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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


man sich am besten darauf, einen kleinen, erbsengroßen Pfropf entfetteter, ganz reiner Baumwolle in den vorderen Theil des Gehörgangs einzubringen und ihn täglich zu erneuern; denn künstliche Trommelfelle – die ersten erfand der Arzt Marcus Banzer im Jahre 1640, der berühmte englische Ohrenarzt Toynbee aber konstruirte das heute gebräuchlichste – sind viel beschwerlicher zu tragen, nützen durchaus nicht mehr, ja oft weniger, und sind überhaupt nur bei völligem Verlust des natürlichen zu versuchen.

An dieser Stelle möchten wir zugleich ernstlich davor warnen, bei jeder geringen Veranlassung, wie leichtem Ohrenschmerz, bei Zahnweh, bei sog. rheumatischem Kopf- resp. Ohrenweh u. dergl., sofort, was allzuoft geschieht, einen dicken Wattepfropf, dazu von oft zweifelhafter Reinheit, in den gar nicht selten auch noch ein Korn Kampher eingewickelt wird, in den Gehörgang zu stopfen; denn ziemlich häufig gleiten diese Pfropfen tiefer und werden im Glauben, sie seien herausgefallen, dann im Ohr belassen, bis ein Ohrenfluß entsteht und der behandelnde Arzt sie entdeckt und entfernt, oder sie bringen auch durch ihre Größe allein schon einen Ausfluß zu Stande. Ist aber ein solcher als selbständige Krankheit vorhanden, so bilden sie, zumal, wenn sie nicht oft genug erneuert werden und nicht aus gereinigter Medicinalbaumwolle bestehen, nur ein Unterstützungsmittel der Eiterung. In diesen Fällen ist einfaches, leichtes Zubinden des Ohres mit einem dünnen Leinen- oder Seidentuche entschieden viel vortheilhafter für die Heilung, weil dabei der Eiter nicht zurückgehalten, zersetzt und schließlich übelriechend wird, wie durch Tragen von Wattepfropfen gar nicht selten geschieht. Jedenfalls muß bei deren Verwendung der Gehörgang um so öfter und gründlicher ausgespritzt werden.

Es bleibt uns jetzt noch übrig, die häufigsten Ursachen dauernder Schwerhörigkeit zu besprechen, und das muß um so mehr geschehen, als der Laie in der Regel gar nicht daran glauben will, daß sie, zu theilweisem, ja allmählich zu völligenn Verlust des Gehörs, dies freilich meistens erst nach langer Vernachlässigung, führen können und thatsächlich oft genug dazu führen. Wir meinen den Schnupfen und die Halsentzündung.

„Wie? ein ganz gewöhnlicher Schnupfen soll das Gehör gefährden? Und was kann erst eine Halsentzündung dem Ohre schaden?“ hört man in der Praxis oft voreilig ausrufen, und so denkt vielleicht auch der Leser.

Wenn derselbe aber gewohnt ist, sich selbst in Krankheiten genau zu beobachten, so wird er gewiß, da er jedenfalls so wenig, wie irgend Jemand, von den zwei genannten Uebeln ganz frei geblieben ist, schon bemerkt haben, daß dabei stets auch eine gewisse Schwerhörigkeit auftritt, sowie daß diese erst völlig verschwindet, wenn jene günstig abgelaufen sind. Und wir wollen hoffen, daß er nicht zu denen gehört, die selbst nach ganz gutem Verlaufe derselben einen geringen Grad von Schwerhörigkeit zurückbehalten haben – ohne es zu wissen.

Leider ist aber die Zahl derer, bei welchen dies der Fall, nicht gerade klein; doch erst, wenn ein Dutzend oder mehr Schnupfen- und Halsentzündungsattacken überstanden sind, kommt ihnen schließlich zum Bewußtsein, daß auch am Ohre viele Wenig ein Viel machen, mit anderen Worten, daß jede noch so kleine Gehörstörung, die nach Schnupfenanfällen zurückbleibt, sich zuletzt zu einer empfindlichen Behinderung der Hörfähigkeit summirt. Das kommt sowohl bei Erwachsenen, wie ganz besonders häufig bei Kindern vor: nicht wenige jener Kinder, die zu Schnupfen und Halsentzündung „Anlage“ haben, in erster Linie also die skrofulösen, hören in der That schlecht, ja oft schon sehr schlecht, bevor das die Eltern beunruhigt, weil die allmähliche Abnahme des Gehörs sich über Jahre erstreckte und man sich daran gewöhnt hatte, immer etwas lauter mit ihnen zu sprechen, „weil die Kinder mit den Jahren bekanntlich immer zerstreuter werden.“ Ja manchmal bekommen sie Strafen zudiktirt, eben weil sie so zerstreut sind, in der Schule aber, weil sie „deßhalb“ so schlecht lernen, im Grunde aber mit Unrecht, weil ja alles das nur Folge schlechten Hörens ist, wie neuere Untersuchungen in zahlreichen Fällen bewiesen haben: es wird ihnen als Unachtsamkeit oder gar als Beschränktheit angerechnet, was doch auf Rechnung ihrer Schwerhörigkeit kommt!

Wie diese Schädigungen des Gehörs in Folge von Schnupfen und Halsentzündung zu Stande kommen, wird auch der Laie sehr leicht einsehen, wenn er unsere obige Abbildung nochmals ansieht und bedenkt, wie leicht jene Krankheiten durch einfache Fortwanderung auf die Eustach’sche Röhre und das Mittelohr übergehen können, weil ja der Weg dahin ganz offen steht. Die Röhre wird dabei entweder vorübergehend durch Schleimabsonderung bei der Oeffnnng d verstopft, die „Ohren fahren zu“, was sich auf kurze Zeit durch das oben beschriebene Luftschlucken oder Blasen nach hinten beheben läßt, oder dieselbe wird in ihrem ganzen Inneren verstopft und verdickt, oder es entsteht selbst schwere Entzündung des Mittelohres, (cc), was alles dann nur sehr langsam oder gar nicht mehr der ärztlichen Kunst weicht, die an sich, wie leicht begreiflich, in solch versteckten Theilen nicht sehr mächtig ist.

Aus diesen Darlegungen ergiebt sich in Bezug auf das Ohr unschwer die hygieinische Regel: man taxire mit Rücksicht auf die leicht mögliche Schädigung des Gehörs Schnupfen und Halsentzündung, namentlich, wenn sie öfters wiederkehren, und ganz besonders bei Kindern, nicht gering, sondern fasse sie als Leiden auf, die leicht ernste Folgen fürs ganze Leben nach sich ziehen können durch Herabsetzung der Hörfähigkeit: man kurire sie richtig aus, wie man zu sagen pflegt.

Zum Schlusse wollen wir noch mit wenigen Worten andeuten, wie gerade das Gehör von allen unseren Sinnen hygieinisch am ungünstigsten gestellt und am ununterbrochensten angestrengt ist; denn selbst im Schlafe wird dasselbe, zumal in Städten, bis zu einem gewissen Grade in Thätigkeit erhalten. Während das Auge in der Nacht durch natürliche wie künstliche Dunkelheit und die Lider völlig gegen die Erregung durch Licht abgeschlossen wird, Geruch, Geschmack und Gefühl aber ohnedies während derselben vollkommen ausruhen, bleibt das Gehör auch des Nachts für seine specifischen Sinneseindrücke halb wach; denn die Geräusche der Straße, der Eisenbahnen und wie sie alle heißen, die Lärmmacher des heutigen Lebens, wirken selbst im Schlafe auf dasselbe, wenn sie auch nicht immer so stark sind, daß wir dadurch erwachen, was übrigens oft genug der Fall ist. Eine Hauptregel der Ohrpflege ist daher auch die, daß man das Schlafzimmer so viel wie irgend möglich von der Straße weg in den allerstillsten Theil des Hauses verlegt, damit auch das Gehör seinen Schlaf möglichst vollkommen genießen kann. Warum haben wohl die Bewohner „der schweigsamen Wüste“, der Prairieen, mit einem Worte die von dem ununterbrochenen Lärm der Civilisation verschonten sogenannten Wilden anerkanntermaßen schärferes Gehör? Unter Anderem gewiß auch deßhalb, weil ihr Gehör nicht fort und fort von Geräuschen getroffen wird, sondern zeitweise ausruhen, und vor Allem, weil es wenigstens ungestört schlafen kann!


Ein Friedhof ohne Gleichen und vierzig auferstandene Könige.

Von Georg Ebers.
(Fortsetzung.)

Königin Hatschepsu war ein Kind jener großen Epoche der ägyptischen Geschichte, für die wir mit Recht den Namen der „Ritterzeit“ gewählt haben; kam doch während der Kriege gegen die Hyksos und der großen Eroberungszüge, welche die ägyptischen Truppen zum ersten Male nach Asien und bis über den Euphrat hinaus führten, zur vollen Geltung, was der Einzelne in der Schlacht – sei es auf dem Kriegswagen, sei es auf dem Schiffe – an Heldenthaten verrichtete. Das Roß, ein vor der Hyksoszeit am Nil unbenutztes Thier, wird in diesen Tagen der Stolz und Genosse des Streiters, der seinen edlen Liebling mit hoch klingenden Namen und das Haupt desselben mit prunkenden Federn schmückt. Später hören wir nur noch erzählen, welche Siege der König mit Hilfe der Götter erfochten; in Hatschepsu’s Zeit werden auch die Großthaten einzelner Helden gepriesen, und wir erfahren, wie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 794. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_794.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2022)