der modernen Litteraturepoche, ein Patriot im Sinne des Tacitus, der die Schwächen seines Volkes und seiner Zeit geißelte, nicht mit schadenfrohem Hohne, sondern aus echter Vaterlandsliebe. So wird unsere mit Kränzen so verschwenderische Zeit wohl einen Kranz übrig haben für den Grabstein auf dem Père-Lachaise, das schlichte Erinnerungszeichen des vereinsamten deutschen Politikers, das sich schüchtern neben den glänzenden Mausoleen der französischen Staatsmänner und Generale erhebt. G.     

Blüthenzeit, schönste Zeit. (Mit Illustration S. 321.) Ich denke eines Frühlingsspaziergangs indem ich unser Früblingsbild betrachte. Vor Jahren war es. Ich wanderte einsam, abseits einer Stadt in ländlicher Natur. In der Nähe keine Menschenstimme, nur Ammernruf und Lerchensang und der stille, sonnige, geheimnißvoll sich entfaltende Lenz. Ich schritt einen Hohlweg mit mannshohen Böschungen entlang, rechts oben von einer Hecke aus Hainbuchengebüsch begleitet.

Da rührte es sich hinter der Hecke, und ich sah auf und sah hinter der undichten sprossenden Hecke grelle Farben von Kinderkleidern. Leise stieg ich aufwärts, denn ich belausche gern Kinder.

Im Durchblick sah ich, was mir unvergeßlich eingeprägt ist. Eine blumige Wiese, darin zwei Blumen pflückende Kinder. Fünf Schritte vor mir aber kauerte ein süßes Geschöpf von vier Jahren, ein Blondkopf mit ernsthaften großen, blauen Augen, steif wie eine wendische Bauernbraut bei der Brautschmückung, und eine ältere Gespielin kniete vor ihr und steckte ihr das Haar voll Veilchen, Gänseblumen und Butterblumen. Ernsthaft und schweigend wurde die Arbeit verrichtet. Die Schattenstreifen und Schattenflecken von der Hecke fielen auf die Gruppe, nur das runde Rosengesichtchen mit den Blumen über sich leuchtete von Sonne.

Ich machte eine unvorsichtige Bewegung, und die großen blauen Kinderaugen wandten sich zu mir her, und über das Gesichtchen lief ein strahlendes Lächeln.

Ich hätte es küssen mögen, dieses Kind, aber ich that es nicht. Ich stieg in den Hohlweg nieder, und mein Herz sprach:

Das ist der Frühling! V. B.     



Sprechsaal.



Auf die Frage 10 unseres Sprechsaals, landwirthschaftliche Lehrinstitute für Damen betreffend, werden uns folgende Anstalten genannt:

Haushaltungs- und Molkereischule zu Roggenburg (Bayern);
Haushaltungsschule Klosterberg (geleitet von Schulschwestern de N. D.) für Mädchen am Maria-Hilf-Berg bei Amberg.

Zur Frage 13, die Reinigung der Fußböden von Lackanstrich betreffend, erhalten wir folgende Zuschrift: „Man kauft zuerst eine gute Reisbürste mit 8 bis 10 Centimeter hohem Rücken; gewöhnlich muß man sie erst machen lassen; der Rücken ist deßhalb so hoch, damit die Hände der Waschenden so wenig wie möglich mit dem Wasser in Berührung kommen. Dann kauft man beim Materialisten (oder Droguisten) für eine Mark (50 Kreuzer) „Aetznatron“. Davon thut man ein eigroßes Stück in ein Halbliter großes Töpfchen, gießt heißes Wasser darauf, schüttet’s nach einem Weilchen, wenn’s ein bischen zergangen ist, auf den Fußboden, reibt diesen tüchtig mit der Bürste, spült mit warmem Wasser und einem Waschfetzen ab und geht so Parkette um Parkette weiter, wäscht das Zimmer zwei- oder dreimal, bis der Boden desselben weiß ist.“ Eine Abonnentin in P.

Frage 14: Bei meinem Konversations-Lexikon (Halbfranz-Einband) sind schon seit längerer Zeit an verschiedenen Bänden auf dem Rücken und den Deckeln Spackflecke stark vorhanden und trotz sorgfältiger Behandlung nicht fortzubringen gewesen. Sollten dennoch diese Flecken nicht durch irgend ein Mittel zu beseitigen sein und die noch nicht damit behafteten Bände davor verschont werden können?

Frage 15: Wie kann man Schalen und Grus von geröstetem Kaffee verwerthen?



Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)


A. O...tz in D. Der von Ihnen genannte Bauverein hat sich aufgelöst. – Eine belehrende Schrift über Arbeiter-Bauvereine ist die folgende: F. Schneider. „Mittheilungen über deutsche Baugenossenschaften, mit Vorwort von Schulze-Delitzsch“. (Leipzig 1878, Julius Klinkhardt.)

Oberlahnstein. Die Namensunterschrift des die „Monatsschrift für Pilzkunde“ betreffenden Briefes ist so unleserlich, daß uns direkte Antwort unmöglich ist.

K. S. in Wien. Auf die betreffende Anstalt paßt das, was in dem Artikel „Briefliche Kuren“ gesagt worden ist. Wenden Sie sich an einen Arzt.

R. H. Wir danken Ihnen für die Mittheilung, daß auch der Stettiner Touristen-Klub Winter-Ausflüge veranstaltet.

J. H. B. Jahrgang 1866 ist vergriffen, Jahrgang 1867 können Sie durch jede Buchhandlung beziehen.

C. S. Elisabeth in L. und Ernst Sch. in C. Nicht geeignet.

Gemäldeverkauf. Die Unterschrift Ihres Briefes ist völlig unleserlich. Geben Sie uns Ihre Adresse deutlich an, dann werden wir Ihnen brieflich antworten.



Inhalt: Die Lora-Nixe. Novelle von Stefanie Keyser (Fortsetzung). S. 309. – Bilder von der Ostseeküste. Danzig. Von Fritz Wernick. S. 312. Mit Illustrationen S. 309, 312, 313 und 314. – Erinnerungen an den Dichter des „Ekkehard“. S. 314. Mit Portrait S. 316. – Die Ausstellung des Ornithologischen Vereins in Wien. S. 317. Mit Illustrationen S. 317 und 138. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 318. – Noch heute „das geheimnißvolle Haus“. Neue Studien und alte Erinnerungen von Friedrich Hofmann (Fortsetzung). S. 322. – Blätter und Blüthen: Ludwig Börne’s Gedenktag. S. 324. – Blüthenzeit, schönste Zeit. S. 324. Mit Illustration S. 321. – Sprechsaal. – Kleiner Briefkasten. S. 324.



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_324.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2021)