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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

so viel dazu mitgebracht hatte: so glänzende Gaben des Geistes, so viel wahre Empfindung, eine so schöne Begeisterung für das Große und Schöne, und in allem seinem Reichthum darben mußte und sich kümmerlich nähren von den Brosamen des Glücks!

Nein, das durfte nicht sein, um des Ideals der Menschheit willen nicht, das ich in meiner Brust trug und das ich jetzt doppelt heilig halten mußte, wo ich in den Riesenkampf für meine Liebe zog, aus dem ich nur heimkehren konnte wie jene Spartaner: mit dem Schilde oder auf dem Schilde meiner blank bewahrten Ehre, meiner heilig gehaltenen Ueberzeugungen.

Die Begeisterung hatte meiner Rede Adlerschwingen geliehen, für welche es keine Entfernung der Zeit und des Raumes gab. Und wie sie sich jetzt in meine fernste Jugend tauchten oder über dem Park von Nonnendorf schwebten und über dem Moment, da ich sie zum ersten Mal erblickte, wie sie jetzt wieder den anderen umrauschten, welcher die Erfüllung jenes war: den seligen Augenblick heute Abend, als der Traum meines heißen Knabenherzens zur wundersamsten, wonnesamsten Wirklichkeit wurde, die mir doch jetzt wieder wie ein Traum erschien –

„Nein, nein!“ rief dann meine Mutter, „kein Traum! Wonnesamste Wirklichkeit – das ist das Wort! Und zu der will ich Dir verhelfen, werde ich Dir verhelfen, so wahr ich hoffe, daß Gott mir helfen wird!“

Ich weiß nicht, wie wir dahin gekommen, aber, als die Mutter so sprach, saß sie wieder an dem Kamin, und ich lag wieder vor ihr auf den Knieen, schwärmerisch zu ihr aufblickend, die mir wieder das Haar aus der glühenden Stirn strich und, ihr holdes Gesicht zu meinem herabbeugend, lächelnd leise sprach:

„Siehst Du, mein Junge, ich könnte jetzt wohl eifersüchtig sein und glauben, daß die Liebeserklärung, die Du mir hier vorhin gemacht, gar nicht mir gegolten habe, sondern Deinem schönen, jungen Lieb. Aber noch habe ich kein Recht zur Eifersucht. Das muß ich mir erst erwerben. Und ich will damit anfangen, daß ich uneigennützig bin wie eine liebende Schwester, wie es Deine Schwester ist, Deine Adele, für die Du so schwärmst und zu der Du mich morgen führen mußt, damit wir Weiber die Köpfe zusammenstecken und etwas aushecken können, etwas ganz Kluges und Gescheites, bei dem uns auch Dein angebeteter Herr Oberst und die ganze Welt helfen muß, die wir auf den Kopf stellen, wenn es nicht anders gehen will. Und jetzt, my darling, my dearest, sweetest boy, go home and –“

Sie lachte, als sie merkte, daß sie plötzlich – zum ersten Male – ins Englische gerathen war, und ich mußte auch lachen vor Freude, daß sie mich ihren Liebling und theuersten süßesten Jungen nannte, und küßte ihr lachend wieder und wieder die schönen Hände, bevor ich, ihrer Aufforderung folgend, nach Hause ging.

Und dann saß ich im Wagen, der für mich bereit gestanden, in der Ecke, in der ich vorhin gesessen, und starrte bei dem wechselnden Licht der Laternen auf den leeren Platz neben mir, in welchem die Mutter gelehnt hatte. Als jetzt ihr Bild die überreizte Phantasie hervorzurufen suchte, verwandelte sich dasselbe alsbald in das der Geliebten, welches wieder zu jenem wurde, bis ich mich ernstlich fragte, ob des Glückes Uebermaß den Menschen nicht wahnsinnig machen könne, und die pochenden Schläfen mit beiden Händen haltend, sprach ich laut vor mich hin wie ein Gebet die Verse des römischen Sängers, in welchen er den Freund feierlich an die Vergänglichkeit alles Irdischen mahnt, und daß es sich für den Weisen schicke, in schlimmen Lagen und in guten den Gleichmuth der Seele zu bewahren.

(Fortsetzung folgt.)

Blätter und Blüthen.

Denkmäler deutscher Dichter. Wer freut sich nicht in den italienischen Städten, besonders Oberitaliens, über die zahlreichen Statuen und Büsten, welche dem Andenken hervorragender Männer gewidmet sind! Die Kirchen selbst erinnern mit ihren Bildsäulen und Gedenktafeln oft an Pantheons, und manche Walhallen unter freiem Himmel, wie das prato della valle in Padua, versammeln ganze Gruppen steinerner Berühmtheiten, nicht bloß lokaler, sondern vaterländischer Größen.

In Deutschland beginnt man jetzt diesem Beispiel nachzueifern: einer Zahl von Dichtern und Schriftstellern aus diesem Jahrhundert sollen in einzelnen Städten Erinnerungsmäler errichtet werden. Ein gewiß rühmenswerthes Beginnen – nur wird es stets einen wehmüthigen Eindruck machen, wenn den Dichtern bei Lebzeiten die gebührende Anerkennung vorenthalten und sie dann nach ihrem Tode in Stein verewigt werden.

Doch zeigt sich ja auch in Deutschland hierin eine Wendung zum Besseren, wenigstens was die anerkannten Lieblingsdichter betrifft – und so mag man auch in der Verherrlichung der Verstorbenen eine That nationaler Begeisterung erblicken, in welcher zugleich eine glänzende Anerkennung litterarischer und dichterischer Bedeutung liegt.

Karl Gutzkow hat bei Lebzeiten die heftigsten Angriffe erdulden müssen, und noch jetzt ist die Schätzung dieses hervorragenden Autors in manchen litterarischen und gelehrten Kreisen eine geringe. Gleichwohl wird die unbefangene Litteraturgeschichte, wenn sie die Summe seines Wirkens zieht, ihm eine bedeutsame Stellung einräumen müssen, und da sich viele seiner Stücke: „Uriel Acosta“, „Der Königslieutenant“, „Zopf und Schwert“ und „Das Urbild des Tartüffe“ noch auf den deutschen Bühnen als dauerhafte Repertoirestücke erhalten, so ist auch seine geistige Wirkung auf das große Publikum noch immer eine unmittelbare geblieben. Es ist das Verdienst des Allgemeinen deutschen Schriststellerverbandes, ein Denkmal für Karl Gutzkow in Anreguug gebracht und eine Sammlung für diesen Zweck veranstaltet zu haben. Der Ertrag derselben ist jetzt als ausreichend befunden worden, um ein Denkbild zu errichten, und zwar soll Dresden, das Elb-Florenz, mit diesem Bilde geschmückt werden: der Magistrat wird seinerseits die Kosten für die würdige Aufstellung und Umfriedigung des Gedenkbildes tragen. Man mochte in Zweifel sein, ob Berlin oder Dresden der geeignete Ort sei für Errichtung eines Gutzkow-Denkmals. Berlin ist die Vaterstadt des Dichters, und der Berliner Geist verleugnet sich durchaus nicht in der Eigenart desselben: der feinspürige, vorwiegend kritische Zug in seiner litterarischen Physiognomie weist auf die preußische Residenzstadt hin, die allerdings auch die Heimat der Romantiker und der Geburtsort eines Ludwig Tieck war. Doch in Dresden hat Gutzkow, der im Uebrigen ein wanderndes Nomadenleben führte, dessen Hauptstationen Hamburg, Frankfurt, Weimar, Heidelberg waren, von l847–1862 gelebt; in diese Zeit fallen die großen Erfolge, die er mit seinen Hauptdramen davontrug, und hier hat er auch seine beiden epochemachenden Romane geschrieben. So hat wohl Dresden mindestens die gleiche Anwartschaft auf ein Gutzkow-Denkmal wie Berlin.

Daß ein Denkbild Emanuel Geibel’s in Lübeck errichtet wird, ist jedenfalls selbstverständlich. Lübeck ist der Geburtsort des Dichters; hierher zog er sich zurück, als er in München seine Pension opferte, weil seine politische Gesinnung mit den dort herrschenden Strömungen nicht mehr im Einklang war; hier brachte er die letzten sechzehn Jahre seines Lebens (1868–1884), die Jahre seiner wachsenden Erkrankung bis zu seinem Tode zu. Auch hat er stets ein warmes Heimatsgefühl bewahrt, das er oft mit Wärme und Innigkeit ausspricht. In seinen Gedichten aus Griechenland klingt oft die Sehnsucht nach der alten Hansestadt durch; Jugenderinnerungen besingt er in vielen Gedichten, wie z. B. „die Lachswehr“. „Von der Trave“ tönen seine ersten kriegerischen Sonette für Schleswig-Holstein, und am Gestade von Travemünde hat ihn der Wogenschlag der Ostsee zu seinen Meergedichten angeregt. Es ist erfreulich zu hören, daß die Summe für ein Geibel-Denkmal, 41500 Mark, bereits zusammengebracht ist und die Travestadt sich bald mit dem Standbild ihres Dichters schmücken wird. Es soll ein Standbild von Erz sein und auf dem Koberg errichtet werden, demjenigen Platz, von dem die beiden Hauptstraßen Lübecks ausgehen.

Dagegen ist die Sammlnng zu einem Denkmal Friedrich Hebbel’s, das dem Dichter in seinem Geburtsort Wesselburen in Schleswig-Holstein errichtet werden soll, noch nicht zu einem abschließenden Ergebniß gelangt. Friedrich Hebbel, mit dem sich die Litteraturhistoriker fast mehr als mit jedem anderen neuen Dichter beschäftigt haben, ist in seiner eigenartigen Erscheinung, in seiner schroffen dichterischen Haltung dem großen Publikum immer etwas fremd geblieben. Möge dasselbe indeß dem Zeugniß hervorragender Geister glauben, daß Hebbel ein wahrhaft genialer Poet gewesen, und sein Scherflein beisteuern zur Ehrengabe für den Todten.

Dem jüngst verstorbenen Sänger des „Ekkehard“ und des „Trompeters von Säckingen“ soll an den Ufern des Neckar, den seine Lieder gefeiert, in seinem geliebten Heidelberg, wo er, zum Tode krank, noch einmal vor seinem Ende weilte, ebenso auch in Karlsruhe, wo er wohnte und starb, ein Denkmal errichtet werden. Ein Aufruf von dem Oberbürgermeister Heidelbergs, von Professoren und Studenten ausgehend, fordert zu Beiträgen für das dortige Denkmal auf. Wehmüthig muß es stimmen, daß es dem Dichter nicht mehr vergönnt war, das Jubelfest der von ihm so oft verherrlichten Stadt mitzufeiern. Am 13. August ist Viktor von Scheffel auch in Thüringen, in Ilmenau, das einst Goethe verherrlicht hat, ein Denkmal errichtet worden.

Zu einem Denkmal für Fritz Reuter fordern der Bürgermeister und Deputirte des Bürgerausschusses seiner Vaterstadt Stavenhagen auf; schon früher haben Komités in Schwerin und Magdeburg die Sache in die Hand genommen; das erstere aber wollte zwei Denkmäler, in Stavenhagen und Neu-Brandenburg, errichtet sehen. Das letztere ließ die Frage offen, in welcher Stadt das Reuter-Denkmal seinen Platz finden solle. Jetzt treten die Mitbürger des beliebten und gefeierten plattdeutschen Humoristen tapfer für seine Geburtsstadt in die Schranken und suchen durch den Hinweis auf Nordamerika, wo dem Dichter bereits vier Denkmäler errichtet sind, den Eifer des deutschen Volkes anzuspornen, indem, leider! die bisherigen Sammlungen noch nicht das erwünschte Resultat ergeben haben. Der plattdeutsche Klassiker verdient jedenfalls ein Ehrenmal in den Ländern, deren Sprache er zu weitreichender litterarischer Geltung gebracht hat.

Dem Sänger der Griechenlieder und überaus anmuthiger Volkslieder, welche nicht bloß gelesen, sondern in ansprechenden Kompositionen auch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 643. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_643.jpg&oldid=- (Version vom 23.12.2022)