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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)


„Heiß macht’s, Herr Reiser! Und das Holz hat ’n Fluch. Der Peter unt’n klibt g’wiß fleißi’! Er bringt keine fünf Ster z’samm im Tag! Des macht zwei Mark! Des is do a Bisl z’ hart!“

„Wird schon wieder besser hergeh’n,“ entgegnete Reiser, „und dann thut Ihr’s auch net billiger! Das gleicht sich alles aus! Ihr habt’s so doch all’weil Geld im Sack! Woher kommt’s denn nachher, he? Heut früh hab’ i ein angeschoss’nes Reh g’fund’n, der Rupert hat ’s net g’schoss’n!“ Er schaute zu Mathias hinauf, mächtige Rauchwolken aus seiner Pfeife stoßend. „Der Mathias is net sauber! Warn’ ihn, David! Holzarbeiten und Wildern thut kein Gut in d’ Läng’, und leben muß er doch von der Arbeit!“

David lachte verschmitzt.

„Halt a Bisl a Tanzgeld’l tragt’s und ’s Renommiren, das is ja d’ Hauptsach! Sonst gilt’st ja nix mehr bei den Dirndel’n! Glaubt’s es wirkli, daß der Mathias –?“

Er zwinkerte mit den Augen nach oben.

„Thust wohl, als ob’st nix davon wiss’n thät’st und steckt’s do all’weil die Köpf z’samm! I glaub, Du bist no der Schlimmere, so klein D’ bist. Wenn der Rupert Euch derwischt, seid Ihr g’liefert. Thut mir leid, seid sonst tüchtige Arbeiter. War der Rupert denn heut’ schon da?“

„Na Herr, ob’n auf der Alm is er, weiß net, auf was er da paßt den ganz’n Namittag!“

„Aha!“ Reiser lachte; „er laßt net aus, er laßt net aus!“

„Wenn er’s hinbringt, hat er Recht!“ fügte David bei, „’s is bessa der Langbauer sein als a Jaga!“

Reiser zuckte die Achseln. „S’ is Geschmacksach’, i möcht net tausch’n!“

„Ja! Ihr –“ erwiederte David, „Ihr seid a Herr! Werdet a mal Först’r! Aber der Rupert bleibt halt der Rupert!“

Der Gehilfe ging aufwärts zu den Sägern. In den nackten Kniekehlen spielten gewaltige Muskeln, und trotz der Schwere des breiten Körpers war der Gang elastisch. Eben war wieder ein Baum gestürzt, und Mathias und der alte Toni warteten auf den Gehilfen.

Mathias machte sich am Boden zu schaffen. Im Dickicht scheute ein Reh; der rauhe Ton, der dem zarten Geschöpf nicht zuzutrauen ist, klang ganz nahe! Mathias gab es unwillkürlich einen Riß, die Jagdleidenschaft blitzte aus seinen Augen.

Reiser lachte. „No Mathias! Warum reißt’s Di denn so? Denkst wohl an frühre Zeit’n in Tirol drinn! Schlag’ Dir do die G’schicht’n aus den Kopf; es taugt nix! Schau, wir wiss’n, daß D’ net sauber bist! Wennst amal erwischt wirst – und der Rupert hat Dir’s geschwor’n – nachher verlierst Dei Arbeit, und drunt im Landgericht versteh’n ’s kein G’spaß mehr, seit der Leonhard erschossen word’n is!“

Mathias wurde dunkelroth.

„Der Rupert soll mehr thuan und wen’ger schrein! Am Tanzbod’n fangt ma die Wilderer net, Herr Reiser, und ’s Fluchen in die Wirthshäuser umanand fürchten s’ a net!“

„Hast net so unrecht, Mathias! Die Anna hat’n halt ganz verdreht!“ entgegnete Reiser. „Ja! die kann einen a verdreht mach’n, weiß Gott! a sakrisch Mad’l! Also Mathias –“ er drohte gutmüthig lächelnd mit dem Finger – „sei g’scheid!“

Dann ging er bergauf über den Schlag der Almenfläche zu.

„I glaub, den hat ’s a scho eing’fad’lt! Ja auf d’ Jaga is’s wia narrisch!“ murmelte Mathias, „und bin i denn net a oaner, wann a nur die Sonntag! Ja, wann der Rupert net wär!“

Der alte Toni hielt ihn zur Arbeit an, und von neuem griff er zur Säge, um einen gefällten entästeten Baum in einundeinhalb Meter lange Blöcke zu zerschneiden.

Die einförmige wiegende Bewegung des Sägens, die drückende Hitze machten ihn fast schläfrig – er nickte ein und nur mechanisch bewegten sich die Arme hin und her. Als er wieder aufblickte, sah er oben auf der Almfläche die Gestalt des Jägers, in der strahlenden Luft sich abhebend – der Gewehrlauf blitzte in der Sonne, die eben ihre letzten Strahlen über den Berg herüberwarf.

Eine finstere Wolke legte sich über sein Gesicht – er dachte gewiß nichts Gutes.

Reiser hatte sich unterdeß der Almhütte genähert; ein rother hochbeiniger Dachshund, wie man sie im Gebirge zu verwenden pflegt, sprang ihm bellend entgegen.

„Ah, der ‚Gams‘, no do is der Rupert freili net weit!“

Gams und Reiser’s Hund „Dierndel“ begrüßten sich als alte Bekannte; dann sprangen sie beide, sich balgend und überkugelnd, vor dem Kommenden her.

Ein Juhschrei, so klar und rein wie Quellwasser, tönte von der Hütte her, die niedrig, aus starken schwarzbraunen Balken gefügt, in einer kleinen Einsenkung lag. Vor der Thür stand die Almerin Anna, die Langbauerntochter von S…, eine prächtige, kraftstrotzende Gestalt! Ihr Gesicht war nicht schön, die Züge etwas zu derb, aber die braunen kräftigen und doch fein modellirten Arme, der wohlgeformte Nacken, der schneeweiß aus dem rothkarrirten Janker sich heraushob, die ganze Haltung des Körpers, das energische frische, schwarze Auge: das Alles ließ sie als ein echtes Bergkind erscheinen.

Im Kaser (Küche) brannte ein Feuer, dessen Schein ihre kräftigen Kontouren mit röthlicher Gluth einsäumte.

„Grüß’ Gott, Reiser!“ rief sie, „suchst den Rupert? Grad is er kema!“

„Grad?“ erwiederte lachend der Gehilfe, „ich will Di ja net ausfrag’n, deßweg’n bin i net kommen! I muß nur Dei Vieh aufschreiben, das is Alles, und wennst a Schal’n Kaffee für mi hast, hab i auch nix dageg’n, i riech’ so was!“

Er stellte Bergstock und Büchse in die Ecke und trat in den Kaser. Dort saß Rupert, der Jäger, vor einer Schüssel mit Kaffee, dessen angenehmer Geruch den Raum erfüllte.

„Grüß’ Gott, Reiser! Grad hab i geh’n woll’n!“ sagte Rupert.

„Aber was habt’s denn?“ erwiederte Reiser, „habt’s a schlecht’s G’wiss’n, weil Ihr Euch so vertheidigt, oder halt’s mich für an Spion vom Förster? Weg’n meiner kommst oder gehst, was kümmert’s mi!“

Anna setzte ihm eine schön geblumte Tasse mit dem duftenden Trank vor; sie hatte sie eigens aus ihrer Kammer nebenan geholt, für den Herrn Forstgehilfen. „Viel Glück!“ stand darauf, rosenumschlungen. Dann setzte sie sich an das blau angestrichene Butterfaß und begann zu rühren. Die Zwei löffelten schweigend den Kaffee aus.

„Hab’ eben wieder ein ang’schossnes Reh g’fund’n, Rupert, ganz frisch! Jetzt treiben si’s wieder stark, die Lump’n! Mußt ihnen einmal wieder tüchtig auf die Näht geh’n! Der Förster is ganz auseinand drüb’r!“

„Der Först’r? Der is selbst schuld dran! Hab’ i ihm net hundertmal g’sagt, er soll den Mathias entlass’n und den David? Es is koan Andrer als der Mathias; begegn’ i ihm im Revier, so geht er auf’n Arbeitsplatz; grad so der David, der Schlingenleger – aber wenn i eimal oan derwisch, mach’ i kurze Rechnung!“

„Wie nur d’ Mensch’n weg’n so an Stuck Wild einander so feind sein mög’n?“ warf Anna ein, „nix dümmer’s woas i meiner Seel net, und da will der Bua, daß i ihn heirath als Jag’r! Daß ma’n amal derschoss’n heimbringt und i in ew’ger Angst leb’n muaß!“

„No wann ’s wirkli so weit kommt und Du die Tochter vom Langbauern heirath’st, wirst wohl auf d’ Jagerei verzicht’n!“ sagte Reiser zu Rupert.

„Net gern,“ erwiederte dieser, „wann des amal im Bluat steckt, kann ma’s net so schnell ausreiß’n! Wenn’s d’ Anna net anders thuat, in Gott’s Nama! Aber sie braucht si a net z’schama, an ordentlich’n Jaga zum Mann z’hab’n!“

„No, Ihr werd’s Euch schon einig’n, denk i, net, Anna?“ Diese lächelte mit einem verliebten Blick gegen Rupert –

„I hoff’s, Herr Reiser!“

Rupert war aufgestanden und zu Anna hingetreten, er lehnte sich auf das Butterfaß und sah ihr in die Augen. Sein schwarzer Schnurrbart war in kecke Spitzen gedreht, sein ganzer Körper strotzte von Gesundheit und Kraft.

„Und doch hast die Jagerei so gern, Anna! Wann i so mit an Gamsbock heraufkomn’ zu Dir, da juchzest ganz anders als wann i leer komm’! Mei’ Lebtag war’n d’ Almerinna und d’ Jag’ guat Freund, und werdn’s a bleib’n!“ Dabei packte er sie bei den vollen Armen, daß das Butterrad stehen blieb, zog sie an sich und drückte einen herzhaften Kuß auf ihre vollen Lippen. In demselben Augenblick stand Mathias unter der Thür mit einem irdenen Krug und betrachtete spöttisch die verliebte Gruppe.

(Fortsetzung folgt.)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_082.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)