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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Strand bei Nervi. 

Der Karneval der Riviera und sein Ausgang.

Von Anton Freiherrn v. Perfall.
Genua, 26. Februar 1887.     

Nachdem der grimme Winter des Jahres 1887 auf einige Wochen selbst über die ewig blühende Riviera sein dürres Scepter geschwungen, lachte in der Faschingswoche die Sonne so freundlich, so frühlingsmächtig über der ligurischen Küste, als habe sie den mürrischen Gesellen nur auf kurze Zeit zum Karneval eingeladen, theils um dem verwöhnten Völkchen wieder etwas Neues zu bieten, theils um ihre eigenen Reize wieder begehrlicher zu machen. Es galt ja, heute das heitere Fest zu feiern ihres geliebten sanftumstrahlten Kindes, des blühenden Nizza.

Wie ein Zauberwort tönt’s von Marseille bis Genua, ja bis ins blasirte, freudenmatte Paris: „Carnaval de Nice!“ und Zug auf Zug bringt neue Gäste. Arm und reich: das Fischermädchen vom Strande, die stolze unnabbare Lady, der Gesunde und der Kranke, Alles läßt sich in diesen Strudel ziehen. Und heute um zwei Uhr wird ja die lieblichste der Schlachten, „la bataille des fleurs“, die Blumenschlacht, geschlagen; wer möchte da fehlen, sich nicht auch in diesen duftigen Geschoßregen stürzen? Und die von Kampfeslust erhitzten Gesichtchen, die feurigen Blicke!

Es war denn auch ein Bienenschwarm, der sich brausend über die Ponts des Anges, die Rue des Anglais herabwälzte.

Voilà des bouquets, voilà des bouquets!“ tönte es an allen Ecken und Enden; Körbe, Wagen voll wurden zum Verkaufe ausgeboten. Betäubender Blumenduft lag jetzt schon über der ganzen Stadt. Die Tribünen für die Zuschauer füllten sich mit elegantem Publicum; Diener trugen Waschkörbe voll Bouquette aller Größen und stellten sie vor ihre Herrschaften. Alles rüstete sich zum Kampfe. An Munition fehlte es nicht. Selbst die Noth drängte sich heute aus ihren Winkeln in diesen allgemeinen Duft und Glanz und schmückte ihre Lumpen wie zum Hohne mit Veilchen. Auf den Balkonen, an den Fenstern der stolzen Paläste, den glänzenden Hotels der Rue des Anglais, der Place Massena drängte sich die elegante Welt in kostbarer Toilette, ebenfalls mit Munition reichlich versehen.

Ein buntes Gewirr greller Farben: die Trikolore an allen Ecken und Enden, bunte Dominos, Harlekins, Pierrots, die excentrischsten Toiletten, die je übermüthige Phantasie ersonnen, dazwischen die grellrothen Mützen der Küstenbewohner, die schreienden Uniformen des französischen Militärs, darüber azurner Himmel, daneben tiefblaues Meer, in das die mächtigen Palmenwedel der Rue des Anglais mit ihrem kräftigen Grün hineinragten, Freude, Lebenslust, Frühling allüberall!

Endlich ertönt die Musik, die Köpfe recken sich, Alles ist bereit – „voilà des bouquets!“ schüren die Verkäufer die Kampfeslust. Weit unten in der Rue des Anglais erhebt sich goldig erglänzender Staub; helles Getöse, dunkle Punkte schwirren massenweise durch die Luft. Die Schlacht hat begonnen – noch ist es nur Tirailleurfeuer; die Massen haben sich noch nicht begegnet.

Der Wagenzug nähert sich den ersten Tribünen. Jetzt ist die Luft von Blumengarben erfüllt, blau, weiß, gelb, roth schwirren Tausende der duftigen Geschosse von den Tribünen, aus den Fenstern berab, aus dem das Trottoir füllenden Publikum, und energisch wird das Feuer aus den Wagen erwiedert.

An manchen Stellen ist das Bombardement so arg, daß die besiegten Insassen des Wagens, erstickend, erblindend unter den von allen Seiten sie überschüttenden Blüthen, um Gnade bitten und einen Parlamentär mit einem Bouquett auf die Tribünen schicken.

Die Wagen fahren um die Place Massena in die Rue des Anglais und vertheilen sich dann in den Straßen. Unterdeß sinkt der Abend herab über Stadt und Meer, ein kühler Frühlingsabend. In den Kaffeehäusern sammelt es sich wie Staare im Schilfe; hier und da fliegt noch ein Bouquett in den Schoß einer Schönen, einzelne Karossen, angefüllt mit jungem Volke, das den Spaß nicht genug bekommen kann, fahren noch in den Straßen umher. Ihre Insassen bieten den Vorübergehenden Bouquette und Sträuße an, die mit einem leichten Scherz entgegen genommen und gleich darauf wieder verfeuert werden.

Es ist Nacht, von allen Seiten ertönt Tanzmusik und Festeslärm. Das Nachtfest im Palmengarten des Opernhauses ist heute das

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_211.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2023)