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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Garde, welche unentwegt die Kunst des Gänsekiel-Schneidens gegen den Untergang durch die modische Stahlfeder vertheidigt. Die Uhr tickt in dem lauschigen Stübchen, der Nachmittag scheint auf den sauber gescheuerten „Tisch für Alles“, und die kluge Trine weiß der wortschwierigen Freundin alles so geschickt vorzudenken, was sie eigentlich sagen möchte – es wird gewiß ein Brief, der sich sehen lassen kann und der seinen Eindruck macht. Zwei Stunden höchstens, so ist er fertig! V. Blüthgen.     

Katharina Klafsky. scheint uns die Auserwählte zu sein, welche die unvergeßliche, der Kunst so früh entrissene Reicher-Kindermann ersetzen wird. Gleich dieser hat sie Jahre lang in kleineren Rollen gewirkt, bevor ihr großes Talent sich entfaltete und Anerkennung gewann. Nur war das Los der Reicher-Kindermann in so fern ein viel günstigeres, als sie in der Jugend den Musikunterricht ihres Vaters, des ausgezeichneten Sängers genoß, während die Künstlerin, deren Bild und kurze Lebensbeschreibung wir hier bieten, erst die härtesten Lebensproben zu bestehen hatte, bevor sie überhaupt zum Bewußtsein ihres großen Talentes gelangte.

Katharina Klafsky.

Katharina Klafsky ist im Jahre 1855 in einer kleinen Stadt Ungarns, Sankt Johann (Komitat Wieselburg), geboren. Ihr Vater war ein ehrsamer Schustermeister; nebenbei beschäftigte er sich mit Musik; er und seine Frau sangen in der Kirche bei den Sonntags- und Feiertagsmessen; auch die kleine Kathi mußte, sobald sich ein Stimmchen bei ihr zeigte, bei Processionen, Begräbnissen, Hochzeiten als Choristin wirken. Als sie fünfzehn Jahre alt, verlor sie die Mutter; der Vater nahm eine zweite Frau, und diese war der Stieftochter nicht gut gesinnt, die „Kathi“ ging aus dem Hause, um sich ihr Brot zu verdienen. Erst weilte sie in Oedenburg, dann brachte der Vater sie nach Wien zu einer ihm bekannten Dame, bei der sie feinere Handarbeit und die Hauswirthschaft erlernen sollte. Als sie einmal in der Küche sang, ward die Dame auf ihre Stimme aufmerksam und empfahl sie dem Direktor eines kleinen Kirchenchors, H. Neuwirth. Dieser empfand Theilnahme für das junge Mädchen, ließ sie kleine Solo-Kirchenarien singen, verwendete sich bei dem Direktor des Konservatoriums Hellmersberger, und dieser empfahl sie der ausgezeichneten Gesanglehrerin Marchesi, die damals noch in Wien wirkte (jetzt lebt sie in Paris), das Talent des jungen Mädchens sofort erkannte und sie eine Zeit lang unentgeltlich unterrichtete. Im Jahre 1875 begann sie ihre Theaterlaufbahn in Salzburg und in ganz kleinen Rollen. 1876 verheirathete sie sich mit einem jungen Kaufmann, zog mit ihm nach Leipzig und gedachte, ganz im häuslichen Privatleben zu verbleiben. Aber ungünstige Verhältnisse zwangen sie, ihre Begabung von Neuem der Kunst zu weihen.

Zu jener Zeit stand die Oper des Leipziger Theaters unter Direktion von Angelo Neumann; er engagirte Frau Klafsky sofort. Doch es gelang ihr eine Zeit hindurch nur schwer, Anerkennung des Publikums zu gewinnen. Als aber der Direktor die Reisen mit dem „Wagner-Theater“ begann (bei dem bekanntlich die Reicher-Kindermann auch zuerst in den bescheidenen Rollen der „Fricka“, selbst der „Erda“ auftrat), da entfaltete sich das große Talent unserer Künstlerin bald in schönster Kraft. Sie sang einmal in Berlin die „Siglinde“, und die gesammte Kritik verhieß ihr sofort eine glänzende Zukunft. Und sie hat die Prophezeiung bewahrheitet. Wohin immer sie in den letzten Jahren kam, feierte sie Triumphe, die nur eine Zeit lang in Italien durch ein böses Malariafieber unterbrochen wurden, das sie fast ein Jahr der Bühne entzog. Aber jetzt wirkt sie wieder in Vollkraft. Nachdem sie eine Zeit lang in Bremen engagirt war, gehört sie jetzt dem Hamburger Stadttheater an. Im Sommer 1885 hat sie auf dem Krolltheater in Berlin die großartigsten Erfolge errungen.

Frau Klafsky besitzt eine ungemein umfangreiche, kräftige, in allen Registern gleichmäßig ausgebildete, aller Tonfärbungen fähige Stimme. Aber viel mehr als durch diese Stimme wirkt sie durch ihren Vortrag, durch ihre edle Auffassung, durch ein eigenartiges „Etwas“ in ihrem Wesen, das den Zuhörer in eine höhere Stimmung versetzt; er fühlt, daß die Sängerin da oben auf der Bühne ganz aufgeht in ihrer künstlerischen Aufgabe, daß in ihr ein energischer Geist lebt, der sich aufschwingt über alle momentane Störungen. Sie singt fast am schönsten, wenn sie im Anfang mit einer kleinen Ermüdung, mit Unsicherheit zu kämpfen hat; dann wird sie von Scene zu Scene wärmer, begeisterter. Hochdramatische Rollen, Fidelio, Donna Anna, Valentine sind ihre Hauptpartien; wie sie aber auch im Lyrisch-Leidenschaftlichen sehr Schönes leistet, hat sie als Siglinde oft genug bewiesen. Wir wollen ihr wünschen, daß sie als Kunsterbin der großen Reicher-Kindermann recht lange sich des idealen Besitzes erfreue. Heinrich Ehrlich.     

Friedrich der Große und die Schauspielkunst. Der Schützling Voltaire’s, der berühmte Schauspieler Lekain, hatte 1775 auf die Empfehlung des Dichters in Berlin gastirt. Ueber das Gastspiel schrieb Friedrich an Voltaire: „Ich habe Lekain spielen sehen und seine Kunst bewundert. Dieser Mann würde der Roscius seines Jahrhunderts sein, wenn er etwas weniger übertriebe. Ich mag unsere Leidenschaften gern so dargestellt sehen, wie sie wirklich sind: dann bewegt das Schauspiel das Innerste unseres Gemüthes; sobald aber die Kunst die Natur erstickt, läßt sie mich kalt. Ich wette, Sie denken, so sind die Deutschen. Sie lieben bloß schwachangedeutete Leidenschaften; starker Ausdruck ist ihnen zuwider; dafür haben sie keinen Sinn. Das kann sein, ich will mich nicht zum Lobredner meiner Landsleute aufwerfen. Auch ist es wahr, sie reißen keine Mühlen um und verderben keine Saat, wenn sie über Korntheuerung klagen; sie haben bis jetzt weder Bartholomäusnächte noch rebellische Bürgerkriege angestiftet. Da indessen die Welt nach und nach immer aufgeklärter wird, hoffen unsere Schöngeister, daß das mit der Zeit kommen werde, zumal wenn die Wälschen uns die Ehre erzeigen wollen, mit ihrem Geist den unsrigen anzuregen.“

Der alte Fritz liebte also eine maßvolle Schauspielkunst: unsere späteren genialen Shakespeare-Darsteller, die Lears und Othellos, wären ihm gewiß ein Gräuel gewesen. Daß die Deutschen aber für starken Ausdruck der Leidenschaften auf der Bühne wohl Sinn und Verständniß zeigen: das haben sie durch die Huldigungen bewiesen, die sie bis in die neueste Zeit hervorragenden Darstellern im Stile Lekain’s dargebracht haben. Auffallend ist indeß Friedrich’s letzte Aeußerung: die Deutschen haben doch wahrlich genug blutige Bürgerkriege und Religionskriege aufzuweisen, wenn auch nicht gerade Bartholomäusnächte. Darin aber hat er richtig prophezeit, daß sie sich von den Wälschen auf revolutionäre Bahnen würden locken lassen: die spätere Geschichte bestätigt das hinlänglich, †      

Flissaken-Terzett. (Mit Illustration S. 741.) Auf langen „Traften“ und zusammengenestelten Balken und Brettern kommen die „Flissacken“, Flößer aus polnischen Gegenden, die Weichsel herunter nach Danzig, um dort die Erzeugnisse ihrer Heimat, meist Holz und Getreide, auf den Markt zu bringen. Ganze Reihen von Flößen sieht man oft in der Nähe Danzigs auf der Weichsel, und an schönen Sommerabenden entfaltet sich auf ihnen ein eigenthümliches Leben. Männer, wohl auch Weiber und Kinder lagern sich im Kreise, nicht selten um flackerndes Feuer, das die Gesichter der Schwatzenden oder träge in die Ferne Starrenden magisch beleuchtet. Hin und wieder tönen langgezogene, melancholische Mollweisen in die stille Abendluft hinaus, und die aschblonden Slawen in ihren hellen Leinenkitteln, mit farbigen Gürteln, senden, singend oder auf der Fiedel spielend, aus der Fremde sehnsuchtsvolle Grüße an die Heimat, in die sie nach Erledigung ihrer Geschäfte meist unverzüglich zurückkehren. **     

Ein neuer Industriezweig. Geistreiche Menschen waren von jeher als Gesellschafter bei Diners und Soupers ein gesuchter Artikel, und wenn sie noch obendrein über Witz und schlagfertige Geistesgegenwart verfügen, so wird es ihnen niemals an Einladungen fehlen. Aber leider sind diese Gaben nicht allzu häufig, und deßhalb hat sich in London ein Verein junger gebildeter Männer gebildet, welche sich die Aufgabe gestellt haben, bei vorkommenden Festlichkeiten sich dem Hausherrn als Gesellschafter zur Verfügung zu stellen. Diese „Dinner-Outs“ (Auswärts-Speiser), wie sie im Volksmunde genannt werden, haben ihre Tarife, deren Preise sich nach den Anforderungen richten, die an den Einzuladenden, dessen Magen, Mundwerk und Füße gestellt werden. Herren-Diners, bei denen eine besondere Toilette nicht erforderlich ist, kosten zwei bis drei Pfund; sind aber Damen anwesend und ist der Gesellschaftsanzug nothwendig, so steigert sich der Preis bis auf das Doppelte, während die dreifache Taxe eintritt, wenn an den Einzuladenden die Verpflichtung herantritt, sich am Balle zu betheiligen und die Antiquitäten der Damenwelt zur Polonaise und Française zu führen. Besonders elegante und sprachgewandte „Dinner-Outs“ stellen sich bei diesem Gewerbe ganz ausgezeichnet.

Ein Roman von Ernst Wichert. In dritter Auflage liegt der Roman: „Heinrich von Plauen“ von Ernst Wichert (Leipzig. Reißner) vor, welcher uns Bilder aus der Geschichte des deutschen Ordens in Preußen mit der Tüchtigkeit der Darstellung vorführt, die dem Verfasser eigen ist. Er hat dabei eine der interessantesten Epochen jener Geschichte herausgegriffen und auf Grund eingehender Quellenstudien geschildert. Der Held, Heinrich von Plauen, ist ein durchaus interessanter Charakter; seine Schicksale erwecken warme Theilnahme; aber auch die Phantasiegestalten des Dichters sind lebenswahr und anziehend. Aus Ostpreußen gebürtig und in Königsberg lebend, kennt derselbe Land und Leute in jener Eigenart, welche von der geschichtlichen Wandlung nicht berührt wird, ganz genau; die Geschichtsbilder selbst aus den deutschen Ordensschlössern, den preußischen Handelsstädten, von den Höfen von Polen und Ungarn, aus den Kreisen der Eidechsenritter und Vitalienbrüder, haben einen nicht minder eigenartigen Reiz. Einen Vorzug hat Wichert vor manchen sehr gefeierten Romanautoren voraus: er schreibt natürlich und ungezwungen, ohne jeden Anflug von Manier; er geht nirgends auf Stelzen – und das ist gerade bei dem geschichtlichen Roman nur zu sehr Mode. †      

Asyl für unbemittelte Lungenkranke nächst New-York. Mitte August traf Dr. med. Seibert aus New-York im Auftrage der New-Yorker Deutschen Gesellschaft in Görbersdorf (Preußisch-Schlesien) ein, um, nachdem er Davos und Frankenstein besucht, die Brehmer’sche Heilanstalt für Lungenkranke zu studiren und mit Dr. Brehmer, der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 755. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_755.jpg&oldid=- (Version vom 27.12.2022)