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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

hallenden Schrittes: ein Officier auf der Ronde mit seinen Leuten. Sie konnten eben so wohl in mein Gäßchen biegen; mochten sie den Vagabunden mit zur Wache nehmen! Ich hatte nur Aug’ und Ohr für meinen Flüchtling.

Die Patrouille war vorüber, Alles war wieder still. Da der dumpfe, mir so wohl bekannte Ton, wenn die Riemen eines Bootes gegen die Pricken drücken. Und noch ein paar bange Minuten, dann gleitet über die offene Stelle des Hafens, welche ich gerade von meinem Standpunkt überblicken kann, zwischen den großen Schiffen ein Boot. Ich sehe es deutlich in dem hellen Mondschein, und daß Zwei die Riemen führen, während ein Dritter am Ruder sitzt. Es gleitet pfeilschnell dahin und ist im nächsten Moment hinter dem dunkeln Schiffskörper rechts verschwunden. Die „Cebe“ liegt weiter draußen; aber einmal in dem Außenhafen, sind sie vor jeder Verfolgung sicher. Gott sei Dank!

Und dann saß in dem Gäßchen, in dem Winkel auf dem Bretterhaufen, auf welchen der Mond schien, ein armer Junge, den Kopf in die Hand gestützt. Er hatte gethan, wozu ihn sein Herz getrieben, und er bereute es nicht. Aber, als jetzt eine benachbarte Thurmuhr zwei schlug und von den andern Thürmen es weiter hallte in der großen fremden Stadt, die ihm nach dem, was er hier durchlebt, als ein schlingendes Ungeheuer erscheinen mußte, und er nun im Geist die Ankerketten des Schiffes rasseln hörte, das einen Geretteten in das Land der Freiheit trug – es wird wohl Keiner so grausam sein, den armen Jungen zu verachten, wenn er da das Gesicht in die Hände drückte und bitterlich weinte.

(Fortsetzung folgt.)

Vom Jubelfest der Berliner Dienstmannschaft.

Zur Erinnerung an die Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens der Dienstmanns-Institute.


 „Ne, ne, der Nante is nich dumm,
 Nachjrade kriegt er Bildung,
 Er dient mit Fleiß det Publikum. –
 Des sieht man an die Schildung.“
     „Eckensteher Nante“ von Friedrich Beckmann.

Eine interessante Erinnerung taucht mir jedesmal auf, wenn ich über den Dönhoffsplatz von Berlin gehe und in der Nähe der gewaltigen Erzsäule, welche die dankbare Nachwelt dem großen Bürger Stein gesetzt hat, mich umblicke; ich muß dann eines längst verstorbenen Mannes gedenken, dessen Thätigkeit recht bedeutungsvoll für das Wohl und Wehe einer Anzahl seiner Mitmenschen gewesen. Hier auf den Bänken lagern nämlich die sogenannten Sonnenbrüder, jene Bummler und Tagediebe, in denen wir die alten Eckensteher, wie sie dereinst Friedrich Beckmann so gemüthlich und urkomisch geschildert und wie sie uns Eduard Jakobson im „Lachenden Berlin“ jetzt wieder vor Augen führt, wenigstens einigermaßen lebenstreu vor uns haben. Vergleichen wir nun aber mit dem Eckensteher Nante seine Nachfolger, die Dienstmänner von Berlin, so finden wir wohl ernste Veranlassung dazu, uns den zu vergegenwärtigen, der in humanem Streben und mit genialem Weitblick jene Einrichtung, welche man als die Dienstmanns-Institute bezeichnet, ins Leben gerufen und diesen Leuten also dazu verholfen hat, daß man sie nicht mehr bloß als gemächliche Bummler ansehen darf, sondern als gewissenhafte und treue, geschickte und kenntnißreiche Arbeiter schätzen muß.

Nur zu oft im Leben bringt das Columbus-Ei einer guten, hochwichtigen Idee dem, der es zuerst thatsächlich fest auf die Spitze gestellt, leider nur geringen oder gar keinen Nutzen; so auch hier. Der Kaufmann Eduard Berger in Bromberg, dessen Portrait in dem Medaillon unserer Anfangsvignette unter dem Dienstmann aus der guten alten Zeit wiedergegeben ist, war ein reichbegabter und strebsamer Mensch; trotzdem ließ ihn einerseits ein ruheloses und unstätes Wesen und andrerseits ein unheilvolles Geschick keineswegs zum Genuß der Früchte seines Strebens gelangen. Den höchsten Lohn, welcher ihm zu Theil geworden, fand er in der Ehre, daß die von ihm ins Leben gerufenen Dienstmanns-Institute sich rasch von Ort zu Ort verbreiteten und daß städtische Behörden von weit und breit her sich an ihn wandten mit der Bitte um Belehrung über die Grundzüge dieser für die dienenden Leute so wohlthätigen, wie für das große Publikum vortheilhaften Einrichtung. Im Uebrigen fand er keine thatsächliche Belohnung, sondern er ging elend zu Grunde und starb im Schuldgefängnisse.

Nach meiner Ueberzeugung führte Berger zur Errichtung dieser Institute viel weniger das Streben nach Erwerb und Reichthum, als der leider nur nicht genug geklärte und solid begründete Drang, seinen Mitmenschen zu nützen. Ed. Berger hatte beim Magistrat von Bromberg nach und nach die Pläne für siebzehn verschiedene Unternehmungen eingereicht, darunter: Vertretung der Bürger beim Feuerlöschen durch Dienstmänner (Feuerwehr gab’s damals noch nicht), Einrichtung von Stadttelegraphen, Vermittelung von Vermiethung aller dienenden Personen (Dienstboten-Vermiethungsbureaus waren ja auch noch nicht vorhanden) u. A. m.

Berger selbst gab seiner Schöpfung den Namen Gepäckträger-Institute. Die mit gleichmäßigen Abzeichen versehenen Angehörigen derselben hießen jedoch in Bromberg, wo das erste Gepäckträger-Institut begründet wurde, dann auch in Posen, Schneidemühl, Danzig, Königsberg u. a. O. Bergersleute; erst seitdem solche Einrichtungen auch in Berlin ins Leben getreten, wurden sie Dienstmänner genannt.

Die Organisation der Dienstmanns-Institute wurde von folgenden Grundsätzen aus festgestellt. Jeder dieser Arbeiter muß eine durchaus zuverlässige Persönlichkeit sein; das Polizeipräsidium von Berlin ist gegenwärtig bei der Ertheilung der Berechtigung so streng, daß ein Führungszeugniß für die letzten zehn Jahre verlangt wird. Ferner muß jeder Dienstmann eine gewisse Summe, die sogenannte Kaution, niederlegen, mit welcher er für jeden von ihm etwa verursachten Schaden, durch Vernachlässigung, Verlieren, Veruntreuung etc. aufzukommen hat. In der Regel beträgt diese Summe 75 Mark, in der Gesellschaft der selbständigen Dienstmänner von Berlin aber für jedes Mitglied 1000 Mark. Jeder Dienstmann hat seine bestimmte Nummer, sein Dienstbuch mit einer Uebersicht aller Verrichtungen, die er übernehmen muß, mit Angabe der Preise für seine Leistungen, einem sogenannten Wegmesser, und Alles dies ist durch eine ausführliche „Polizeiverordnung betreffend den Betrieb des Dienstmanns- Gewerbes“ geregelt; außerdem hat jeder seine bestimmten Abzeichen, insbesondere ein Schild mit seiner Nummer an der Mütze zu tragen, und schließlich muß er gedruckte Marken mit Nummer und Preis bei sich führen.

Wenngleich alle diese Vorschriften im Laufe der Zeit allerdings auch immer weiter ausgebaut und vervollkommnet wurden, so waren sie im Wesentlichen doch bereits sämmtlich von Berger aufgestellt: Zu den wohlthätigsten Einrichtungen gehören auch die damit verbundenen verschiedenen Kassen, wie Kranken-, Altersversorgungs- und Wittwenkasse. Die Grundzüge

der Dienstmanns-Institute beruhten also von vornherein auf den mehr

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_420.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2024)