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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

gesunden Exemplaren abgestorbene stehen, deren verwitterte Oberhaut in Fetzen herunter hängt, während das weiße, von der Sonne gebleichte Holz gleich einem Skelett von dem tiefblauen Himmel sich abhebt.

Finden sich in einem derartigen Kaktus schadhafte Stellen und Wunden, so schlägt in diesen Löchern hurtig ein Buntspecht seine Wohnung auf. Eine Eigenthümlichkeit dieses auch in Kalifornien häufigen Vogels ist, daß er, wo irgend ein mit Wurmlöchern versehener Stamm sich findet, diese Wurmlöcher mit Eicheln verschließt. In diesen Eicheln entwickeln sich mit der Zeit Maden, die nun ihrerseits wieder dem Spechte zur Beute fallen, der sich so im wahrsten Sinne des Wortes eine Vorrathskammer großartigsten Stiles bildet.

Junger Yumaindianer.

Zweihundertsiebenundvierzig Meilen östlich von Yuma ist Tucson gelegen, die zweitälteste Stadt der Vereinigten Staaten. Bereits im Jahre 1560 gründeten hier die Spanier eine Niederlassung; sie hat sich, namentlich seitdem die Eisenbahn den Ort erreichte, zu der größten und wichtigsten Stadt Arizonas emporgeschwungen. In ihrem Aussehen eine echt mexikanische Stadt, ist ihre an 10 000 Köpfe starke Bevölkerung vorwiegend aus Mexikanern und Indianern zusammengesetzt; auch eine Anzahl Deutsche ist vorhanden, die im Sommer 1881 einen eigenen Turnverein gründeten. Das Interessanteste, was die Umgebung von Tucson bietet, ist die zehn Meilen südlich gelegene Mission San Xavier del Bac, das schönste und größte jener Baudenkmäler, die von den spanischen Mönchen in diesen Landen errichtet wurden.

Weiter östlich an der Bahn liegt Benson und südlich von hier sind die berühmten Silberminendistrikte von Tombstone zu finden, wo jahraus, jahrein Tausende von Händen die Schatzkammern der Erde durchwühlen. Die mineralischen Schätze dieses entlegenen Erdenwinkels wurden im Februar 1878 durch die Gebrüder Schieffelin[WS 1] entdeckt. Allen Warnungen ihrer Freunde trotzend, daß sie in diesen durch Apachen höchst unsicheren Regionen schwerlich Reichthümer, sondern höchstens ihren „tombstone“, ihren Grabstein, finden könnten, legten die Abenteurer den Grund zu dem Städtchen, welches sie in dankbarer Anerkennung der ihnen gemachten Prophezeiung „Tombstone“ benannten, ein für den Ort immerhin recht charakteristischer Name, da hier von Minern und Cow-Boys (Rinderhirten) unzählige Schießereien und Mordthaten verübt worden sind. Dem Ortsnamen angemessen waren auch zur Zeit meiner Anwesenheit die Namen einiger Biersalons gewählt, wie „The Coffin“ (der Sarg), „The Poison-box“ (die Giftschachtel), „The Tombstone-gem“ (der Grabsteinschmuck) etc. Eine hier erscheinende Zeitung hatte als Titel das Wort „The Epitaph“ („Die Grabschrift“) angenommen.

Daß die Befürchtungen der Freunde der Gebrüder Schirffelin nicht unbegründete waren, beweist die ganze Geschichte von Arizona, deren jede Seite mit Blut geschrieben ist. Wenngleich auch die Zahl der indianischen Bevölkerung von Arizona nur 30 000 Köpfe beträgt und davon die zusammen 25 000 Seelen zählenden Moquis, Pimas, Maricopas, Mohaves, Chimohuevis, Papayos und Yumas friedlich gesinnt sind, so haben sich dagegen die 5000 Apachen mit um so blutigeren Lettern in die Chronik von Arizona eingezeichnet. Neben den Sioux ist ihr Stamm der gefürchtetste und ruheloseste aller nordamerikanischen Indianerstämme. In verschiedene kleinere Abtheilungen zerfallend, wie die Tontos, Chiricahuas, Coyoteros, Mescaleros u. s. w., leben sie auf einem unermeßlichen Gebiete zerstreut, und die vielen koulissenartig hintereinander aussteigenden, wenig gekannten und wasserarmen Gebirgszüge dieses Gebietes mit ihren wilden Schluchten und Pässen bilden den unbezähmbaren Apachen willkommene Schlupfwinkel und Vertheidigungsplätze. So sind namentlich die schwer zugänglichen Chiricahua-, Huachuca-, dos Cabezas- und Dragoon-Berge voll von grausigen Reminiscenzen an die Blutherrschaft der Häuptlinge Cochise, Mangas, Colorado, Vittorio und Geronimo. Aeußerst gewandte Reiter, muthig, entschlossen und verschlagen, unempfindlich für Hunger, Ermüdung oder körperliche Schmerzen, mit Muskeln versehen wie von Stahl, dabei grausam wie Hyänen, sind die Apachen seit Jahrhunderten die wahre Geißel für ganz Arizona, Neu-Mexiko und Nord-Mexiko und haben ganze Länderstriche geradezu entvölkert. Der seit Generationen herrschende Guerillakampf zwischen Weißen und Apachen wird wahrscheinlich erst dann sein Ende finden, wenn der letzte Apache sein Leben unter dem Revolver eines Bleichgesichtes verhaucht. Wie erbittert und grausam dieser Guerillakampf geführt wurde und noch wird, geht daraus hervor, daß die mexikanische Regierung in den vierziger Jahren für jeden Apachenskalp einen Preis von 100 Dollars (425 Mark) bezahlte. Die Schädelhäute von Frauen standen mit 50, die von Kindern mit 25 Dollars im Preise. Derartige Prämien wurden vom Staate Chihuahua noch im Jahre 1880 gezahlt, als die unter Führung des Obersten Terrazas stehenden mexikanischen Freiwilligen die Skalpe des Apachenhäuptlings Vittorio und seiner 77 Krieger in feierlichem Triumphzuge in die Hauptstadt Chihuahua einbrachten.

Eine Hauptschwierigkeit in der Bekämpfang der Apachen bestand darin, daß die Rothäute, wenn von den Truppen des einen Landes verfolgt, stets auf das Gebiet des benachbarten Staates übertraten, wohin ihnen dann die Soldaten nicht folgen durften. Erst neuerdings, nachdem die Regierungen von Mexiko und der Union in der Apachenfrage gemeinschaftliche Sache gemacht und ihren Truppen, wenn diese in Verfolgung von Apachenhorden begriffen waren, das Betreten des angrenzenden Staates freigestellt haben, ist eine entschiedene Wendung zum Besseren eingetreten und dürfte mit der im Sommer 1886 erfolgten Gefangennahme des Häuptlings Geronimo und seiner Verpflanzung nach Florida einstweilen Ruhe und dem Lande die Aussicht verschafft worden sein, nunmehr in Frieden der Weiterentwickelung entgegen zu gehen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Scheiffelein, vgl. Ed Schieffelin
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_542.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)