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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Dirn’? Wir sind Beide betrogen. Jetzt lachen sie über uns. Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten. Sie denkt natürlich, ich nehm’ sie doch, weil sie reich ist; und er denkt, Du kommst zu ihm zurück, weil Du in ihn verliebt bist. Wollen wir ihnen ein Schnippchen schlagen? Was meinst? In zwei Wochen bist Du Bäuerin und ’ne reiche dazu. Und ich hab’ ’ne saubere junge Frau. Was meinst?“

Terka trat zurück, bis ins Herz erschrocken. Ihr ganzes Wesen wehrte sich gegen den Antrag.

„Nein,“ stammelte sie, „nein, Bauer! Ich kann nicht.“

„Na, überleg’s Dir, ich komme nach ’ner Stunde zurück,“ sagte der seltsame Freier ruhig. „Willst dann nicht, so geh fort; willst, so bleib’ hier sitzen; das soll meine Antwort sein. Ueberleg’s recht. ’s kommt nicht alle Tag’ ein reicher Bauer nach Dir.“

Er ging über die Theißbrücke in den Park.

Und Terka saß im Sand und überlegte. Das heißt, sie fing wieder an heftig in ihre Schürze zu weinen und dünkte sich die gottverlassene ärmste Kreatur auf der ganzen Welt, und da ihr von dem starken Schluchzen das Herz bis in den Hals hinauf weh that, dachte sie, daß sie nun alle Tage ihres Lebens so werde verweinen müssen; denn was konnte einer verlassenen Braut noch Gutes auf der Welt beschieden sein?

Dann warf sie einen rechten Haß auf den Janos, den schlimmen Buben, der sie in Elend und Schande gestoßen – denn es war doch immerhin eine Schande, einen Tag vor der Hochzeit verlassen zu werden! Und sie war vierundzwanzig Jahre alt! Wer würde sie noch freien?

Nun nahm sie die Schürze von den Augen, Wer sie freien würde? Ei, ein reicher Bauer in den besten Jahren hatte sie so sauber gefunden! Sie verweilte bei dem Gedanken, denn er richtete ihren gedemüthigten Stolz wieder auf. Sie war also noch hübsch und begehrenswerth und würde das dem ungetreuen Janos beweisen.

Wie er sich ärgern würde, wenn er sie sehen würde, wie sie als reiche, angesehene, vom alten Mann gehätschelte Bäuerin im Hause herumhantirt und die Dienstboten ausschilt!

Sie konnte sich dann Dienstboten halten! Vielleicht nahm sie einmal den Janos zum Utvaros! Sie lachte hell auf bei dem Gedanken.

„Nu, bist ja schon gar lustig!“ rief hinter ihr plötzlich der Bauer. „Schön, daß Du da sitzest,“ fuhr er fort, als er auf sie zugekommen war. „Also heut über vierzehn Tage ist Hochzeit. Gilt’s? Schlag’ ein!“

Er reichte ihr die Hand hin, und Terka legte nach kurzem Zögern die ihre hinein.

Als an einem der nächsten Tage Terka den Janos vor dem Hause ihrer Mutter stehen sah, schlug sie ihm die Thür vor der Nase zu und riegelte sie zum Ueberfluß mit großem Geräusch ab.

Als an demselben Tage die Bäuerin dem Bauern einen großen Wels mit schönem Gruß hinüberschickte, warf der Bauer das Thier über den Hofzaun, gerade in der Bäuerin Schoß hinein.

Und Terka weinte nach ihrer Kundgebung ein paar Stunden, und der Bauer lachte nach der seinen und sagte bei sich: „’s ist gut so; krieg ’ne saubere, junge, arme Frau, die mir um den Bart gehen wird, und an der sich meine Augen verlustiren können, statt ’ner alten, geizigen, herben Hex’. Ei, wie sie sich ärgern soll, wenn sie am Sonntag die Ueberraschung haben wird!“

Und ganz heimlich betrieb er die Anstalten zur Hochzeit. Auch Terka flüsterte in den vierzehn Tagen, während welcher sie mehr weinte, als lachte:

„Ei, wie er sich ärgern soll, wenn er die Ueberraschung haben wird!“

Und eine Ueberraschung wurde es, aber für beide Paare. Denn als am bezeichneten Sonntag nach der Messe der Bauer mit Terka von der einen Seite her an den Altar trat, kam Janos mit der Bäuerin von der andern Seite im Hochzeitsstaat daher.

Auch dieses Paar hatte dem andern eine Ueberraschung bereiten wollen.

Da wurden denn zwei Ehen in halbem Aerger und halber Verliebtheit geschlossen.


(Fortsetzung folgt.)


Aus den Zeiten des „Brigantaggio.“

Von Isolde Kurz.
I.

Es lautet wie eine Mär aus fernen verklungenen Tagen, wenn man heute noch vom „Brigantaggio“ redet, und mancher unserer Leser kann sich den Briganten mit Kalabreserhut und schwarzen Sammethosen, das Messer im Gürtel, nur noch auf der Bühne heimisch denken. Aber der merkwürdige Proceß wegen Sequestrirung des Herrn Notarbartolo, der im vorigen Sommer vor den Assisen von Palermo seinen Abschluß gefunden, hätte der Welt beweisen können, daß jene Tage doch nicht so fern und verklungen sind, wenn sein Widerhall nicht vom Lärm zweier riesiger Skandalprocesse, die gleichzeitig die Tagespresse in Athem hielten, verschlungen worden wäre.

Die Art und Weise, wie diese Sequestrirung in Scene gesetzt worden, zeigte klar, daß die alten echten Ueberlieferungen des Brigantenthums nicht erloschen sind. Während Herr Notarbartolo mit zweien seiner Pächter bewaffnet vom Lande nach Palermo zurückkehrte, wurde er unterwegs von vier Bersaglieri und einem Karabiniere im Namen des Gesetzes mit angelegtem Gewehr aufgehalten, nach dem Waffenschein gefragt und nebst seinen Begleitern entwaffnet. Dann erst gaben sich die Angreifer als verkleidete Briganten von der Bande des gefürchteten Barone zu erkennen; sie entließen die beiden Pächter, um die Familie des Gefangenen zu benachrichtigen, und schleppten Herrn Notarbartolo nach einer Höhle im Gebirge, aus welcher er erst nach langen Verhandlungen gegen ein Lösegeld von 51 000 Franken entlassen wurde.

Dieser Fall steht keineswegs vereinzelt da, und wenn er ein besonderes Aufsehen erregt hat, so war es nur wegen der angesehenen Stellung des Betroffenen, denn ich kann kaum eine italienische Zeitung zur Hand nehmen, in der nicht von irgend einem bewaffneten Ueberfall, von der Sequestrirung begüterter Personen oder einem Treffen zwischen Briganten und Karabinieri die Rede wäre, und keineswegs bloß in den halbwilden südlichen Provinzen, selbst in dem wohlgeordneten ruhigen Toskana pflegen sich Banden von Uebelthätern zusammenzurotten und eine Zeit lang die Gegend zu terrorisiren. Der „Brigantaggio“ ist ausgetilgt, aber man muß bekennen, daß der Brigant geblieben ist; nur hat er seinen romantischen Nimbus verloren und ist von einer politischen Macht zum gemeinen Straßenräuber herabgesunken.

Aufgefordert, die denkwürdigsten Erinnerungen aus den sagenhaften Tagen des Brigantaggio zu sammeln, habe ich aus den privaten Mittheilungen von Augenzeugen und officiellen Berichten zusammengestellt, was ein Bild von den damaligen Zuständen zu geben vermag, und werde die gleichzeitigen politischen Vorgänge nur so weit berühren, als nöthig ist, um die Fülle von Anekdoten, die mir zu Gebote steht, an einem losen Faden aufzureihen und verständlich zu machen.

Aber „da des Liedes Stimmen schweigen von dem überwund’nen Mann“, verlangt es die Billigkeit, daß ich wenigstens einige Worte voranschicke über die unerhörten socialen Zustände, die so unerhörte Gräuel ausgebrütet haben.

Ausgezeichnete Nationalökonomen haben es längst ausgesprochen, daß das Brigantenwesen lediglich eine agrarische Frage sei. Wie aus der Bedrückung der städtischen Bevölkerung die Camorra, so ist aus dem Elend des Landvolks der Brigantaggio hervorgegangen. Es ist bekannt, daß der Süditaliener der nüchternste und anspruchsloseste Arbeiter ist, den Chinesen vielleicht ausgenommen; gründliche Kenner versichern, daß es auch keinen fleißigeren gebe, als ihn. Aber welches Loos ist ihm bereitet? Seine Landsleute mögen die Frage beantworten.

„Die Feldarbeiter, welche die oft weit entlegenen Güter bebauen,“ erzählt ein berühmter italienischer Gelehrter, Pasquale Villari, in seinen bekannten „Briefen aus dem Süden“ („Lettere

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 710. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_710.jpg&oldid=- (Version vom 21.4.2023)