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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Es kann weder unsere Aufgabe, noch Absicht sein, hier eine Geschichte des Kriegs von 1870 und 1871 zu geben. Der größte Theil des lebenden Geschlechts hat ja die unvergeßlichen Erfolge jenes Feldzuges miterstritten oder die Kunde davon in ihrem unmittelbaren Eindruck bebend und jubelnd in sich aufgenommen. Am 31. Juli verließ König Wilhelm, von den begeisterten Wünschen des ganzen deutschen Volkes begleitet, Berlin; am 2. August übernahm er in Mainz als oberster Bundesherr den Befehl über die ganze Armee. Schon am 4. und 6. waren zu Weißenburg und Wörth die ersten Siege und zwar durch die Armee des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, bei welcher auch die süddeutschen Truppen standen, erfochten. Gleichzeitig wurde die französische Armee bei Spichern vom rechten Flügel der deutschen Heeresaufstellung energisch zurückgeworfen.

Lawinenartig ergossen sich nunmehr die deutschen Armeen über Frankreich, nöthigten die sich auf Metz zurückziehenden französischen Korps durch kühne Vorstöße zuerst bei Courcelles, dann in opfermuthigem, heißem Ringen bei Vionville Stand zu halten, und ermöglichte dadurch die gewaltige und durch die Einschließung der noch 140 000 Mann starken Bazaineschen Armee in Metz so folgenreiche Schlacht bei Gravelotte am 18. August unter persönlicher Führung des Königs.

Kriegsrath in Versailles.
Originalzeichnung von H. Lüders.

Gegen Abend, als das pommersche Armeekorps mit klingendem Spiele vorging, um die heiß umstrittenen Stellungen mit dem Bajonnet zu nehmen, trieb es auch den König nach der Höhe von Gravelotte.

„Bei jenem letzten Vorstoß,“ so berichtet er selbst vom Schlachtfelde an die Königin, „fehlten die historischen Granaten von Königgrätz nicht, aus denen mich diesmal Minister von Roon entfernte.“

Rittmeister von Buddenbrock im Gefolge wurde durch einen Granatsplitter an der Hand verwundet, welcher sodann noch das Pferd des Hofmarschalls Grafen Perponcher tödtete. Das Hauptquartier ritt daher etwas zurück, und der König nahm neben einer Gartenmauer auf der Leiter eines Bauernwagens Platz, deren eines Ende auf eine Dezimalwage, deren anderes auf einen todten französischen Gaul gelegt wurde. Unmittelbar zur Seite brannte eine große Wollspinnerei, die nächste Umgebung mit unheimlichem Lichte erhellend. Man war in Erwartung der Entscheidung, welche die nächsten Minuten bringen mußten, sehr schweigsam. Da eilte Moltke, welcher soeben die Pommern zum Sturme geführt hatte, mit erhitztem Gesicht auf den ihm entgegentretenden König zu. „Majestät, wir haben gesiegt; der Feind ist aus allen Stellungen geworfen!“

Im dankbaren Herzen des Königs ist dieser Augenblick unauslöschlich haften geblieben. Ein Vorgang aus der am 13. September 1887 abgehaltenen Kaiserparade bei Stettin bestätigte dies in ergreifender Weise. Als nämlich Feldmarschall Moltke an diesem Tage sein Kolbergsches Grenadierregiment Nr. 9, welches er am Abend des 18. August 1870 mit gezogenem Degen gegen den Feind geführt hatte, nun mit demselben Degen salutirend vor seinem Kriegsherrn vorbeigeleitete, da winkte ihn dieser dicht an den Wagenschlag heran, drückte ihm wiederholt die Hand und hielt dieselbe schließlich gerührt so lange in seiner Rechten fest, bis der letzte Mann vom Kolbergschen Regiment vorbeimarschirt war. Die Tausende aber, welche diesem erhebenden Schauspiele zusahen, jubelten dem großen Kaiser und seinem großen Heerführer begeistert zu.

Auf Gravelotte folgte schon am 1. und 2. September Sedan, die Gefangennahme der 100 000 Mann starken Armee Mac Mahons und Kaiser Napoleons selbst.

„Tag des Sieges ohnegleichen,
Tag des höchsten Jubels voll!
Steigt empor, ihr Flammenzeichen,
Eines Volkes Opferzoll!“

Die Größe dieses weltgeschichtlichen Ereignisses, welches den Höhepunkt in König Wilhelms Siegeslaufbahn bildet, können wir nur mit seinen eigenen, in ihrer Schlichtheit um so eindrucksvolleren Worten schildern.

„Welch ein ergreifender Augenblick, der der Begegnung mit Napoleon!“ – heißt es in dem Telegramm an die Königin. „Er war gebeugt, aber würdig in seiner Haltung und ergeben. Ich habe ihm Wilhelmshöhe bei Kassel zum Aufenthalt gegeben. Unsere Begegnung fand in einem kleinen Schlößchen vor dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_231.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)