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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

gesungen werden, Wilhelm Müller, wird in Dessau ein Denkmal errichtet werden, zu welchem am 2. Oktober 1884 der Grundstein schon gelegt ist. Auch Ostpreußen, die Heimat großer Denker und Schriftsteller, eines Kant und Herder, will einem Lyriker der Befreiungskriege, Max von Schenkendorf, dessen Geburtsort Tilsit ist, ein Denkmal setzen und in Erinnerung bringen, daß dort, wo in alter Zeit einst die heilige Flamme von Romove gelodert, auch ein Opferaltar deutscher Dichtung gestanden. Die Lieder jener Lyriker von 1813 sind noch keineswegs veraltet: Max von Schenkendorf aber hat ein Recht, unserer jüngsten Epoche wieder ans Herz gelegt zu werden; denn er hat stets die Wiederherstellung des deutschen Kaiserreichs in seinen Liedern gefeiert.

Dem verstorbenen Dichter Hermann Kurz, dem Freunde Paul Heyse’s, dem Verfasser von „Schiller’s Heimathsjahren“ und vom „Sonnwirth“, soll in Reutlingen ein Denkmal gesetzt werden. Hermann Kurz gehörte bei Lebzeiten nicht zu den glücklichen und erfolgreichen Autoren, wenngleich der Erfolg von Heinrich Laube’s „Karlsschülern“ zum Theile seinem Schiller-Roman angerechnet werden muß, aus welchem der Dramatiker Manches entlehnte.

Auch Heinrich Laube soll in seiner Geburtsstadt Sprottau ein Denkmal gesetzt werden; zunächst hat das Komité eine Gedenktafel an dem Geburtshause des Dichters anbringen lassen.

Alle Sammlungen zu solchen Zwecken seien unseren Lesern bestens empfohlen. †      

Traubenhändler. (Mit Illustration S. 641.) Wer vor dem Jahre 1867, das heißt vor Fertigstellung der Brennerbahn, die alte Heerstraße von Innsbruck nach Welschland hinan- und hinabschritt, welche, nebenbei bemerkt, noch größere landschaftliche Schönheiten aufzuweisen hat, als der moderne Schienenweg, oder wer von Sterzing aus den Jaufenpaß überstieg, um durch das Passeierthal an die Etsch zu gelangen, der begegnete, vorausgesetzt, daß er klug genug gewesen, die schönen Tage des Herbstes abzuwarten, Hunderten von Männern und Frauen, welche, von der schweren Last vornübergebeugt, mächtige Körbe voll süßer Trauben auf dem Rücken, nach den nördlichen Gauen wanderten, wo es ihnen nie an Kunden fehlte.

Und wie damals, so ward es auch vor Jahrhunderten gehalten, da auch über den Brenner nur ein Saumsteig führte, für die schwerfälligen Fuhrwerke der Zeit unpassirbar und selbst für Roß und Reiter beschwerlich genug. Aber die Frucht des Weinstockes war damals nicht weniger begehrt als heute, und es schritt kaum Einer mit solcher Last beladen durch die Gassen der Städte und Städtchen oder an den Gehöften vorüber, die an seinem Wege lagen, ohne angerufen zu werden; dafür sorgten vor Allem die lieben Kleinen. Auch der schwarzbärtige Mann auf unserm Bilde, mit der fremdartigen Erscheinung, die auf die südlichen Thäler des Landes hinwies, blieb von den schmucken Kindern nicht unbemerkt, und jubelnd riefen sie die Mutter herbei, auf daß sie ihm einen Theil seiner süßen Last abnehme. Jetzt aber, da er an ihre Thür herangetreten, die „Kraxe“ an den Pfeiler gelehnt und die eiserne Schnellwage hervorgezogen hat, um die gewünschte Menge abzuwiegen, da drückt sich das Mädchen scheu an die Mutter, und auch der Junge nimmt eine Stellung ein, welche es ihm für alle Fälle möglich macht, hinter der Mutter Schutz zu suchen.

Der Künstler, dem wir das anmuthige Bildchen verdanken, heißt Viktor Tobler, ist am 13. Januar 1848 zu Trogen im Kanton Appenzell in der Schweiz geboren und lebt seit 1868 in München, wo er auch seine höhere Ausbildung erhielt und nun eine geachtete Stellung einnimmt. K. R.      

Die Goethe-Gesellschaft in Weimar. Das lange verschlossene Goethe-Schatzhaus in Weimar hat seine Pforten geöffnet: der letzte Enkel Goethe’s hat diese reichen archivalischen Schätze der Großherzogin von Weimar vermacht, welche ihrerseits dieselben als ein nationales Vermächtniß annahm, das dem Kultus des großen Dichters gewidmet werden soll. Der schriftstellerische Nachlaß soll jetzt erforscht, gesichtet, in werthvollen Theilen veröffentlicht und so verarbeitet werden, daß daraus eine neue vollständige Lebensbeschreibung Goethe’s, eine neue vollständige Ausgabe seiner Werke in einer Form hervorgehen wird, welche den wissenschaftlichen Forderungen der Gegenwart entspricht. Dies sind auch die Aufgaben, welche die Goethe-Gesellschaft in Weimar mit übernommen hat, deren Zweck die Pflege der mit Goethe’s Namen verknüpften Litteratur sowie die Vereinigung der auf diesem Gebiete sich bethätigenden Forschung ist. Vorsitzender der Gesellschaft ist der würdige Präsident des Reichsgerichts in Leipzig, Simson, von Jugend auf ein begeisterter Anhänger und genauer Kenner des großen Dichters. Als junger Jurist hatte Simson den verehrten Meister besucht, und in den Aufzeichnungen des Letzteren findet sich eine Erwähnung, daß ihm dieser Besuch einen günstigen Eindruck hinterließ.

Man darf es den Deutschen nicht nachsagen, daß sie im Goethe-Kultus lässig gewesen sind; die kaum zu registrirende Goethe-Litteratur liefert hierfür den thatsächlichen Beweis. Gleichwohl wird dieselbe bei dem erneuten Aufschwung, der jetzt zu erwarten ist, gewiß Gediegeneres leisten als bisher: so fehlt noch immer eine deutsche Goethe-Biographie. Das Goethe-Jahrbuch von Ludwig Geiger, dessen siebenter Band jetzt vorliegt, enthält den ersten Jahresbericht der Goethe-Gesellschaft, und von den im Auftrage des Vorstandes von Erich Schmidt herausgegebenen Schriften der Goethe Gesellschaft liegt der erste Band vor, der die Briefe von Goethe’s Mutter an die Herzogin Anna Amalie enthält, welche die „Frohnatur“ der liebenswürdigen Frankfurterin von Neuem beweisen, denn die Frische dieser Mittheilungen ist von keinem ceremoniellen Hof- und Briefstil angekränkelt. †      

Verschollene Größen. Bei Eduard Trewendt in Breslau erschien ein neuer dreibändiger Roman „Verschollene Größen“ von Rudolf von Gottschall. Dem farbenprächtigen Strauße, mit welchem dieser reich begabte Autor unsere Litteratur schon beschenkte, wird damit eine frische, duftende Blüthe eingefügt. Der stoffliche Inhalt des Werkes ist durchaus geeignet, in den weitesten Kreisen volles Verständniß und wärmste Sympathie zu erwecken. Wer kennt sie nicht und beklagt sie nicht, jene vergänglichen Erscheinungen des öffentlichen Lebens, die nach kurzem Glück, das sie im Sonnenglanze des Ruhmes genießen, in das Meer der Vergessenheit versinken! Sie geben den Grundton dieses Werkes her, und so trefflich gewählt das Motiv ist, so meisterhaft, ja in einigen Einzelheiten von hinreißender Wirkung ist die Gesammtausführung. Der landschaftliche Hintergrund ist in anmuthiger Schönheit dargestellt. Die zahlreichen Figuren des Romans sind trefflich charakterisirt und entbehren eben so wenig der vollendeten Lebenstreue, wie jener idealen Weihe, ohne welche für uns kein echtes Dichterwerk denkbar ist und die uns gerade Gottschall’s Werke stets so besonders werth macht. Die geistige Bedeutung des Autors findet ebenfalls stets den vollendeten Ausdruck, mag sie sich nun in einfach hehrem Ernste oder in funkensprühendem Witze äußern. Zahlreiche formvollendete Gedichte verleihen dem Ganzen noch einen besonderen Schmuck, und so zeigt sich dasselbe nach jeder Richtung hin als ein Werk, das die wärmste Empfehlung verdient. M. U.      

Die Verbreitungsfähigkeit mancher Düfte ist ganz wunderbar. Das riechende Moschusmolekül ist von unbegreiflicher Kleinheit, denn eine kleinste Menge durchduftet große Räume, ohne daß die feinste Wage eine Gewichtsverminderuug nachweisen kann. Selbst das stärkste Mikroskop hat dem menschlichen Auge diese Atome nicht enthüllen können; dennoch haben die Geruchsorgane die Empfindlichkeit, sie wahrzunehmen. Ein einziger Tropfen mit Zucker und ein wenig Alkohol verriebenes Thymianöl theilt 200 Litern Wasser diesen Geruch mit. Der berühmte Naturforscher und Arzt Albrecht von Haller (geboren am 16. Oktober 1708 zu Bern, gestorben am 12. December 1777 zu Göttingen) hatte 40 Jahre lang mit einem Gran Ambra parfümirtes Papier, und nach dieser Zeit roch es noch ebenso stark wie zu Anfang. Bordenave ermittelte, daß der 2 262 584 000. Theil eines Gran Kampher dem Geruchssinne noch wahrnehmbar sei. Der englische Naturforscher Boyle (geboren am 25. Januar 1627 zu Lismore in Irland, gestorben am 30. December 1691 zu London) fand, daß eine Drachme Asafötida an offener Luft in sechs Tagen ein Achtel Gran an Gewicht abgenommen hatte, woraus Keill berechnet, daß sie in einer Minute den 69120. Theil eines Grans verlor. R.      

Die Handelsmarken sind nach neuesten Forschungen so alt wie die Industrie des Menschengeschlechts. Man fand, daß Alt-Babylon schon Schutzmarken in Symbolen hatte, und die Chinesen behaupten, schon tausend Jahre vor Christi Geburt Handelsmarken gehabt zu haben. Gutenberg, der Erfinder der Buchdruckerkunst, führte wegen einer Handelsmarke einen Proceß, und der Gebrauch einer unterscheidenden Marke wurde schon im Jahre 1300 von dem englischen Parlamente anerkannt. R.      


Allerlei Kurzweil.

Skataufgabe Nr. 5.
Von K. Buhle.
Es liegen

im Skat.

Wie müssen die übrigen Karten vertheilt sein, wenn die Mittelhand eine Eichel-Frage ohne 11 Matadore bei fehlerfreier Spielführung ohne eine Zehn abzufangen gewinnen muß. wogegen Vorhand und Hinterhand nicht nur Eichel-Frage ganz sicher, sogar in den meisten Fällen mit Schneider verlieren würden, überdies auch keiner der Mitspieler Tourné, Solo, Grand und Null bei fehlerfreiem Gegenspiel gewinnen kann?


Auflösung der Skataufgabe Nr. 4 auf Seite 516.

Der Grundgedanke der Aufgabe beruht darauf, daß der Spieler, welcher in Mittelhand mit folgender Karte:

eW, rW, rD, rZ, rK, rO, sD, sZ, eK, gK

Grand spielt und nur zwei Augen hereinbekommt, sich im Laufe des Spieles genöthigt sieht, mit dem eW auf ein leeres Blatt einzustechen, weil dies das einzige Mittel ist, um das Spiel möglicherweise zu retten. Ist nämlich die Sitzung folgende:

0Vorhand:0 sW, eD, eZ, eO, e9, e8, e7, gD, gZ, g9.
Hinterhand: gW, gO, g8, g7, r9, r8, sK, sO, s9, s8,

so kann der Gegner in Vorhand nach folgenden 4 Stichen:

1. eD, eK, sK (– 19)
2. gD, gK, gO (– 18)
3. eZ, rW, gW (– 14)
4. g7, g9, rO (– 03)

nicht mehr im Zweifel sein, daß er nur noch einen Stich abgiebt, und spielt deßhalb e7 vor. Der Spieler aber muß sich jetzt gleichfalls sagen, daß die Gegner, welche bereits 54 Augen herein haben, mit dem nächsten Stiche gewinnen, falls er den rK abwirft und Hinterhand einen Ober wimmelt, und daß er überdies nur gewinnen kann, wenn der sW im Skat liegt. Er sticht daher richtig mit eW auf e7 ein, Hinterhand giebt ein leeres Blatt zu und Vorhand bekommt die übrigen Stiche. – Der Verfasser hat, wie überhaupt in seinen Aufgaben, so auch hier das Hauptgewicht auf die Durchführung des Spieles gelegt, denn er hält den anderwärts aufgestellten Grundsatz, daß die Lösung einer Skataufgabe lediglich in der Vertheilung der Karten zu finden sein müsse und deßhalb die Frage: „Wie fallen die Karten?“ gar nicht gestellt werden dürfe, für unrichtig.


[ Das Inhaltsverzeichnis dieses Heftes wird hier zur Zeit nicht dargestellt.]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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