Seite:Die Gartenlaube (1886) 479.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

da ich ohnehin sehr viel Ihrer gedenke. Wie ein Traum liegt Unser Aufenthalt in der Schweiz hinter mir; Traum, gewoben aus freudigen und den gegentheiligen Eindrücken. Wie freue ich mich darüber, daß wir am 14. noch so lange beisammen waren, denn an jenem Tage wurden die peinlichen Eindrücke jener Tage, welche gegen Ende Unseres Aufenthaltes in Brunnen und Umgegend durch Sie meist verdorben wurden, so viel als noch möglich war für mich gemildert. –

Demnächst hoffe ich Ihnen Didier’s und Saverny’s Photographien, sowie Champagner aus Reims senden zu können. Glühend wünsche ich, Ihr Aufenthalt in Klosterneuburg möge ein freudebringender, genußreicher für Sie werden, sehr beglückt mich das Bewußtsein, daß Sie, theurer Freund und Bruder, wie Sie sagten und sagen ließen, Sich freudig meiner erinnern wollen.

Uebermorgen gedenke ich, mich nach Hohenschwangau zu begeben und in der nächsten Zeit recht viel der Lektüre mich zu widmen. Ich sende Ihnen, lieber Freund, meine herzinnigsten Grüße und bin

Ihr freundschaftlich gesinnter 
Ludwig. 

Den 18. Juli, Nachts. 1881.“

Der zehnte und letzte Brief des Königs schließt das Kapitel der Beziehungen Kainz’ zum König in dem Jahre 1881 ab und zeigt durch seinen Ton die große Herzensgüte Ludwig’s und die Treue seiner einmal gefaßten Zuneigung deutlicher als alle Worte.

„Lieber Herr Kainz! Da mit heute der schöne Monat Juli zu Ende geht, in welchem Wir in der herrlichen Schweiz doch so manche genußreiche Stunden gemeinsam verlebten, so drängt es mich, in Hinblick darauf, noch einmal Ihnen zu schreiben und den Monat Ihrer gedenkend zu beschließen. Vor Allem danke ich Ihnen für Ihre guten Wünsche für meinen Aufenthalt in Hohenschwangau wo ich seit meiner Kindheit mit besonderer Vorliebe weilte. Es freut mich zu hören daß das übersandte Buch Sie interessirt. 15 Flaschen Champagner waren bestellt, doch kamen nur 12. Die zurückbehaltene wurde auf Ihr Wohl geleert.

Wie freute ich mich endlich Unsere Bilder zu erhalten! Gewiß haben Sie Ihre Zeit recht zum Versenken in interessante Bücher benützt. Heute habe ich die so fesselnde Lektüre von ,Aspasia’ beendet.

Montag las ich V. Hugo’s Drama ,Cromwell‘. Ein ungeheures Werk; für die Bühne zu colossal, leider nur ein Lese-Drama. – Hoffentlich gedenkt Didier zuweilen freundlich seines Saverny! Seien Sie herzlich gegrüßt und gesegnet von allen Geistern des Guten! Dieß wünscht von ganzem Herzen

Ihr freundschaftlich gesinnter 
Ludwig. 

Schweizerhaus bei Hohenschw., 31. Juli 1881 (Nachts).“

Der Scene auf dem Rütli erwähnte der König mit keinem Worte mehr.

In dem letzten Schreiben spricht der König über den Empfang von Photographien. Es sind das Bilder, die sie in Luzern anfertigen ließen. Sie zeigen den König und Kainz in ganzer Figur. Das Negativ befahl der König nach Abnahme der Bilder zu zerstören, um den Verkauf zu verhindern.

Der letzte Brief spricht für die unverändert gebliebene Zuneigung des Königs zu seinem „Didier“, wenn auch seine Haltung die Reservirtheit beibehält, die sich später als Zeichen der „erklärten Ungnade“ herausstellte. In einem späteren Briefe an den Ministerialrath von Bürkel lehnt sich der König aber gegen diese Auslegung der Sache auf und betont sein fortdauerndes wohlwollendes Interesse für den Künstler. Der Brief vom 31. Juli unterstützt diese Erklärung, wenngleich persönliche Begegnungen vom König nicht mehr befohlen wurden. Ueber die vielverbreitete „Ungnade“ sind im Laufe der Jahre die verschiedensten Deutungen laut geworden. Vielleicht geben diese Zeilen die ersten genauen wahrhaften Notizen darüber. Die Entfremdung zwischen König Ludwig und Josef Kainz (denn eine Entfremdung war es, mehr denn eine Ungnade) war durch nichts weiter als durch eine Aneinanderreihung von kleinen Mißliebigkeiten, Verdrießlichkeiten und Meinungsverschiedenheiten entstanden, die bei den leidenschaftlichen eigenartigen Naturen Beider im Wesen des Ganzen begründet lag.

Berlin, Juni 1886. Sara Hutzler. 


Das Jubelfest der Schlacht bei Sempach.

(Mit Illustration S. 464 und 46S.)

Jedes Schweizers Herz schlägt höher, wie bei dem Namen „Teil“, so auch bei dem Namen „Winkelried“, den der Held trug, welchem die Ueberlieferung seit alter Zeit die Entscheidung in der Schlacht bei Sempach am 9. Juli 1386 zuschreibt. Der Ruhm dieses Helden ist sogar weit über die Grenzen seines Vaterlandes gedrungen, und sein Ruf, mit dem er sich in die Speere der Feinde gestürzt haben soll: „Der Freiheit eine Gasse!“ hat in schweren Entscheidungskämpfen oft eine zündende Wirkung geäußert. In letzter Zeit hat die wissenschaftliche Forschung das wirkliche Dasein dieser Heldengestalt bezweifelt, aber ihren Einwürfen können die Thatsachen entgegengehalten werden: daß ein Lied über die Schlacht bei Sempach vorhanden ist, welches der That dieses Helden gedenkt und in dem Theile, in welchem dies geschieht, sehr alt zu sein scheint; daß die Existenz eines Erni (Arnold) Winkelried in Unterwalden zur Zeit der Schlacht bei Sempach urkundlich verbürgt ist; daß sein Name als der erste unter den bei Sempach Gefallenen in den „Jahrzeitbüchern“, das heißt Verzeichnissen der Todten, zu deren Ehren kirchliche Erinnerungsfeiern gehalten wurden, des Ländchens Nidwalden steht, welche zwar nicht mehr im Original vorhanden sind, von denen aber Abschriften vorliegen, und daß weder das frühere Vorkommen ähnlicher Thaten, noch das Schweigen der Zeitgenossen Beweise gegen die geschichtliche Wahrheit einer überlieferten That darbieten.

Was nun die Schlacht selbst und unser Bild betrifft, so mögen darüber wenige Worte Aufschluß geben. Die früher österreichische Stadt Luzern hatte, nach Freiheit strebend, die demselben Hause untergebene Umgegend in ihr Bürgerrecht aufgenommen und war hierdurch mit dem Herzog Leopold in Streit gerathen. Nachdem alle Versuche, sie zur Herausgabe ihrer Erwerbungen zu bewegen, gescheitert waren, kam es im Jahre 1386 zum Kriege. Der Herzog rückte mit stattlichem Ritterheere und zahlreichem Fußvolk aus Schwaben und Aargau gegen Luzern, das er leicht nehmen zu können hoffte. Aber die Luzerner, von den Waldstätten Uri, Schwyz und Unterwalden unterstützt, stellten sich ihm bei Sempach entgegen, wo es am 9. Juli zur Schlacht kam. Die Ritter waren von den Rossen gestiegen, um, wie sie meinten, dem Fußvolke besser begegnen zu können, und an ihren mauergleich vorgestreckten Spießen scheiterte erst der keilförmige Angriff der Eidgenossen. Aber den Sieg entschied nach der österreichischen Darstellung die Hitze, unter der die Ritter in ihren schweren Helmen und Panzern litten, nach der schweizerischen Ueberlieferung dagegen die That Arnold Winkelried’s, welcher, den Landsleuten zurufend, er wolle ihnen eine Gasse machen, eine Anzahl Speere ergriff und, von ihnen durchbohrt, es den Seinigen möglich machte, daß sie in die Lücke eindringen, den Feinden eine furchtbare Niederlage bereiten, den Herzog selbst und eine Menge Adeliger erschlagen und viele Banner erbeuten konnten. Der Sieg bei Sempach befreite endgültig eins der ältesten Gebiete der Eidgenossenschaft von der österreichischen Herrschaft.

Wohl darf daher das Schweizervolk mit frohem Muthe die halbtausendjährige Erinnerung an einen Sieg feiern, der ihm die Freiheit bleibend gesichert hat. Diese Feier wird auf dem Schlachtfelde selbst, bei der Schlachtkapelle oberhalb Sempach stattfinden. Im Angesichte der den herrlichen Vierwaldstättersee umgebenden Eisgebirge ist eine Bühne für 500 Sänger und 40 Musiker errichtet. Ein Gottesdienst eröffnet das Fest, Reden folgen, und dann beginnt eine dramatische Darstellung, der Hauptanziehungspunkt des Tages. Ein Zug von Schnittern und Schnitterinnen kehrt von der Arbeit heim, empfangen von den Dorfbewohnern; ein Jäger warnt sie vor dem Heranzuge Herzog Leopold’s. Aber die Eidgenossen nahen zur Hilfe heran und werden mit Jubel begrüßt. Das Volk der Gegend bewaffnet sich und schließt sich ihnen an. Der Chor singt ein Schlachtlied. Bald werden aus der entbrannten Schlacht Verwundete herbeigetragen, unter ihnen der Schultheiß von Luzern, Peter von Gundoldingen. Man sieht österreichische Ritter und Knappen fliehen, verfolgt von den Eidgenossen. Krieger erzählen dem Volke Winkelried’s That. Nun rücken die Sieger mit den erbeuteten Waffen und Fahnen heran. Ein Siegeslied erschüttert die Luft, ein Danklied an Gott und ein Trauerlied auf die Gefallenen folgen, während Winkelried’s Leiche auf der Bühne niedergelegt wird, dessen Ruhm zu feiern alles Volk zusammentritt. Dann begiebt sich der Festzug in das Städtchen, wo ein Denkmal eingeweiht wird, das die Feier verewigt, und das unausweichliche Festessen auch die Gemüthlichkeit nach dem Ernste in ihre Rechte einsetzt.

Möge dieses Jubelfest zur Versöhnung der wissenschaftlichen Forschung und der geheiligten Volksüberlieferung beitragen und ein Zeugniß sein, wie ein freies Volk an den Großthaten seiner Ahnen hängt, die ihm seine Freiheit erkämpft haben! Dr. O. Henne-am-Rhyn. 


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 479. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_479.jpg&oldid=- (Version vom 15.11.2022)