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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

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Das Eulenhaus.
Hinterlassener Roman von E. Marlitt.
Vollendet von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)

Claudine bog sich lächelnd über die Brustwehr des Thurmes und sah hinab in den Garten, der sich wie ein buntes Schachbrett mit seinen Blumen- und Gemüsebeeten drunten hinbreitete. „Eiapopai!“ sang die kleine Elisabeth. Sie trug ihre Wickelpuppe im rosa Kattunmäntelchen und trabte durch den Mittelweg des Gartens. Heinemann hatte ihr einen Maiblumenstrauß auf das Strohhütchen gesteckt, und Fräulein Lindenmeyer bewachte das kleine, seelenvergnügte Ding von der Laube aus, wo sie für Heinemann Spargelpfeifen pfundweise zusammenband. Der alte Gärtner verkaufte viel Gemüse und Blumen nach der nächsten kleinen Stadt, und der Ertrag gehörte ihm, kraft der testamentarischen Verfügung seiner verstorbenen Herrin.

Er kam eben mit einem Arm voll kleingespaltenen Holzes von den Ruinen her, und drunten durch die offene Glasthür der Wohnstube klang die tiefe Brummstimme der großen Wanduhr herauf und schlug elfmal an – es war Zeit, an den Herd zu treten.

„Arbeit schändet nicht!“ sagte Heinemann bald darauf in der Küche mit einem Seitenblick nach der rußigen Pfanne, welche Claudine auf den Herd stellte. „Nein, ganz und gar nicht, und ein paar Rußfleckchen verschimpfiren feine Finger auch nicht, so wenig wie es an meinen weißen Narcissen kleben bleibt, daß sie aus der schwarzen Erde gekrochen sind. Aber so vom Herzogshofe weg direktement ans Küchenfeuer – just so, als sollten meine schönen Gloxinien auf einmal im Holzstall oder auf dem Hühnerhofe kampiren, ach, die armen Dinger! – Dazu gehört ’was, es würgt mir an der Kehle, wenn ich die Plagerei so mit ansehe … Ja, wenn es noch sein müßte! Aber es muß nicht sein, absolut nicht – das weiß ich besser! … Und Sparen ist auch eine schöne Sache, ei ja! Ich jage ja meine paar Pfennige auch nicht durch die Gurgel, Gott bewahre! Aber alles was recht ist, gnädiges Fräulein!“ Er warf einen schelmischen Blick auf das dünne Butterscheibchen, das Claudine in die Pfanne gelegt hatte, um ein paar Tauben zu braten. „Das ist ja, wie für ’nen Karthäuser!“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, so knapp braucht’s bei uns doch nicht herzugehen, so knapp nicht! … Wir haben mehr, als Sie denken, gnädiges Fräulein!“

Er sagte das Letztere auffallend langsam, mit nachdrücklicher Betonung. Die junge Dame sah mit großen Augen nach ihm hin. „Sie haben wohl einen Schatz gefunden, Heinemann?“ fragte sie lächelnd.

„Je nun, wie man’s nimmt,“ meinte er den Kopf wiegend, und um seine Augenwinkel erschienen zahllose Fältchen, aus denen etwas wie verheimlichtes Glück lachte. „Gold und Silber freilich nicht – du lieber Gott,


„Guck, Guck!“ Nach dem Oelgemälde von Jan van Beers.
Photographie im Verlage von Ad. Braun u. Comp. in Dornach.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_037.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)