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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Blätter und Blüthen.

Francesca da Rimini. (Mit Illustration S. 473.) Dante, der größte italienische Dichter des Mittelalters, schildert uns in seinem berühmten Liede die Hölle mit ihren Qualen, ihrem furchtbaren Sehnen, Leiden und dem trostlosen Trauern um die auf Erden begangene Schuld. Dabei erzählt er in den einzelnen Gesängen die Schicksale der großen Geschlechter seiner Zeit. Eines der rührendsten ist die Geschichte der Franziska von Rimini, einer edlen Frau aus fürstlichem Geschlechte. An dem flachen Gestade des adriatischen Meeres liegt das altberühmte Ravenna, wo die spätrömischen Kaiser, die Könige der Gothen, wo Bischöfe residirt haben, deren Macht in den ersten Jahrhunderten der Christenheit derjenigen der römischen Päpste fast gleichkam. Herr und Gebieter von Ravenna war später Guido Polenta, der mit seinem Nachbarn, dem Gebieter von Rimini, Johann Malatesta, in ständiger Fehde lebte. Um diese beizulegen, ward unter den beiden Geschlechtern verabredet, daß des Guido Polenta holdselige, schöne und tugendsame Tochter Franziska einem Sohne des Malatesta von Rimini die Hand zur Ehe reichen solle.

Malatesta besaß zwei Söhne, den wilden, garstigen, aber tapferen Johann, den sanften, schönen, reinen Paul. Der alte Guido zog den energischeren Schwiegersohn als den besseren Verbündeten vor, fürchtete jedoch, daß die zartsinnige Franziska den wilden Freier abweisen werde. Da ward der zweite Bruder, der edelherzige, sanfte Paul, an den Hof von Ravenna gesendet, um die Braut zu werben. Vom Söller ihres Schlosses aus sieht Franziska den strahlend schönen Ritter über den Hof schreiten, eine der Frauen verräth ihr, daß dies der junge Malatesta von Rimini sei, ihr Herz wird von glühender Liebe erfaßt, sie preist sich glücklich, daß aus der Verbindung, welche Staatsklugheit und Interesse geschlossen, ein Bund zweier liebender Herzen erblühen solle. Paul wird von gleicher Leidenschaft für die holde Franziska erfaßt, er wurde nach der im Mittelalter an Höfen herrschenden Sitte der Erwählten seines Bruders angetraut; die beiden Glücklichen ließ man zunächst in der Meinung, daß die Ehe zwischen ihnen geschlossen sei.

Schrecklich war das Erwachen aus dem schönen Traum, als Franziska in Rimini ihrem eigentlichen Gatten, dem älteren Bruder des schönen, heißgeliebten Paul, dem wildtrotzigen Johann, zugeführt ward. Wohl blieb sie dessen rechtmäßige Gemahlin, aber das blutende Herz blieb dem Geliebten in aller Keuschheit treu. Ein holdes, reines Minneleben verband die Beiden am Hofe von Rimini, ein inniger Verkehr der Herzen ohne jede Schuld. Doch dem rauhen, bösgearteten Bruder ward die Liebe der Beiden verrathen. Von Eifersucht entbrannt, verfolgte der Wütherich Malatesta den Bruder, er schleuderte das Schwert nach ihm, und da Franziska sich zwischen den Geliebten und die Waffe warf, durchbohrte das Schwert sie Beide.

In den Schauern des Höllentrichters zwischen schwerem Gewölk, kalter Regenfluth, grausigem Winde erblickt Dante, wie er in seiner Schilderung der Hölle erzählt, diese Beiden, die, ohne Sühne und Buße gestorben, nun hier umherzuirren verdammt sind. Auch der Tod hat die Liebenden nicht zu trennen vermocht, das scharfe Schwert, das sie durchbohrt, steckt noch in ihren Körpern, die, innig an einander geschmiegt, von dem Winde, der den Höllenschlund durchbraust, leicht emporgetragen werden. „Wie Tauben stracks die Luft mit offnen Schwingen durchfliegen, von dem eignen Trieb getragen, so kamen aus der Schar … auf uns heran sie durch die argen Lüfte.“ Liebe, Liebe bis über den Tod hinaus ist ihr Verschulden, ist ihr Glück, ihre seligste Erinnerung. Alle die anderen Schatten haften am Boden, bewegen sich in düsterem Gewölle, trauern einsam. Franziska von Rimini aber, umschlungen von dem Geliebten, schwebt hinauf, getragen von der Luft zu dem Bereich seliger Liebe, in dem selbst Marter und Seelenleiden ihre Macht verlieren. Das Lied des großen Dichters hat das Schicksal Beider unsterblich gemacht, des Paul Malatesta und der Franziska von Rimini. F. W.     

Der Fuchsthurm bei Jena. (Mit Illustration S. 461.) In der Nähe der Musenstadt Jena erhebt sich auf dem Hausberge der Fuchsthurm, eine der zahlreichen Burgruinen, welche, wie das Lied singt, stolz und kühn an der Saale hellem Strande stehen und als Zeugen früherer Zeiten in das bunte Leben und Treiben der Gegenwart hineinragen. Viele dieser Burgen sind noch zu jener Zeit entstanden, als an den damaligen Marken Deutschlands der Kampf zwischen Deutschen und Slawen wüthete, und auch die Gründung der Burg Kirchberg, deren letzten Ueberrest der Fuchsthurm bildet, verliert sich in dem Dunkel jener Jahrhunderte; sie soll gerade vor tausend Jahren erfolgt sein. Damals krönten drei Burgen: Greifberg, Kirchberg und Windberg, den langgestreckten Rücken des Hausberges. Nur der Bergfried der Veste Kirchberg trotzte der Zerstörungsmacht der Zeit und wurde in unsern Tagen zu einem beliebten Ausflugspunkte der lebensfreudigen Einwohner von Jena. Noch heute besitzt die drei Meter dicke Mauer des runden Thurmes die Höhe von 23 Metern und trägt auf seiner Plattform, an Stelle der ehemaligen konischen Steinspitze, ein nach allen Richtungen hin mit Fenstern versehenes Aussichtshäuschen, von dem sich ein herrlicher Rundblick auf die gesegneten Fluren des Thüringer Landes bietet.

Der Bau des Aussichtshäuschens erfolgte im Jahre 1836 auf Kosten der Gemeinde Ziegenhain. Bald darauf bildete sich in Jena, auf Anregung des Majors von Knebel, eine Gesellschaft, „die Knappschaft“, die es sich zur Aufgabe machte, die Nordseite des Hausberges bequem zugänglich zu machen. An ihre Stelle trat im Jahre 1861 „die Fuchsthurm-Gesellschaft“, welche jetzt das 25jährige Jubiläum ihres Bestehens feiert, sich um den Thurm in hervorragender Weise Verdienste erworben hat und in Folge ihrer Zusammensetzung und des durch sie geschaffenen Verkehrs für Jena und Jenaer Leben geradezu typisch genannt werden muß.

In den Tagen vom 3. bis 5. Juli wird nun am Fuße des Thurmes ein dreifaches Erinnerungsfest gefeiert werden: das Jubiläum der vor tausend Jahren erfolgten Gründung der Burg, die Erinnerung an den Bau des Aussichtshäuschens und das Stiftungsfest der Fuchsthurm-Gesellschaft – ein eigenartiges Fest, welches zu kulturgeschichtlichen Betrachtungen herausfordert, bei welchem die tausendjährigen inneren Kämpfe unseres Volkes vor dem geistigen Auge des Theilnehmers vorüberziehen und in ihm Freude erwecken an der Gegenwart, welche kein Faustrecht kennt und die Bürger unter dem Schutze eines gleichen Rechts für Alle frei schalten und walten läßt. G. Kl.     

Ein neues Geräth für Turnzwecke ist der Arm- und Bruststärker, welcher nach Angabe des Seminardirektors Largiadèr in Straßburg von Engler und Weber in Stuttgart hergestellt wird. Er bildet eine Ergänzung zu den Hanteln, indem er der Bewegung durch Zug und Schwere einen zwiefachen Widerstand entgegensetzt, welcher durch aktiven Gegenzug seitens der Turnenden überwunden werden muß.

An zwei hohlen hölzernen Handgriffen sind zwei Seile derart befestigt, daß jedes durch die Höhlung des anderen Handgriffs hindurch geht und an seinem Ende Scheibengewichte trägt. Zieht man die so verbundenen Handgriffe aus einander, indem man sie z. B. wagerecht vor sich hin hält, so steigen die Gewichte desto höher, je mehr man die Handgriffe von einander entfernt. Es versteht sich von selbst, daß sie durch ihre Schwerkraft zu sinken und durch Zug die Handgriffe wieder einander zu nähern streben. Diesem Zuge muß der Turnende durch seine Muskulatur einen gewissen Widerstand entgegensetzen, indem er die Vereinigung der Handgriffe verhindert. In der Ueberwindung des Zuges, in der Abmessung der Muskelwirkung liegt hier das Werthvolle.

Es liegt auf der Hand, daß, da sich die Länge der Seile und die Zahl der Gewichtsscheiben beliebig verändern läßt, der Apparat jedem Lebensalter, jeder Körpergröße angepaßt und zugleich in einem und demselben Hause von Alt und Jung, von Kindern verschiedener Lebensalter benutzt werden kann. Da er in Folge seiner Einfachheit und seines dauerhaften Materials nicht aus der Ordnung kommen kann, eignet er sich so recht zu einem Zimmer-Turnapparat für die Familie. Die mit demselben anzustellenden Uebungen bestehen hauptsächlich im Heben der Arme, im Spreizen derselben, verbunden mit Streck- und Beuge-Uebungen des Rumpfes und der Beine. Vor allem sind es Uebungen im Zurückbringen der Schultern, welche sich mit dem Apparat anstellen lassen und welche zur Erweiterung des Brustkorbes wesentlich beitragen. Sehr bald macht sich nach denselben eine höhere Thätigkeit der Athmungsmuskulatur, ergiebigeres Athmen der oberen Lungenpartien bemerkbar. Ueberhaupt darf man für solche Fälle, in denen es sich um Kräftigung der Arm-, Schulter- und Respirationsmuskeln, um Streckung der Wirbelsäule nach längerem Gebücktsitzen, um kräftigere Lungenspitzen-Athmung handelt, den Largiadèr’schen Apparat als eine nützliche Bereicherung des Turngeräthwesens, besonders in häuslicher Gesundheitspflege, ansehen. Hier wird er sich, zumal in den Familien, wo sich heranwachsende Knaben und Mädchen befinden, wohl leicht einbürgern. Dr. Fürst (Leipzig).     


Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

Herrn Alb. Reinshagen in Schleiden a. d. Eifel. Die uns für das deutsche Forstwaisenhaus in Groß-Schönebeck von Ihnen übermittelte Summe von Mark 25,50 haben wir unter Beifügung der Sammelliste an die Centralsammelstelle zu Händen des Herrn Geh. Rechnungsrathes Nitschke in Berlin, Leipzigerplatz 7, abgesandt.

E. M. in Dow City. Wenden Sie sich gefl. an einen Rechtsanwalt.



Inhalt: Sankt Michael. Roman von E. Werner (Fortsetzung.) S. 461. – Wohin? Eindrücke vom Ost- und Nordseestrand. Von Hermann Heiberg. S. 466. – Entdecker in der Unterwelt. Von Heinrich Noë. S. 468. Mit Illustration S. 469. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 470. – König Ludwig von Bayern an Josef Kainz. Von Sara Hutzler. S. 475. – Das Jubelfest der Schlacht bei Sempach. Von Dr. O. Henne-am Rhyn. S. 479. Mit Illustration S. 464 und 465. – Blätter und Blüthen: Francesca da Rimini. S. 480. Mit Illustration S. 473. – Der Fuchsthurm bei Jena. S. 480. Mit Illustration S. 461. – Ein neues Geräth für Turnzwecke. Von Dr. Fürst (Leipzig. Mit Abbildungen. S. 480. – Kleiner Briefkasten. S. 480.



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_480.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2021)