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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

In der bereits eingeschlagenen Richtung, durch Gründung überdeckter Schwimmhallen und Wannenbäder, wird jedoch ein durchgreifender Erfolg kaum zu erreichen sein. Die Gründung derartiger Anstalten erfordert ziemlich beträchtliche Kapitalanlagen, welche für diesen Zweck nicht überall flüssig zu machen sind, und außerdem muß der in Deutschland augenblicklich bestehende Durchschnittspreis von 50 Pfennig für ein Warmbad anstandslos als für einen Arbeiter unerschwinglich erklärt werden, auch die Abonnementsermäßigungen kommen für ihn in Rücksicht auf die Höhe des von ihm zu leistenden Vorschusses außer Betracht. Die Ausnahmen, in welchen, Dank dem gemeinnützigen Sinne einzelner Bürger oder Städteverwaltungen, die Badepreise sich billiger stellen, sind so selten, daß man mit ihnen durchaus nicht rechnen kann.

Aus diesem Grunde muß man die Badeform ändern: statt des theuereren Wannenbades das billigere Brausebad einzuführen suchen.

Zu einem Brausebad, wenn es geradezu verschwenderisch bemessen wird, genügen nach den von Dr. Lassar angestellten Versuchen bei richtiger Beschaffenheit der Douchenöffnung höchstens 10 Liter Wasser. Man kann jedoch schon mit fünf Litern ganz gut auskommen. Das Wasser für ein Brausebad kostet demnach höchsteus 0,0015 Mark.[1] Zu einem Wannenbad aber braucht man 200 Liter, was einer Auslage von 3 Pfennig für Wasser gleichkommt. Bei einem Wasserpreise von 15 Pfennig für den Kubikmeter erhält man also für eine Mark das Wasser zu 666 Brausebädern, aber nur für 33 Wannenbäder.

Der Wasserverbrauch in einem Landkreise von 30000 Einwohnern, wenn diese je wöchentlich ein Bad nähmen würde bei Brausebädern einen Aufwand von 2340 Mark, bei Wannenbädern aber von 46800 Mark erfordern. Dabei ist noch in Betracht zu ziehen, daß auch die Gründungskosten einer Brausebad-Anstalt viel niedriger sind als diesenigen für eine Anstalt, in welcher Wannenbäder verabreicht werden.

Pfarrer Lechler’s Volksdouche. (Fig. 1.)

Ein musterhaftes Volksbrausebad wurde schon im Jahre 1883 von Dr. Lassar in der Hygiene-Ausstellung in Berlin errichtet und praktisch erprobt. Dasselbe wurde an vielen Tagen von Hunderten von Personen benutzt.

Dem „Bericht über die allgemeine deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens“, einem für den Fachmann höchst interessanten Werke, welches bei S. Schottländer in Breslau erschienen ist, entnehmen wir die Abbildungen auf S. 266, die Totalansicht und den Grundriß eines Lassar’schen Volksbrausebades.

Die ganze Anstalt besteht aus einem Wellblechhäuschen von etwa 40 Quadratmeter Grundfläche, das, in der Mitte längsgetheilt, eine Frauen- und eine Männerabtheilung mit je besonderem Straßeneingang, zehn Douchezellen, zwei Wasserklosetts, Vorraum, Korridore, Waschküche, Trocken- und Heizraum umfaßt. Sie erfordert so geringe Anlage- und Betriebskosten, daß in geschlossener Einzelzelle ein warmes und kaltes Regenbad mit Seife und Handtuch für 10 bis 15 Pfennig verabreicht werden kann. Die Herstellung dieses Bades in der Hygiene-Ausstellung hat einschließlich des Wellblechhauses 6300 Mark gekostet. Und dies war ein erster Versuch. Fabrikmäßige Beschaffung oder Benutzung vorhandener Räumlichkeiten würden die Kosten erheblich vermindern.

Volksdouche.
(Fig. 2.)

Derartige Anstalten eignen sich vortrefflich für Schulen, Kasernen, Turnhallen, Asyle und Fabriken, sie können an Eisenbahnstationen, Marktplätzen, an den Knotenpunkten des Verkehrs errichtet werden. Durch sie kann in jedem Stadtviertel eine billige Badegelegenheit geboten werden, während jetzt schon der weite Weg zu einer Bade-Anstalt Viele vom Baden abhält.

Wasser belebt die Landschaft, das ist richtig; in unseren Städten errichtet man darum Monumentalbauten, welche viele Tausende kosten, und es ist herrlich anzuchauen, wie all die Delphine, Tritone und Hippokampen das klare Wasser hervorsprudeln lassen. Dieser Wasserkultus ist entschieden zu loben, er erfreut das Auge. Aber der städtische Kunstfreund sollte mit dem Volksarzt Hand in Hand gehen, und dieser meint, daß unsere Haut noch dringender des Wassers bedarf als unser Auge.

Gründet also Volksbrausebäder! Dieser Ruf ergeht nicht allein an die edeldenkenden Menschen, welche durch gemeinnützige Stiftungen das Wohl ihrer Mitbürger zu heben beabsichtigen, sondern auch an die Verwaltungen großer und kleiner Städte, an die deutschen Turner und an die Schulvorstände. In unserer Armee wird diese Neuerung bereits mit solchem Nachdruck durchgeführt, daß ein mahnendes Wort ihr gegenüber unnöthig wäre. Ihre Leitung mag in dieser Hinsicht anderen Vorständen als Muster dienen.

Denjenigen Lesern der „Gartenlaube“, welche die öffentlichen Bade-Anstalten nicht gern benutzen oder auf die Erfüllung all der schönen Zukunftsgedanken nicht allzu lange warten möchten, kann ich dagegen einen praktischen Fingerzeig geben, wie sie für wenige Mark des dauernden Segens eines Brausebades in ihrem eigenen Heim theilhaftig werden können.

In dem schon früher erwähnten Ausstellungsbericht ist auch eine einfache Douche des Herrn Pfarrer Lechler in Roßwälden (Württemberg) beschrieben, welche im vollsten Sinne des Wortes den Namen einer Volksdouche verdient. Die nebenstehenden Abbildungen erleichtern die Erklärung derselben.

D (Fig. 1) stellt ein Blechgefäß mit Brause dar, welches über die Rolle r auf- und abgelassen und bei t zum Wassereinfüllen, bei h zur Benutzung eingehängt werden kann. Wenn die Rolle nicht einfach in einen Deckenbalken oder in einen besonderen, an der senkrechten Wand befestigten Träger eingeschraubt werden kann, so ist ein Gestell ab, a’b’, a’’b’’ nöthig, welches durch die Querleisten c c’ c’’ und d d’ d’’ zusammengehalten wird. An dieser Lattenpyramide kann ein etwa gewünschter Vorhang bei d angebracht werden. Die Rolle r wird in das hartholzene Deckbrett a a’ a’’ eingeschraubt, etwas seitlich, damit das Seil im Mittelpunkt des Gestells herabhängt.

Fig. 2 zeigt den Durchschnitt des Blechgefäßes; p ist ein konisches Stöpselventil, welches in einer Oeffnung des etwas gewölbten Gefäßbodens sitzt. In eben diese Oeffnung ist eine kurze Blechhülse m eingelöthet; die Brause (von einer Gießkanne) n schließt sich über m ein und wird durch Bajonettverschluß festgehalten. Das Zugstängchen og geht durch die Mitte der Brause, in die Höhe gehalten läßt es dem Wasser den Lauf, losgelassen schließt es, satt einsitzend, bei p. Ein Unterstellgefäß ist nöthig, wo das Wasser nicht freien Ablauf hat. Das Douchegefäß sammt Seil und Rolle wird von Herrn Th. Kurfeß in Aalen, Württemberg, für 6 und 7 Mark gefertigt.

Mögen nun die billigen Brausebäder die weiteste Verbreitung finden und dazu beitragen, die Wasserscheu im Volke zu überwinden! Sie ist der Gesundheit nicht zuträglich und zeitigt manchmal recht sonderbare Blüthen. Ein Fall diene hier als Beispiel.

Es war in den siebziger Jahren, eine Kompagnie Soldaten sollte baden, am Flußufer steht ein kräftiger Bursche, der trotz aller energischen Aufforderung nicht ins Wasser will und zum Gelächter seiner Kameraden in die jammernden Worte ausbricht: „0 Mutter, Mutter, wenn Du wüßtest, was man mir anthut!“ Das Muttersöhnchen wurde dank der strammen Disciplin mit der Zeit ein tüchtiger Schwimmer. Es giebt aber noch immer viele derartige Muttersöhnchen, die zur Sitte des Badens erzogen werden müssen.

Und darum ist trotz der trefflichen Bade-Anstalten einiger Großstädte die Frage der Volksbäder immer noch eine brennende und der Ruf „Gründet Volksbäder!“ ein berechtigter.

C. Falkenhorst.     


  1. Als Grundlage für diese Berechnung ist der Breslauer Ueberlassungspreis von 1000 Litern Wasser für 15 Pfennig angenommen worden.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_267.jpg&oldid=- (Version vom 22.4.2023)