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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

vor der Nase wegzuschließen! Wer weiß, ich hätt’s auch so gemacht.“ Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Eine wunderliche Geschichte! Und fast ebenso verwunderlich ist’s, daß jetzt die grundehrliche Haut da vor mir sitzt und in ernsthaftester Weise den Fund, Scheibe um Scheibe, wohlgezählt, mit uns theilen will!“ Ein hübscher Zug von Humor ging durch ihr geradliniges ernstes Gesicht. „Ei nun ja, Wachs kann man immer brauchen, und sei es auch nur, um ein Bettinlet zu wichsen oder einen Nähfaden glatt und haltbarer zu machen. Aber darin bin ich nicht die höchste Instanz, lieber Schatz! Das mußt Du mit Lothar besprechen.“

Damit stand sie auf und ging hinaus.

Claudine machte keine Bewegung, sie zurückzuhalten. War ihr auch eine weitere Begegnung mit „dem Herrn Baron auf Neuhaus“ nicht erwünscht, so mußte sie sich doch sagen, daß damit die Sache sofort erledigt würde, und deshalb erhob sie sich ruhig, als sie nach längerem Warten seine Schritte in dem Hausflur hörte.


(Fortsetzung folgt.)




Jagdleben im Hochland.
Geschildert von Ludwig Ganghofer.
„Auf der Hütten.“[1]

Das war ein Tag gewesen – so einer von den richtigen Grobwettertagen. Am frühen Morgen schon, als ich mit dem Förster zur Gemsbirsch ausgezogen, hatte uns der Himmel ein bedenkliches Gesicht geschnitten. „Heut’ giebt’s noch ’was! Ich mein’, wir bleibeten g’scheiter daheim auf der Hütten!“ hatte der Förster ein- um das andremal gebrummt. Aber mein Jagdeifer hatte mir die Ohren taub gemacht für diese Warnung. „Ah was – so g’fährlich schaut’s net aus!“ Mit diesen Worten hatte ich die Büchse über die Schulter geworfen und war hinausgetreten unter den mit schwerem Gewölk behangenen Himmel. Brummend war der Förster hinter mir hergetrabt, hatte eine dicke Rauchwolke schief unter seinem grauen Schnurrbart hervorgepafft und geknurrt: „Natürlich – da muß man gamsjaagern – bei so ei’m Wetter, wo der Wind umeinanderfahrt wie a Maus im leeren Mehlsack. Aber g’rad freuen thät’s mich, wenn’s uns heut’ noch recht g’hörig waschen möcht’.“

Er sollte auf diese Freude nicht lange warten müssen. Denn als wir nach erfolgloser Birsche die Grenze des Jagdbezirkes erreicht hatten, da war’s über uns losgebrochen, „als hätt’s der Peterl g’rad schafflweis zum abagießen.“ Da hatte kein Wettermantel, kein Unterstehen mehr gefruchtet. Nach wenigen Minuten waren wir durchnäßt bis auf die Haut. Mit der richtigen Nässe war uns aber auch der richtige Jägerhumor wieder gekommen; unter Lachen und Plaudern waren wir bei strömendem Regen den zwei Stunden weiten Weg zur Hütte heimwärts gestapft und hatten es kaum beachtet, wie das Wasser in völligen Bächen von uns niederrann, und wie jeder Schritt einen ordentlichen Springbrunnen aus unseren glitschenden, patschenden Schuhen trieb.

Mit lachendem Gruße hatte uns der Jagdgehilfe unter der Hüttenthür empfangen. Wie Pudel, die aus dem Wasser gestiegen, hatten wir die gröbste Nässe von uns geschüttelt und waren in die kleine, trauliche Jägerstube getreten, in welcher der Jagdgehilfe in Voraussicht des Zustandes, in dem wir heimkehren würden, ein tüchtiges Feuer angeschürt hatte.

Und nun, ein halbes Stündchen später, saßen wir in trockenen Kleidern, rauchend und plaudernd auf der Holzbank vor der Hütte und schauten, im Schutze des weitvorspringenden Daches, hinaus in das rastlose Strömen und Gießen. Uns zu Füßen senkte sich der waldige Berghang nieder ins Thal, das von dichten wirbelnden Nebeln erfüllt war, welche nur ab und zu einen flüchtigen Ausblick über die weit zerstreuten Häuser des tiefliegenden Dorfes gewährten. Jenseit des Thales bauten sich steile Berge empor über das Nebelmeer, aber ihre Kuppen verschwanden wieder in dem höheren Gewölk, und die farbige Zeichnung ihrer Gehänge schien von dem strömenden Regen wie von einem dichten Schleier überbreitet. Keuchende Windstöße rüttelten die triefenden Tannen und peitschten den Regen, der mit klatschendem Knattern über das Schindeldach der Hütte fiel. Von unferne tönte das dumpfe Rauschen eines Sturzbaches, und dicht vor unseren Füßen plätscherten die hundert Wasserfäden der Dachtraufe über das verwaschene Gestein. Dazu klang durch die offenen Hüttenfenster das Prasseln und Knistern des Feuers, über welchem das Wasser im eisernen Fleischtopf brodelte, und wir hörten die hin- und wiedereilenden Schritte des Jagdgehilfen, hörten das Klappern der Pfanne, mit deren Hilfe er für unseren Jägerhunger seine primitive Kochkunst bethätigte, während er halblaut eine volksthümliche Weise pfiff.

All dieses Hören und Sehen, die gemüthliche Rast nach dem ermüdenden Marsche, das trockene Plätzchen inmitten dieses Strömens und Gießens: das alles machte eine so behagliche Stimmung. Und diese Stimmung mochte mir der Förster wohl vom Gesichte lesen, denn er lachte mich an und sagte: „Gelten’s, nach so ei’m Marsch und bei so ei’m Wetter, da thut Ei’m d’ Hütten wohl.“ Mit vergnüglichem Schmunzeln nickte er vor sich hin, zog an der Pfeife, blies ein dünnes Wölklein in die Luft und plauderte weiter: „Ja, ich sag’s allweil – die Jaager von heut’, die wissen’s gar net, wie schön als sie’s haben. Wann ich dagegen so z’ruckdenk’ an mein’ eigene G’hilfenzeit, vor a dreiß’g a vierzig Jahr’ – no, Sie – da hat fein a ganze, richtige Lieb’ zur Jaagerei g’hört, sonst hätt Ei’m d’ Lust vergehn können vor lauter Müh’ und Plag’. Jeden g’schlagenen Morgen vor der Tagslichten in d’ Höh’ und ’nauf am Berg a vier, a fünf und sechs Stund’ weit – und nachher auf d’ Nacht wieder heim bis ins Ort. Denn in die Sennhütten unterschliefen, das is auch net ei’m Jeden sein Gusto g’wesen – und a jede Sennerin war auch net darnach, daß sich a Jaager mit ihr hätt’ verhalten mögen. Höchstens, daß man auf an Schmarren oder a Milchsuppen zusprechen hat können. Aber wenn kein Kaaser weit und breit net g’wesen is, oder wenn d’ Sennhütten leer g’standen sind, nachher hat’s g’heißen, von in der Fruh bis auf d’ Nacht umeinanderschieben, ohne an warmen Bissen im Magen. Und mit die Lumpen! Was hat man da erst für a Metten g’habt! Natürlich, die Tropfen, die eiskalten, die haben das auch vermerkt und ausg’nutzt, daß der Jaager dengerst amal heim hat müssen zum Essen und Schlafen. Allbot hast da an Schuß hören können – aber natürlich, bis der Jaager amal zum Zeug’ kommen is, derzeit war der Lump schon lang über alle Berg’! Und Mon’schein wann g’wesen is – da hat Einer gleich Tag und Nacht nimmer heim dürfen. Wo man auf’n Abend ’gangen oder g’standen is, da hat man sich hing’legt und hat sich in sein’ Wettermantel g’wickelt. Und am allerfleißigsten hat Einer bei’m groben Wetter auf die Füß’ sein dürfen – g’wiß wahr – das is Ei’m gar nix Seltsams net g’wesen, daß man an ei’m und demselbigen Tag a drei a viermal naß und trocken ’worden is bis auf’n letzten Faden. Und Sie – so ’was nimmt fein an Menschen her!“

Bei diesen Worten schnitt der Förster ein schiefes Gesicht, klemmte die Pfeife zwischen die Zähne und fuhr sich mit beiden Händen unter prüfenden Griffen über die Beine.

Dann hub er wieder zu plaudern an und begann im Gegensatz zur „alten Zeit“ das Lob der neuen zu singen.

„G’wiß wahr, seit in die letzten fufzehn Jahr ein Schutzhäusl und Jaagerhüttl um’s andere ’baut wird, derzeit is auch von Jahr zu Jahr mit die Lumpen besser worden. Natürlich, ganz aufhören thut so ’was nie net. Aber die Mehrern haben sich’s doch überlegt mit’m ’Nausgehn, seit s’ wissen, daß ihnen der Jaager bei Tag und Nacht allweil auf an Katzensprung am G’nack sitzt. Jetzt macht sich ja der Schutz schiergar von selber. Gar nimmer plagen braucht sich Einer – und beim groben Wetter thut’s es ja schon, wenn er sich vor d’ Hüttenthür auf’s Bankl

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_042.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2020)