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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


aber, da das Ausrufungszeichen für ein t genommen worden war, gedruckt bekam:

„Acht Schäfer liebt’ ich nur! – “

soll mit großen Augen angesehen worden sein.

Einen Druckfehler der heitersten Art enthält ein kürzlich erschienenes französisches Werk über den Wahnsinn. Der Verfasser, ein namhafter Arzt, hatte dasselbe mit einigen längeren Citaten geschlossen und schrieb, da die Stellen ohne Anführungszeichen gesetzt worden waren, an den Rand des Bogens; pour finir, il faut guillemeter tous les alinéas, d. h. man versehe alle Abschnitte mit Anführungs- und Schlußzeichen. Und der Autor that einen tiefen Athemzug, denn das Werk war fertig. Das Buch wird schnell ausgedruckt, sofort geheftet und versandt. Der Verfasser bekommt seine Freiexemplare, aber, wie er sich beim Durchblättern die letzte Seite ansieht, weiß er nicht, ob er lachen oder ob er weinen soll. Man hatte die Randnotiz für einen Manuskriptsatz gehalten und zur Schlußzeile der gelehrten Arbeit erhoben; nicht genug, man hatte etwas Groteskes daraus gemacht. Es stand zu lesen: Pour finir, il faut guillotiner tous les aliénés, d. h. um es kurz herauszusagen, alle Geisteskranken müssen guillotinirt werden.

Schon aus diesen Beispielen wird man merken, daß sich der Druckfehlerteufel nicht damit begnügt, die Sinne des Setzers zu verwirren; er sucht ihm Leib und Seele zu verderben. Er macht den Setzer hochmüthig – das alte Laster! Wie die Schlange redet er ihm zu: bist du nicht klüger als der Autor, wissend, was gut und böse ist? Auf, liebe Seele, hilf nach, wo es nöthig ist, wir wollen’s besser machen! – Ein charakteristischer Fall dieser Art sei hier erwähnt. Albrecht schreibt über Hahnemann’s Leben und Wirken und mit Rücksicht darauf, daß er die Fürstenschule zu St. Afra in Meißen besucht hat: Hahnemann, der Afraner. Der Korrekturbogen kommt an; gesetzt ist: Hahnemann, der Afrikaner. Albrecht streicht also das ik durch und setzt sein Deleatur, das bekannte Zeichen (????.) an den Rand, welches dem Setzer andeutet, daß die betreffenden Buchstaben wegfallen sollen. Die Revision kommt an; aber die Korrektur ist nicht ausgeführt, es steht immer noch zu lesen: Hahnemann, der Afrikaner. Unwillig streicht Albrecht das ik noch einmal, und zu besserem Verständniß schreibt er: Afraner!! an den Rand. Bald darauf erhält er den Reindruck. Das Afrikaner ist nicht geändert worden. Der Autor ist außer sich: er läuft in die Druckerei, er setzt den Faktor zur Rede, er ruft Himmel und Erde zu Zeugen dieses Ungehorsams an. Der Setzer wird citirt; er schüttelt sein weises Haupt als ein Gerechter. „Aber meine Herren,“ sagt er, „ich weiß gar nicht, was Sie wollen. Es heißt doch: Amerika, der Amerikaner. So muß es doch auch heißen: Afrika, der Afrikaner!“ – Man hörte den Druckfehlerteufel in einem Winkel kichern.

Auf diese Weise entstehen die willkürlichen Druckfehler, die häufiger sein dürften als die unwillkürlichen, zumal die Maschine der Hand ziemlich regelmäßig arbeitet, aber beim Lesen, vollends undeutlicher Handschriften, die Phantasie mit dem Setzer durchgeht, wie sie mit dem Universitätsbuchbinder in Jena durchging, der eine Eingabe an „Einen Hohen Illustrirten Senat“ machte. Und doch bezeichnen diese Verbesserungen noch nicht den Gipfel des setzerischen Hochmuths, denn sie erfolgen immerhin gewissermaßen in gutem Glauben; sie sind sogar zu entschuldigen, weil der Autor wirklich nicht selten Fehler macht, Fehler wie ein Schulkind, ein Wort doppelt schreibt, eine Silbe wegläßt und gegen die Rechtschreibung sündigt. Nein, seine höchsten Triumphe feiert der Druckfehlerteufel, wenn es ihm gelingt, den Setzer zu bewußten und heimtückischen Aenderungen des Textes zu verleiten. Der Mann macht sich dann seine kleinen, unerlaubten Späße. Da heißt es in der Bibel (1. Mose 3, 16) vom Weibe: „Dein Wille soll deinem Manne unterworfen sein, und er soll dein Herr sein.“ Hier hat ein Setzer, der wahrscheinlich bittere Erfahrungen mit den Töchtern Eva’s gemacht hatte, „Narr“ anstatt „Herr“ gesetzt. „Und er soll dein Narr sein.“ Leider müssen wir der Wahrheit die Ehre geben und bekennen, daß sich auch die Autoren selber jezuweilen des Frevels schuldig machen, Druckfehler zu fingiren und geflissentlich etwas Falsches in den Text zu setzen, um es am Ende des Buches berichtigen zu können – eine der feinsten Bosheiten, die das bissige Litteratenthum hervorbringt; denn ihre Spitze richtet sich fast immer gegen Persönlichkeiten. Einmal wird das Gute und das gleichsam aus Versehen gespendete Lob ostentativ zurückgenommen. So ließ der französische Sprachforscher und Lexikograph Menage le docte Morel, der gelehrte Morel, drucken, woraus er die Berichtigung machte: Statt docte lies Docteur, der Doktor Morel. Nicht jeder Doktor ist gelehrt. Er nannte Morel’s Werke des délices de l'esprit, einen geistigen Hochgenuß, und verbesserte dann: des délires de l'esprit, geistige Delirien. Das andere Mal wird das Schlimme und die Injurie gedruckt und dann bedauernd zurückgenommen. Der originelle Arzt und Schriftsteller Zimmermann wurde bekanntlich in seinen letzten Lebensjahren vielfach angegriffen. Der witzige Kästner verfolgte ihn mit Druckfehlern. Er ließ drucken: „der berühmte Windarzt Zimmermann in Hannover“ und verbesserte dann: „lies Wundarzt.“ O Litteraten, Druckfehlerteufelchen in Person!

Es ist bekannt, daß gewisse Werke durch einen merkwürdigen Druckfehler selten werden und für Büchernarren einen besonderen Werth erlangen: so die oben erwähnte Bibel mit dem „Narren“. Es ist nicht minder bekannt, daß schier kein Buch ohne Druckfehler herzustellen ist: und wenn, wie das bei schwierigem Satze vorkommt, zwanzig Korrekturen gelesen, wenn, wie bei Logarithmentafeln, die aufgefundenen Druckfehler je mit zwanzig Mark honorirt werden, irgendwo hapert es doch, ohne daß es bemerkt wird; denn es ist eine physiologische Thatsache, daß wir von einem Worte gewöhnlich nur ein paar Buchstaben wirklich sehen und lesen und den Rest zu errathen pflegen, eben deßhalb übersieht der Autor die Druckfehler bei der Korrektur. Es ist endlich nicht zu leugnen, daß viele Bücher überhaupt Druckfehler sind. Aber der Teufel, der hinter dem Allen steckt, der vielleicht an mir in diesem Augenblicke, während ich mich über ihn verbreite, selber sein Müthchen kühlt, ist wahrlich kein Druckfehler, sondern der lästigste, listigste, leider Gottes zuweilen auch lustigste Plagegeist, den der Mann von der Feder kennt.


Der Raub in der Thierwelt.

Charakterdarstellungen von Adolf und Karl Müller.0 Mit Originalzeichnungen von Adolf Müller.
I.

Es scheint der Kampf um jedes Dasein an die Funktionen des Lebens geknüpft zu sein“ – so sagen wir Brüder in unserem neuesten Werke „Thiere der Heimat“[1]. Wir fügen diesem Ausspruche im Hinblick auf unser gegenwärtiges Thema hinzu: der Kampf ums Dasein – in welchem die Ernährung und Erhaltung des Individuums die erste Rolle spielt – erzeugt in allen Geschöpfen der Erde in mehr und minder ausgeprägter Form ein Raubwesen. Von den Großräubern unter den Säugethieren und Vögeln bis hinab zu den Weichthieren bemerkt man diese Thatsache. Wir beschränken uns in unserer Betrachtung bloß auf die beiden erstgenannten Klassen der Thierwelt, da die Erscheinung des Raubwesens gerade hier am ausgeprägtesten auftritt.

Unsere beiden Wiesel mögen unter den Säugern den Reigen eröffnen. Sind sie doch die vielseitigsten Räuber unter den Mardern, Zwerge mit Riesenmuth, die Kämpen in der Kleinthierwelt, welche Allem, „was da kreucht und fleucht“ und schwimmt, den Krieg erklärt haben. Von unseren Großvögeln, der Gans, dem Auerwild bis hinab zum Zaunkönig und dem Goldhähnchen ist kein gefiedertes Wesen sammt seiner Brut sicher vor diesen beweglichen, feinsinnigen Ueberall und Nirgends; der Hase, das Kaninchen und der Hamster mit allen seinen kleinen und kleinsten Vettern, der Krebs und Fisch des Gewässers, der Frosch und die bissige Kreuzotter, ja der Käfer und Schmetterling in der Luft – sie Alle verfallen dem ewig wachen Raubsinne dieser vielbegabten

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 598. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_598.jpg&oldid=- (Version vom 29.9.2022)
  1. Bei dieser Gelegenheit möchten wir noch einmal empfehlend auf dieses klassische Werk hinweisen, welches auf S. 308 dieses Jahrganges ausführlicher besprochen wurde. D. Red.