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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Blätter und Blüthen.

Die Statue Friedrich’s des Großen in der Jubiläums-Kunstausstellung in Berlin. (Mit Illustration Seite 573.) Charakteristischer und packender konnte die kurze Spanne Zeit, auf welche die Jubilarin Berlins, die Kunstausstellung, in diesem Jahre zurückblickt, nicht dargestellt, schöner und trefflicher der Dank einem Könige, der als Pathe einst an ihrer Wiege stand, nicht ausgesprochen werden, als es in der Wanddekoration des Schlußsaales des großen Ausstellungspalastes von Meisterhänden mit ungewöhnlichem Geschick und Geschmack geschehen ist. Wenn die Huldigung in dem prächtigen ersten Saale, welcher an den festlichen Kuppelraum am Eingange grenzt, dem Wiederaufrichten des Deutschen Reiches und seinem Hause gilt, unter dessen glorreicher Regierung Kunst und Industrie einen ungeahnten Aufschwung nahmen, so feiert der Schlußsaal fast allein das Angedenken des Philosophen von Sanssouci, der, in Waffen- und Geisteskämpfen gleich groß als Held, einst den Grundstein zur Berliner Kunstakademie legte, und der, obwohl selbst in Kunst und Poesie dem deutschen Wesen scheinbar abgewandt, dennoch in seiner charaktervollen Gestalt, seinen unsterblichen Thaten und der Zeit, welcher er seinen Stempel aufdrückte, allen Künsten Stoff und neues Leben lieh und dadurch der Wiedererwecker deutscher Kunst geworden ist. Das haben die Künstler unserer Tage in edler Huldigung ausgesprochen.

An der Schlußwand der langen Flucht der buntschillernden Räume baut sich in einem sonnendurchflutheten, weiten Lichthofe, zwischen dessen Bosketts und Blumenteppichen Fontainen rauschen und Polstersitze zum Verweilen einladen, eine von einem architektonisch gegliederten Rundbogen umrahmte hohe Nische auf, durch deren malerisch geraffte Vorhänge, zwischen Blättergezweig, das Tusculum des königlichen Philosophen, Sanssouci, mit seinen mächtigen Freitreppen, Marmorbildern und Orangenkübeln herüber grüßt. Im Vordergrunde der Nische ragt aus Blattpflanzen mannigfacher Art die Büste des Kaisers Wilhelm und dahinter die von Schadow meisterlich entworfene Statue Friedrich’s des Großen empor, über dessen Haupte eine der Wand scheinbar entschwebende Göttin den Lorbeer krönend hält. Scharf und wahr tritt uns das Bild des genialen Herrschers entgegen. So sahen ihn seine Zeitgenossen, so lebt er noch heute in der dankbaren Erinnerung des preußischen Volkes. Dort oben auf der Terrasse seines Sanssouci saß er oft am Abend, einsam, stumm, das große Auge sinnend hinaus in die dämmernde Ferne gerichtet, das Schicksal seines Volkes wägend. Zurückgezogen von dem lauten Treiben dieser Welt, die Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens durchmessend, war er sich selbst genug in dem Bewußtsein, als erster Bürger des Staates seine Pflicht voll und ganz gethan und kommenden Geschlechtern noch für Jahrhunderte ein bewundertes Vorbild gegeben zu haben. A. T.     

Friedrich der Große. (Mit Illustration S. 577.) Welch ein reiches Leben, das hier in flüchtigen Bilderskizzen sich vor unseren Augen entrollt! In der Mitte des Bildes der siegreiche König in der Fülle des Geistes und der Macht, mit dem geistvollen, scharfgeschnittenen Gesichte, dem gebieterischen, flammenden Auge, der in jedem Zuge ausgeprägten Ueberlegenheit des großen Denkers und des energischen Mannes der That; links der junge, vielverheißende Schüler, der auf die Worte des Lehrers lauscht: rechts der alte Fritz im Garten, schlachten- und lebensmüde, aber sich erfreuend wie ein Weiser aus Hindostan an dem stillen Gedeihen der Blumen; unten das ruhige Antlitz des Todten, vom Scheine der Unsterblichkeit verklärt. †      

Friedrich der Große unter seinen Grenadieren. (Mit Illustration S. 580.) „Guten Tag, Kinder!“ – „Guten Tag, Fritz!“ das war der Morgengruß, der in Kriegszeiten zwischen Friedrich dem Großen und seinen Truppen gewechselt wurde. Er allein würde schon genügen, um die Leutseligkeit des Königs im Verkehr mit seinen Untergebenen zu charakterisiren. „Fritz“ oder auch später der „Alte Fritz“ hieß der siegreiche Feldherr bei seinen Soldaten, und dieser Beiname hat sich im Volksmunde bis auf den heutigen Tag erhalten. Das Kriegsglück und das Feldherrntalent wecken Begeisterung und Bewunderung, aber sie allein hätten Friedrich gewiß nicht die Herzen der Soldaten in so hohem Maße gewonnen. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, und auch hier waren es oft kleine Zeichen der königlichen Huld, welche die Stimmung des Heeres hoben und das Verhältniß zwischen dem König und seinen Truppen immer inniger gestalteten. Der Soldat verehrt den Führer, der alle Mühen des Feldzugs mit ihm redlich theilt, er vergöttert ihn aber, wenn derselbe sich zu ihm herabläßt und im gegebenen Augenblick zu scherzen versteht. Und Friedrich kannte nur zu gut diese schwache Seite der menschlichen Natur. Zogen die Truppen während des Marsches an ihm vorüber und rief er, bei den Ermüdeten eine nachlässige Haltung bemerkend, ihnen ermunternd zu: „Gerade, Kinder, gerade!“, so nahm er es keineswegs übel, wenn aus den Reihen die übermüthige Antwort kam: „Fritz auch gerade! und die Stiefeln in die Höhe gezogen!“ Im Lager bei knisterndem Feuer trieb der Soldatenwitz seine schönsten Blüthen, und Friedrich war der Letzte, der ihn zu dämmen versucht hätte. Je tapferer ein Regiment war, desto lustiger durfte, mußte es sein.

Diese Leutseligkeit des Königs giebt die Illustration R. Warthmüller’s „Friedrich der Große unter seinen Grenadieren“ in gelungener Weise wieder: es ist die heitere Seite des Kriegslebens, die uns in derselben in ihrem schönen Glanze entgegentritt. *      

Das Leichenhemd Friedrich’s des Großen. Es ist hinlänglich bekannt, daß Friedrich der Große ein vorzüglicher Haushalter gewesen und, die Kriegsjahre ausgenommen, immer Ueberschüsse nicht nur in der Hauptstaatskasse, sondern auch in der Hofstaatskasse zu vergeben hatte. Sein Hofstaat war klein und nicht prächtig, seine Tafel mäßig. Nach seinem Tode machte der Geheime Staats- und Kabinetsminister Graf von Herzberg in seinen Dissertations académiques bekannt, daß der große König allein in den Jahren 1763 bis 1786 an die Provinzen seines Reiches 24399838 Thaler schenkungsweise vertheilt habe, besonders an die vom siebenjährigen Kriege heimgesuchten Provinzen. In seinem Testamente macht er die Bemerkung, daß er die Legate von seinen Ersparnissen und nicht aus seinem Schatze nehme, denn „mein Schatz gehört nicht mir, sondern dem Staat“. Und so sagte Friedrich mit Recht: „Der Staat ist reich, ich aber bin arm.“ Obgleich er den von Friedrich I. 1706 eingeführten Grand-Maitre de Garderobe beibehielt, kleidete er sich, wie bekannt, außerordentlich einfach, ging in einem alten, abgetragenen und geflickten Kleide, mit kahlem, abgeschabtem Hute, und ein scharf beobachtendes Auge konnte öfter in seinen Beinkleidern ein Loch entdecken. Auch störte es den großen König nicht, wenn Hemd und Taschentuch zerrissen waren. Ein Jude zahlte nach Friedrich’s Tod für seine sämmtliche nachgelassene Kleidung und Wäsche 400 Thaler, die unter seine Kammerbedienten vertheilt wurden. Als Friedrich II. das Zeitliche gesegnet hatte, fand man unter seiner Leibwäsche kein ganzes Hemd, das man seinem Leichnam hätte anziehen können, und da man sich nicht Zeit nehmen konnte, ein neues machen zu lassen, gab der Geheime Kriegsrath Schöning eines von seinen noch nicht gebrauchten Hemden her, die ihm seine Braut geschenkt hatte, und in diesem ist der Leichnam begraben worden. Es ist uns dies von einem Zeitgenossen Friedrich’s, von dem königl. preuß. Oberkonsistorialrath Dr. Büsching, überliefert worden. Derselbe versichert außerdem, daß er diesen ihm glaubwürdig erzählten Umstand für wahr befunden, als er ihn „sofort untersuchte“. Z.     

Der „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1887 bietet wiederum den ganzen Reichthum an mannigfachem Inhalt, wie sein Vorgänger: neben lehrreichen Aufsätzen, Uebersichten, Anleitungen ist auch der unterhaltenden Litteratur ausreichender Raum vergönnt. Ein reichhaltiges Kalendarium, eine chronologische Charakteristik des Jahres 1887, eine Genealogie der deutschen Regentenhäuser, Volkszählung, Post- und Telegraphennachrichten, Zeitunterschiede zwischen Berlin und anderen Orten, Vergleiche der Grade aus den Thermometerskalen, über Hausmittel und deren Anwendung bei Kindern von Sanitätsrath Dr. Fürst: das ist eine Auswahl der praktischen Artikel, welche dem unmittelbaren Nutzen der Leser dienen. Hierzu kommt eine polytechnische Umschau, Notizen mit Illustrationen. „Ein Liebling des deutschen Volkes“ ist ein Charakterbild Scheffel’s; „Ein Königsleben“ charakterisirt König Ludwig II. von Bayern; „Ein litterarisches Brustbild von Leopold Ranke“ hat Ernst Hellmuth entworfen. Die Säkularfeier Friedrich’s des Großen behandelt der Aufsatz von Schmidt-Weißenfels „Der alte Fritz“, während Emil Peschkau in einem schwungvollen Artikel an das Jubiläum der Universität Heidelberg anknüpft. Wie man sieht, ist der Kalender stets darauf bedacht, den wichtigsten Ereignissen der jüngsten Zeit Rechnung zu tragen. Erzählungen von W. Heimburg, Ludovika Hesekiel, B. Renz, Oscar Justinus u. A., Skizzen, Gedichte, Blätter und Blüthen scherzhaften und ernsteren Inhalts gewähren eine ansprechende Unterhaltung. So sei der „Gartenlaube-Kalender“, in welchem unsere Leser den beliebtesten Mitarbeitern unseres Blattes wieder begegnen, Allen aufs Beste empfohlen als willkommener Berather und Hausfreund.

Wiederum müssen wir darauf aufmerksam machen, daß von einem sogenannten „Gartenlauben-Kalender“, der mit dem unsrigen den Namen gemein hat, aber sonst in keiner Beziehung zur „Gartenlaube“ steht, ebenfalls ein neuer Jahrgang erschienen ist. Um das Publikum vor Täuschung zu bewahren, bitten wir, ausdrücklich beim Kaufe des Kalenders den richtigen, vom Verlag der „Gartenlaube“ (Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig) herausgegebenen, Preis in elegantem Einband 1 Mark, bestellen zu wollen. Es ist ein Mangel in unserer bestehenden Gesetzgebung, auf den wir bei diesem Anlaß hinweisen möchten, daß die Büchertitel nicht gesetzlich geschützt sind und so ein berechtigter Erfolg, der auf dem Grund jahrelanger Leistungen ruht, durch fremde Aneignung verkümmert werden darf. †      


Kleiner Briefkasten.

Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.

B. G. Der Meerschaum besteht im Wesentlichen aus kieselsaurer Magnesia und wird hauptsächlich in der Umgegend der anatolischen Stadt Eski Scheïr gewonnen, wo sich schon im Alterthum Meerschaumgruben vorfanden. Das Schnitzen von Rauchinstrumenten aus diesem Material datirt seit der Besitznahme des Landes durch die Türken. Die erste Fabrik dieser Art in Deutschland entstand gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Ruhla in Thüringen. Hier stellte man auch zuerst den künstlichen Meerschaum her, wobei fein gemahlene Meerschaumabfälle mit Pfeifenthon und Alaun gekocht, dann getrocknet und in Leinöl und Stearin gesotten werden. – Nach Mittheilungen K v. Scherzer’s in seinem Werke „Das wirthschaftliche Leben der Völker“ finden sich weniger ergiebige Meerschaumlager noch in Griechenland (bei Theben), Bosnien (im Lyubicer Gebirge), Mähren (in Grubschitz und Neudorf). Spanien (in Valesca bei Madrid) und Portugal (bei Pinheiro).

G. L. L. in Chicago. Lesen Sie gefl. den Artikel „Jahrhundert“ in einem Ihnen zu Gebote stehenden Konversations-Lexikon.



Inhalt: Sankt Michael. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 573. – Die letzten Tage Friedrich’s des Großen. Von Schmidt-Weißenfels. S. 576. Mit Illustrationen S. 576, 578 und 579. – Friedrich der Große in Kamenz. Eine Skizze von Rudolf von Gottschall. S. 579. – Franz Liszt. Von La Mara. S. 584. Mit Portrait S. 585. – Aus den Schlössern König Ludwig’s II. I. Das Inselschloß zu Herrenchiemsee. (Schluß.) S. 586. Mit Illustrationen S. 586, 587, 588 und 589. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 590. – Blätter und Blüthen: Die Statue Friedrich’s des Großen in der Jubiläums-Kunstausstellung in Berlin. S. 592. Mit Illustration S. 573. – Friedrich der Große. S. 592. Mit Jllustration S. 577. – Friedrich der Große unter seinen Grenadieren. S. 592. Mit Illustration S. 580. – Das Leichenhemd Friedrich’s dss Großen. – Der „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1887. – Kleiner Briefkasten. S. 592.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 592. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_592.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)